Thema:
Re:Pfui: DDR = BRD von "Ossis" flat
Autor: Telemesse
Datum:28.02.21 09:19
Antwort auf:Re:Pfui: DDR = BRD von "Ossis" von Gadon

>>>jüngst schwappt es wieder in meine FB Timeline: Ex-Mitschüler aus dem Osten (Baujahr 78), die ständig meinen es ist wieder wie in DDR zu leben und Zeit aufzuwachen.
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>>>ich breche.
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>>>Gesendet mit M! v.2.7.0
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>>Hehe, wart nur ab, das wird schon. Ich hab zum Glück schon rechtzeitig in den Westen rübergemacht. Ist momentan gar nicht so einfach, Verwandte in der Zone zu besuchen.
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>bin am 8.11.1989 "rüber" nach jahrelangen Schikanen von Stasi und KGB. Also nicht ich direkt, sondern die Mutter. Und ja, tatsächlich der echte KGB. Wenn Wessis keine Ahnung haben was 1989 in der DDR so los war wundert mich das wenig. wer aber schon  "bewusst" damals die DDR wahr genommen hat, kann eben nicht wirklich sagen: das ist ja jetzt ddr 2.0 hier.  Entweder leidet da jemand an absoluter Verdummung oder war damals "Teil des Systems". was tatsächlich nicht unwahrscheinlich ist.
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>Gesendet mit M! v.2.7.0


Es ist ja ein bekanntes Phänomen das sich die Erinnerung mit der Zeit verklärt und das man sich eher an positives und angenehmes erinnert als an negative Sachen. Ich habe schon öfters die Beobachtung gemacht das insbesondere Ostdeutsche die so um 1980 geboren worden sind da etwas romantisierende Erinnerungen haben, was sicherlich auch daran liegt das man im Kindesalter vieles gar nicht bewußt wahrnimmt oder man mit vielen Problematiken gar nicht konfrontiert wurde.
Ich selbst war 1986 das erste mal in Ostberlin. Wie viele bin ich da einfach vom Westteil mit der Ubahn rüber zum Ubahnhof Friedrichstraße und für mich war dieser harte Kontrast vom freiheitlichen Westen in des graue Ostberlin einfach kaum begreifbar. Du fährst mit der Ubahn in wenigen Minuten ein paar hundert Meter weit und bist in einer völlig anderen Welt. Das war für mich damals völlig surreal und ich kam mir wirklich vor wie bei einem Zoobesuch bei dem man als freier und offensichtlich priveligierter Wessi mal eben rüberfährt zum Ossis kucken. Für mich hat sich das jedenfalls richtig Scheisse angefühlt und ich wollte eigentlich nur so schnell wie möglich wieder raus da. Es war für mich einfach unbegreiflich wie man, ganz egal vom jeweiligen Lebensstandard, ein ganzes Volk einfach so hinter Mauer und Stacheldraht einsperren konnte. Nach der Wende war ich viel in Ostdeutschland unterwegs und man kann sich heute einfach gar nicht mehr vorstellen wie Städte wie Dresden und Leipzig ausgesehen haben, ganz zu schweigen von Orten wie Neustadt an der Orla, Halle oder Chemnitz.
Das Problem das ich heute auch bei vielen jüngeren erkenne ist folgendes: Wenn man das damals nicht selber mit eigenen Augen gesehen und erlebt hat, kann man sich das schlicht einfach nicht vorstellen. Ich habe auch das Gefühl das das heutzutage gar nicht mehr entsprechend kommuniziert wird und sich stattdessen so eine romantisierende Sozialismusdarstellung steigender Beliebtheit erfreut, bei der auch überwiegend von den ganzen vermeintlichen Vorteilen fabuliert wird.
Das hängt imo auch damit zusammen, das die ganze DDR Historie nie wirklich richtig aufgearbeitet wurde. Damals wollte man alles was an DDR erinnert einfach so schnell wie möglich entfernen. Ganz egal ob es  egativ oder was es natürlich auch gab positiv war. Alles was DDR war war in den Anfangsjahren nach der Wende perse schlecht und verpönt. Die hat sich imo dann in den Nuller Jahren wieder verändert und heute sehen sich eben viele Ostdeutsche, imo auch nicht zu Unrecht, einem Teil ihrer Vergangenheit und Identität beraubt. Da würde ich mir gerne eine viel offenere Debatte wünschen in der mal klar angesprochen wird wie die Umstände waren und das es neben sicherlich auch vielen positiven Dingen aber eben der Entzug der persönlichen Freiheit und das Leben in einem Willküregime mit Bespitzelung und knallharte Repressalien gegen unliebsame Bürger zu Verhältnissen führte, die eigentlich niemand, der bei klarem Verstand ist auch nur Ansatzweise gut heißen kann geschweige denn wieder haben möchte.


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