Thema:
Re:Whataboutism flat
Autor: Atlan
Datum:09.01.21 00:12
Antwort auf:Re:Whataboutism von Faerun

Das öffnet aber Willkür und dem Recht des Stärkeren Tür und Tor (und ist damit leider auch ziemlich nah an der weltpolitischen Realität - siehe z.B. was man einer Großmacht wie USA oder China international durchgehen lässt, wofür man in andere Länder schon längst einmarschiert wäre).

Das ist jetzt NICHT auf dein China-Beispiel gemünzt:

Man kann nicht Land A wegen 1X sanktionieren und gleichzeitig mit Land B, das 10X auf dem Kerbholz hat, beste Beziehungen unterhalten. Ein Verweis auf derlei Doppelstandards ist kein Whataboutismus. Und wenn Land B mit seinen 10X vor der UN Sanktionen gegen Land A wegen seiner 1X fordert, ist die Frage, ob diese Forderung nicht eher aus egoistischen geostrategischen Motiven gestellt wird statt aus Menschenliebe durchaus berechtig und KEIN Whataboutismus. Wenn ein korrupter und auftragsmordender Sheriff einen Pferdedieb richten will, ist ein Hinweis auf seine eigenen Machenschaften KEIN Whataboutismus (ein Freund des korrupten Sheriffs würde den Whataboutismus-Vorwurf heute natürlich bringen). Und nicht ohne Grund würde niemand die Urteile eines kriminellen Richters aktzeptieren, echte Straftäter hin oder her.

Und gerade (welt)politische Vorgänge lassen sich AUSSCHLIESSLICH bewerten, wenn man sie vergleicht oder zueinander in Relation setzt. So funktioniert die gesamte Geschichts- und Politikwissenschaft. Und übrigens auch unser Rechtssystem. Aber genau an diesem Punkt kommt heute oft reflexartig der Whataboutismus-Vorwurf.

Es gibt nicht ohne Grund seit Jahrhunderten diesen Spruch vom Sehen des Splitters im Auge des anderen, während man selbst einen Balken drin hat. Bei einem Hinweis auf den Balken käme heute sofort ein denkfauler Whataboutismus-Vorwurf und dass man ja nur von seinem Splitter ablenken will. Mag in manchen Fällen sogar sein. Macht die Feststellung aber nicht weniger berechtigt. Eigene Nase und so.

Klar gibt es auch echten Whataboutismus. "Du schlägst deine Frau" - "Und was ist mit deinem ungetrennten Müll im Papierkorb?". DAS ist Whataboutismus. Der ist aber eher selten.

In 99% der Fälle hingegen ist Whataboutismus ein Modewort für Heuchler, um unbequeme politische Vergleiche zu verhindern und von den eigenen Doppelstandards abzulenken.

Der Vorwurf hat noch keine Diskussion bereichert.


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