Thema:
7 Wonders Duel: Erfahrung & Fazit flat
Autor: Cherokee
Datum:15.11.20 11:58
Antwort auf:Brettspiele & co Teil 2 |OT|: Homo ludens von Cherokee

Servus!
Wieder mal einer meiner Ergüsse, kurz halten ist bei diesem Thema meine Stärke nicht.

Wen mein privater Exkurs dazu nicht interessiert, geht gleich zum Absatz „Zum Spiel“.

Vor wenigen Tagen habe ich für meine Frau und mich „7 Wonders Duel“ gekauft. Nach Jahren Jambo, welches immer noch zu unseren Lieblingsspielen zählt, war es Zeit für etwas Neues. Da Brettspielrunden derzeit kaum möglich sind wollte ich etwas für 2 Spieler haben.

Nun ist es nicht so einfach ein Spiel zu finden, welches meiner Frau zusagt und gleichzeitig meine Favoritengenres anspricht. Sie spielt schon gerne, eher aber etwas wie Quixx, Monopoly Deal oder klassische Kartenspiele wie Streitpassion. In geselliger Runde sagen ihr z.B. Azul, Pictures, Nobody is Perfect, natürlich Activity und vielleicht noch Carcassonne zu, alles großartige Spiele. Allerdings kann man sie jagen mit jeglicher Art Workerplacement  - Spielen, Ressourcenmanagement und Strategie / Kampf / Handel sind ihr ein Gräuel, sogar Siedler von Catan hat für sie null mit Spaß zu tun. Mit Sachen wie Magic, Zombicide, Arkham Horror oder komplexen Spielen mit Kampagnen wie Gloomhaven brauch ich gar nicht erst anfangen.

Jambo war damals ein absoluter Zweispieler - Glücksgriff, denn trotz Elementen wie Kartensynergien und Ressourcenmanagement für das Erreichen von Siegpunkten liebt sie dieses Spiel. Dieser Anomalie folgte lange nichts. Mit Targi habe ich mal geliebäugelt, es schien mir aber thematisch etwas zu nah an Jambo, auch wenn die Mechanik sich unterscheidet.

Tatsächlich war die erste Hürde gleich das Erklären „Wie hast du eingeschätzt, dass das ein Spiel für mich ist? Das klingt komplex, strategisch, hm, Militärmacht, Stadt bauen. Du weißt, dass ich sowas nicht mag. Na gut, schau ma mal.“. Nun hat sich bei der Partie dann aber heraus gestellt, dass sie das Spiel tatsächlich cool findet. Somit hat 7 Wonders Duel auf jeden Fall was an sich, was selbst jene ansprechen kann, die diese Spielart oder Thematik meiden. Es lässt die von Genrescheuen als umständlich und obskur betrachteten Elemente weg oder reduziert sie gekonnt, konzentriert sich auf flotte und für jeden ersichtliche Spielzüge und Situationen.

Zum Spiel:
Es ist ein strategisches Draft- und Legespiel, kartenbasiert. Alle Karten liegen für beide Spieler sichtbar aus und jeder bedient sich an derselben Auslage. Keine Handkarten, jede gewählte Karte oder Ressource liegt offen am Tisch, der Fortschritt ist sichtbar und nachvollziehbar. Verdeckt vorbereitete „Und jetzt friss DAS!“ – Spielzüge sind nicht möglich. Die einzig relevante Variable bei der das Glück eine Rolle spielt ist, dass es verdeckte Karten in der Auslage gibt, die erst umgedreht werden, wenn sie nach einem Zug frei liegen.

Thematisch führen beide Spieler ihre südeuropäisch/nordafrikanisch antik gehaltenen Zivilisationen über 3 Zeitalter zum Sieg. Eine von 3 Möglichkeiten entscheidet das Spiel, entweder vorzeitig die stärkste Militärmacht, vorzeitiger überwältigender wissenschaftlicher Fortschritt oder ganz am Ende nach dem 3. Zeitalter klassisch über Siegpunkte.

Trotz knapp 20seitiger Anleitung ist das Spiel einfach. Abwechselnd nimmt jeder Spieler in seinem Zug eine freiliegende Karte von der Auslage des aktuellen Zeitalters. Praktisch ist, egal worum es sich bei der Karte handelt, sie muss pro Zug für eine von nur drei möglichen Aktionen verwendet und sofort abgehandelt werden, passen ist nicht möglich, man entscheidet zwischen:

- Karte „bauen“. Kosten bezahlen (gratis, Geld und/oder Baustoffe, gratis Ausbau in Folgezeitalter) und auslegen.

- Karte wegschmeißen und Geld von der Bank kassieren (Fixbetrag 2 + 1 pro gelbem Handelsgebäude in eigener Zivilisation)

- Weltwunder Kosten bezahlen und bauen (Karte wird schlicht als Marker fürs Wunder verwendet, ihre Kosten und Effekte ignoriert)

Grundsätzlich war es das schon, denn ausgehend von den gebauten Karten und Weltwundern werden einem die für den Sieg nötigen Siegpunkte, Militärstärke oder Fortschritt zuteil. Sonstige einmalige oder dauerhafte Effekte der Bauten, Wunder und Fortschrittsplättchen (sofortige Geldzahlung, Extrazug, bessere Baubedingungen, etc.) kann man wenn es soweit ist während der Partie am Hilfezettel nachlesen, man muss all die Symbole nicht vorab kennen.

Das Spiel tut eigentlich nur so, als wäre es richtige Aufbaustrategie. Darum auch die gute Zugänglichkeit für Genreskeptiker.

Noch ins Detail:

- Baut man eine Karte, legt man sie vor sich aus. Je nach Farbe und Funktion geordnet übereinandergelegt, ergeben sie schön übersichtlich die eigene „Zivilisation“ aus Gebäuden und Einrichtungen. Beide Spieler haben so einen freien Blick auf die eigenen und gegnerischen Ressourcen und Fortschritte. Es gibt 7 verschiedene Gebäude wobei man die 2 verschiedenen Baustoffgebäude zusammen legen kann, spart Platz. Mit wachsender Zivilisation steigen die verfügbaren Ressourcen, wissenschaftlicher Fortschritt, Militärmacht, Wirtschaft, Siegpunkte.

Anmerkung: Baustoffe werden im Gegensatz zu Geld nicht verbraucht und sind, anders als etwa in „Siedler“, immer verfügbar. Man gleicht nur die Kosten der Baustoffe (Stein, Holz, Glas,…) mit der Anzahl der Symbole die man ausliegen hat ab. Sind die Kosten gedeckt, legt man einfach die Karte in seine Zivilisation. Die Produktionsstärke für Baustoffe sinkt normalerweise nicht mehr.

- Handel: Fehlende Baustoffe, d.h. man hat zu wenige oder keine Symbole einer oder mehrerer Sorten, muss man mit Geld zukaufen. Man kauft nicht vom Gegenspieler, Ressourcentausch ist nicht möglich. Jeder Baustoff kostet Geld und das wandert in die Bank. Trotz fehlender direkter Interaktion spielen beide Spieler füreinander eine Rolle beim Kaufpreis der Baustoffe! Die Kosten sind nicht insgesamt fix, sie errechnen sich für mich aus dem Fixbetrag 2 + 1 für jedes Symbol des Baustoffes, welches der Gegner in seiner Zivilisation durch Rohstoffgebäude und Manufakturen (nur graue und braune Gebäude werden gezählt!) ausliegen hat. Somit ist man mit dem Ausbau von Rohstoffgebäuden und Manufakturen nicht nur zunehmend produktionsstark, sondern oft auch ein lästiger Preistreiber für den Gegner und vice versa. Hat mein Gegner den benötigten Baustoff, z.B. Holz, noch nicht in seiner Zivilisation, kostet mich Holz idealerweise nur 2 Geld pro Stück.

- Welche Weltwunder man errichten kann, wird schon bei der Spielvorbereitung festgelegt. Jeder hat 4 Wunder offen vor sich liegen, nur sind sie erst aktiv, wenn sie nach den Regeln gebaut werden. Sie bringen teilweise recht starke einmalige oder dauerhafte Effekte, zusätzlich zu Siegpunkten.

- Militärmacht und mögliche Errungenschaften durch Fortschritt werden auf einer extra Leiste angezeigt, die neben den Zeitalterkarten zwischen den Spielern liegt.

Hier bewegt sich nur was, wenn jemand militärische Bauten errichtet. Der Konfliktmarker wird dabei sofort gemäß der Anzahl Schildsymbolen auf den anderen Spieler zubewegt. Anfangs verliert der angegriffene Spieler nur Geld, schafft es der Angreifer aber irgendwann aufs letzte Feld, so fällt die Zivilisation des Gegners und das Spiel endet vorzeitig. Der Konfliktmarker bewegt sich auf der Leiste meist hin und her, je nachdem wer gerade Militärbauten errichtet. Am Ende gibt es Siegpunkte für den Spieler, der am weitesten Richtung Zivilisation des Gegners vorgedrungen ist.

Auch Forschungsbauten können einen früheren Sieg bringen. Hat man Gebäude mit 6 verschiedenen Symbolen der Forschung errichtet, versinkt die Stadt des Gegners sozusagen in der Bedeutungslosigkeit und das Spiel endet sofort. Abgesehen davon erlaubt es jedes gebaute Paar identischer Forschungssymbole, dass man sofort ein beliebiges der fünf ausliegenden Fortschrittsplättchen von der Leiste über der Konfliktleiste nehmen und behalten darf. Diese stehen z.B. für Ökonomie, Theologie, Architektur, usw. und bieten nützliche Boni, manche ändern sogar die Regeln des Spiels zu eigenen Gunsten ab.

- Wie schon erwähnt gibt es 3 Zeitalter mit je 20 im Spiel befindlichen Karten im gemischten Deck, farblich und durch I, II & III gekennzeichnet. Ein Zeitalter endet, sobald ein Spieler die letzte Karte der Auslage nimmt und abgehandelt hat, dann wird das nächste Deck zufällig aber exakt gemäß einer Form ausgelegt. Die Form der Auslage unterscheidet sich in jedem Zeitalter, im ersten ist es eine Pyramide, im zweiten eine auf dem Kopf stehende Pyramide und im dritten eine Ellipse. Die Karten müssen nach und nach von unten nach oben genommen werden, denn in der Auslage überlappen sie einander an den unteren Ecken mit Ausnahme der zu Beginn des Zeitalters jeweils untersten Reihe und laut Regel dürfen nur „freie“ Karten genommen werden, an deren beiden unteren Ecken nichts mehr verdeckt wird.

Eine weitere Besonderheit ist, dass die Reihen der Karten abwechselnd aufgedeckt und verdeckt ausliegen. Man sieht also nicht alle im Spiel befindlichen Karten. Verdeckte Karten werden erst umgedreht, wenn sie durch Nehmen einer der unteren Karten an beiden Ecken frei werden und der Zug beendet ist. Dies ist der einzig überraschende Aspekt des Spiels, weil man natürlich nicht sagen kann, was nun aufgedeckt wird und ob das nun gleich meinem Gegner nützt oder mir weg gepickt wird, um mich auszubremsen.

Wie zu erwarten sind die Karten im ersten Zeitalter noch simpel und billig, in den folgenden mächtiger aber auch teurer.

Spielmechanik:

Pick oder Hatepick? Im Grunde entscheidet man nur dies im ständigen Wechsel. Bringe ich meine Zivilisation in diesem Zug voran oder entscheide ich mich dafür eine weniger brauchbare Karte zu bauen oder abzuwerfen, weil sie sonst meinem Gegner in seiner Folgerunde viel bringen würde? Welche Karten werden voraussichtlich durch meine Picks in den Folgerunden aufgedeckt und/oder frei? Darauf basiert versucht man möglichst gut abzuschätzen, ab wann man was bauen oder vorantreiben und sich somit taktische Vorteile erspielen kann, während man aber auch den Gegner im Auge behalten muss. Direkte Reaktionen auf Aktionen stehen hier im Vordergrund, sich raus- und den anderen möglicherweise in was reinmanövrieren. Sich früh stur auf eine Siegmöglichkeit einzuschießen gelingt wahrscheinlich kaum, schließlich ist man ein offenes Buch. Taktiken können sich außerdem ändern, sobald zunächst verdeckte Karten sichtbar werden und ein neues Vorgehen ermöglichen. Außerdem kann jede Karte immer von jedem Spieler benutzt werden, es bleibt nichts ewig liegen, nur weil etwa Baukosten zu hoch sind. Man muss eine der freien Karten zumindest auf den Ablagestapel werfen und Geld kassieren, wenn das Bauen oder Wunder Errichten unmöglich ist.

Kartensynergien in dem Sinn gibt es nicht. Die Effekte sind klar. Gebäude, Wunder und Plättchen schließen sich nicht zu Kombos zusammen, die dann Ressourcen scheffeln oder den Gegner mit komplexen Wechselwirkungen bremsen. Vielmehr begünstigt jede Karte, angehäufte Kartenart oder jedes Plättchen für sich das weitere mögliche Vorgehen in gewisser Richtung. Profangebäude werden billiger? Dann geh ich eher auf Siegpunkte. Ich kann einen Extrazug erwirken? Dann hol ich mir noch eine Karte, die die Militärmacht des Gegenspielers abschwächt bevor ich überrannt werde.

Eigenheiten:

Um der Gleichförmigkeit vorzubeugen, werden bei der Spielvorbereitung aus jedem Zeitalter – Deck zufällig drei verdeckte Karten aussortiert und in die Schachtel gelegt, dazu werden von 7 Gildenkarten 3 zufällige ins 3. Zeitalter gemischt. Auch von den 10 Fortschrittsplättchen liegen immer nur 5 zufällige aus. Ebenso werden vorab von 12 Weltwundern nur 8 Stück zufällig gezogen und nach einer Vorgabe abwechselnd gepickt bis jeder 4 Stück hat. Somit steht nie jede Karte in jeder Partie zur Verfügung, die vorhandenen Karten können außerdem mal verdeckt, mal offen ausliegen oder früh oder erst gegen Ende eines Zeitalters frei werden. Einem immer wieder kehrenden taktischen rush im Sinne von „möglichst schnell die Via Appia und ein bestimmtes Baustofflager errichten“ wird damit erfreulicherweise ein Riegel vorgeschoben.

Wie eingangs erwähnt erscheint das mit den Baustoffen und dem Gebäude errichten wie bei Siedler von Catan und Konsorten und schreckt Leute ab, die solche Spiele nicht ausstehen können, aber: diese Mechaniken sind so angepasst und vereinfacht, dass sie vom Handling her nicht ins Gewicht fallen und schönerweise auch nicht aufgesetzt wirken, sondern so etwas wie schön illustrierten Fortschritt darstellen, der aufgrund zuvor ausgelegter Karten vorangetrieben werden kann.

Anleitung, Spieltempo und benötigter Platz:

Die Anleitung ist übersichtlich und überwiegend klar, nur die Regel mit den Handelsgebäuden ist imo nicht ausreichend erklärt und bietet für mich Interpretationsspielraum. Die Symbole sind schön aufgelistet und sonnenklar erläutert.

Während die erste Partie zaghafter abläuft, geht das Spiel pro Partie sicher in 20 – 25 Minuten ab. Es spielt sich ja wirklich sehr schnell, man draftet ja nur und die „Bauphase“ verlangt nur kurzes Addieren von ausliegenden Symbolen. Da man nicht wirklich etwas komplexes Aufbaut, muss man auch nicht lange nachdenken.

Platz braucht es schon mehr als die meisten 2 Spieler Spiele, ein Couchtisch von unter 1x1 Meter reicht aber locker aus.

Illustration:

Sehr ansprechend, die Bilder sind schön und detailliert und fangen das Flair der Antike sehr gut ein. Auch die Auslage ist attraktiv gestaltet und sehr übersichtlich für beide Spieler. Ich möchte fast sagen, für ein im Grunde einfaches Spiel ist es fast schon verschwenderisch dargestellt, dies ist aber absolut kein Nachteil!

Fazit:

Sehr empfehlenswert. Schlicht und ergreifend. Das Spiel überwindet die Hürde für Leute mit ansonsten absolut fehlender Begeisterung für jegliche Aufbaustrategie auf gute eigenständige Weise, und ebenso spricht es Spieler an, die es gerne haben, wenn sich am Feld was tut und entwickelt und man nicht nur krude Symbole auf weißen Karten betrachtet und zählt. Legespielpuristen und Fans schön gestalteter Aufbaustrategie treffen sich hier in der Mitte. Wahrscheinlich gibt es nicht viele Spiele für 2 Spieler, die das so elegant hinbekommen. So wie ich es bisher einschätze, kann man sich viele Partien gönnen, bevor das Grundspiel sich abnützt. Wir freuen uns schon wieder auf eine Runde!


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