Thema:
"... sind bei der Operation Komplikationen aufgetreten." flat
Autor: pacmanamcap
Datum:14.11.20 08:54
Antwort auf:Hui oder Pfui Nr. 91 von Cerberus

"Hallo, mein Name ist Dr. Arztmann von der Klinik der Heiligen Maria.
Spreche ich mit pacmanamcap, dem Sohn von Herrn DadStranding?
Ich muss Ihnen leider sagen, dass bei der Operation Komplikationen aufgetreten sind. Es ist zu einem Herzstillstand und Kreislaufversagen gekommen."
Ab hier habe ich nicht mehr richtig zugehört.
"Wir haben Ihren Vater reanimiert. ... Herzmassage ...
... Zustand stabil ...
... jetzt Intensivstation ..."

Donnerstag habe ich DadStranding in die Klinik gebracht, Tag 360 seit seinem Schlaganfall. Es sollte der Schlauch zum Magen entfernt werden, der ihm seit Januar aus dem Bau hängt, über den er bis September ausschließlich ernährt worden ist. Ab Juli, August haben wir es mit Nahrungsaufnahme probiert, was schlecht ging, weil im Hals auch ein Schlauch gesteckt hat.
Der kam Anfang September raus.
Anfang Oktober kam Vater wieder nach Hause.
Konnte immer noch nicht gehen, aber essen und trinken gingen so gut, dass man das machen kann.
Eigentlich wollte  ich ihn mit Auszug aus der Intensiv-Wohngemeinschaft direkt in eine Reha schicken, aber die wollten ihn wegen des Krankenhaus-Keims, den er im Januar gekriegt hat, nicht nehmen.
Und dann ist den ganzen Oktober die Covid-19-Situation so gekippt, dass ich froh war, ihn daheim zu haben. Wenn ich ihn im Wohnheim auch nicht hätte besuchen können ...


Immerhin konnte ich zur Aufnahme und zum Einchecken mit in die Klinik, Routine-Operation, tausendmal gemacht.
[https://de.wikipedia.org/wiki/Perkutane_endoskopische_Gastrostomie]

Okay, e lebt noch. Aber ich darf nicht in die Klinik. Der Arzt, der mich informiert hat, ist mit seinem Teil der Behandlung fertig. Nennt mir den Namen des Arztes, der jetzt übernimmt.
Kann ich irgendwo Informationen erhalten? Was machen die jetzt?
Wie genau ist der Zustand? Ich bin Betreuer, habe das Sagen bei medizinischen Eingriffen. Aber Vater ist nicht entmündigt, er kann für sich selbst entscheiden. Außer, wenn er nicht kann.

Wie sage ich das meiner Schwester und meiner Mutter?

Also erst Schwester angerufen, gefragt ob sie sitzt, dann nicht mehr sprechen können und geheult.
Irgendwie konnte ich ihr den Sachverhalt darlegen.

Dann Mutter angerufen, Vater bleibt bis Montag zur Kontrolle in Klinik, ich komme jetzt allein zu ihr.
Dann persönlich die schlechte, aber in sich gute Nachricht überbracht, dass er noch lebt.
Wieder lebt.

Gestern abend durch viele Telefonate konnte ich ihn besuchen. Er ist kommunikativ, brauchte nach wenigen Stunden keine Beatmungsmaschine mehr, sie wollen ihn über Nacht in der Intensivstation behalten. Vor einer Stunde angerufen. Er lebt immer noch, klang aber arg müde am Telefon.

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Ich bin sicher, dass ich nicht der einzige hier bin, dem die Eltern wegsterben.

Y17 hat es im OT gerade geschrieben: wir sind alle im etwa gleichen Alter. Wahrscheinlich sterben unser aller Eltern irgendwann, wenn wir zwischen 30 und 50 sind, bei manchen früher, bei manchen später.

Aber sterben ist nicht gleich sterben. Manche legen dabei Pausen ein, brauchen länger. Manchmal bindet man sich vielleicht näher an die Eltern, manchmal vielleicht nicht.
Ich war und bin in der Lage, mich zu binden, kann bei ihm sein.
Und ich kann ernsthaft behaupten, dass ich im letzten Jahr mehr Zeit mit meinem Vater und meiner Mutter verbracht habe wie noch nie zuvor zusammengenommen. In Vierzig Jahren nicht.
Und wir haben viel gelacht.

Das mal so als Erkenntnis. Und als Rat. Kümmert euch um eine Vorsorgevollmacht. Für die Eltern, aber auch für euch. Besucht eure Eltern mal, redet mit ihnen, setzt euch dazu. Umarmt sie. Irgendwann sind sie weg.


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