Thema:
Re:Soziale Gerechtigkeit: Klasse ist kein Unwort mehr flat
Autor: Slapshot
Datum:16.09.20 14:09
Antwort auf:Re:Soziale Gerechtigkeit: Klasse ist kein Unwort mehr von Sven Mittag

>Hmm... ich dachte Home Office wäre der neuste Shit. Zumal die Arbeitslosenquote im Beispiel hier seit Jahren unter 2% liegt und hier teils Hände riegend nach Fachkräften gesucht wird und entsprechend auch Branchenüberdurchachnittluch bezahlt wird, um halt mal ne B-Kraft zu überzeugen, sich zu erniedrigen aufs Land zu gehen.

Ach herrje. Wo fang ich da an? :)

Kurz mal zu meiner eigenen Lebenssituation. Geboren und aufgewachsen im ländlichen Niederbayern (Kreis Deggendorf). Dort ein paar Jahre gearbeitet, bis ich 98 dann ohne Arbeit da stand. Natürlich hab ich mich auch im Umkreis beworben, am Ende hat es mich aber nach München verschlagen. Einfach, weil der Markt 98 in Niederbayern nichts hergegeben hat. Wenn du da nicht bei BMW oder Kermi arbeitest, dann halt bei irgendeiner mittelständischen Butze mit Gehältern damals um die 2000 DM Brutto. Vielleicht mal 2500 DM.

Seit 98 arbeite und wohne ich jetzt im Großraum München. Seit 16 Jahren im rund 50 KM entfernten Moosburg, was jeden Tag mit rund einer Stunde einfacher Fahrtzeit einhergeht. Etwas mehr, aber wir wollen jetzt nicht so nickelig sein.

Der Job ist meines Erachtens gut bezahlt, bzw. kann man sagen, dass ich mir intern durchaus etwas erarbeitet habe. Es ist auf jeden Fall deutlich mehr, als eine vergleichbare Stelle, um jetzt mal in meiner Heimat zu bleiben, in Niederbayern einbringen würde.

Seit März arbeite ich nun schon im Homeoffice. Ja. Gleichzeitig hat unser Arbeitgeber aber schon klar gemacht, dass 100 % HO kein Zukunftsmodell ist. Mehr HO: Ja. 100 % HO: Nein.

Meine Frau dagegen arbeitet Teilzeit in München, komplett ohne HO.

Jetzt weiß ich ja nicht wo deine ländliche Gegend liegt, aber ich würd mal sagen das ist schon so halbwegs vergleichbar. Von Deggendorf braucht man auch gut 1,5 Stunden nach München, etwa 45, 50 Minuten nach Landshut. Aber das würd ich jetzt bei aller Liebe nicht als Großstadt bezeichnen. :)

Es hat also bei Gott nichts mit erniedrigen zu tun, dass ich nicht in Niederbayern arbeite, sondern rein mit der Arbeitsmarktsituation. Und mittlerweile bin ich halt schon recht spezialisiert im Projektmanagement im Telekommunikationssektor. Da hilft mir eine Stelle im Maschinenbausektor z. B. auch nicht weiter, weil ich davon einfach gesagt keinen Plan habe.

>Klar, gibt es special interest-Bereich wie TV, die hier keinen Job finden. Aber ist ja nicht so, dass hiesige Großunternehmen und grössere Mittelständler keine EDV brauchen  ;) aber ich sehe schon, diskutieren bringt nix. Infrastruktur ist ja gleich Großstadt und so...

Wegen Infrastruktur hab ich doch gar nichts gesagt. Um bei meinem Beispiel Deggendorf zu bleiben: da gibt's alles, was ich brauche. Oder gäbe es. Wenn ich da wohnen würde. Momentan wohne ich ja auch in einer Kleinstadt (knapp unter 20K Einwohner) und vermisse auch nix. Der eine oder andere Arzt/Spezialist wäre schon noch ganz nett, aber LA ist ja gleich um's Eck.

Es liegt also einzig und allein am Jobangebot.

Und da mir mein Vermieter gerade wegen Eigenbedarf gekündigt hat, bin ich auch gerade in der tollen Situation, mir eine neue Wohnung zu suchen. Natürlich haben wir schon überlegt, etwas weiter auf's flache Land zu ziehen. Da wir quasi zum Großraum München zählen, sind hier die Mieten zumindest in Bahnhofsnähe auch schon jenseits von Gut und Böse.

Auf der anderen Seite bedingt das dann wieder, dass wir ggf. ein zweites Auto anschaffen müssen. Oder meine Frau ihren Job kündigt. Irgendwann wird ein Teilzeitjob auch finanziell unattraktiv, wenn neben den zwei Stunden ÖPNV noch ein Auto und entsprechend mehr Fahrtzeit dazukommen.

Was nutzt mir ein schönes Haus mit Garten, wenn ich die meiste Zeit im Büro und auf dem Weg dahin verbringen muss?

Aber ich seh schon, diskutieren bringt nix. Weil es gibt ja nur schwarz und weiß.


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