Thema:
Erfahrungsbericht Vanmoof S3 flat
Autor: Flash
Datum:17.08.20 09:56
Antwort auf:Der Fahrrad Thread Nr. 2 - Muskelkraft oder Batterie? von Steppenwolf

Moin!

Vielleicht interessiert den ein oder anderen ja dieses Rad hier (wir hatten schon ein paar mal darüber gesprochen): [https://www.vanmoof.com]

Habe das Rad seit Release, fahre es aber erst seit 4 Wochen intensiver.

Steckbrief des Rades:

- Pedelec verfügbar in zwei Größen; das S3 ist für Fahrer*innen zwischen 1,70-2,10 m, das X3 für 1,55-2,00 m Körpergröße. Technisch sind die beiden Versionen identisch.
- Frontmotor mit 59 nm (fahrbar im EU-Modus oder wahlweise US-Modus; dazu später mehr) und "Turbo-Boost"-Funktion
- 504Wh-Akkukapazität
- Elektronisch geregelte 4-Gang-Automatik-Naben-Schaltung (von Sturmey Archer)
- hydraulische Scheibenbremsen
- Matrix-Display im Oberrohr
- 40 Lux LED-Beleuchtung im Oberrohr integriert
- "Kick"-Lock (Verriegelung des Hinterrades) inkl. Alarmsystem
- gekapselte Kette, Schutzbleche vorne und hinten, aber Gepäckträger nur als Zubehör
- App-Bedienung
- 19 kg Gewicht ohne Zubehör
- Preis: 1998,00 €

Vergleiche zum noch erhältlichen S2/X2 mache ich keine, nur soviel: Kauft das Dingen nicht mehr! Das S3 ist in allen Belangen besser und da das S2/X2 damals mit über 3000,- € deutlich teurer war, wird es wahrscheinlich jetzt kaum billiger, als das S3/X3 sein.

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Design und Verarbeitung:
Was soll man dazu sagen? In meinen Augen fast perfekt:
Würde man einen Schattenriss des Fahrrads machen, sähe es aus, wie das Piktogramm eines Fahrrads. Als Pedelec ist das Rad sicherlich nicht auf Anhieb zu erkennen.
Schnörkellos, kein Klimbim, größtenteils im Rahmen versteckte Seilzüge, die Reservoirs für die Bremsflüssigkeit habe ich noch nie so klein und unauffällig gesehen, die Lampen sind im Rahmen komplett integriert, das Display ebenso und steht nicht fett auf dem Lenker auf. Schweißnähte vermeidet Vanmoof im oberen Bereich des Fahrrades komplett, nach unten gibt es dann leider doch einige, aber die sehen ordentlich aus (die heben sich bestimmt noch was für das S4 auf ;)).

Der Lenker ist aus einem Guss, schön griffig gepolstert und lässt sich zur Not in zwei Stufen erhöhen. Am Lenker befinden sich, außer den Bremsen, lediglich zwei Knöpfe. Mit dem einen entsperrt man das Rad und aktiviert die Klingel, mit dem anderen wählt man die Unterstützungsstufe und aktiviert den Turboboost.  

Der Akku ist fest im Rahmen verbaut! Das macht das Rad schön schlank, aber wer keine Garage etc. zum Laden hat...naja, 19 kg sind für ein Pedelec sicherlich nicht viel, ich würde es aber nicht in den 5. Stock schleppen wollen.

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App:
Ich mag grundsätzlich technischen Spielereien, aber einige Sachen müssen einfach funktionieren und das gute an der App ist: Man braucht sie eigentlich nicht.
Sobald das Bike montiert ist, muss man es einmalig über die App aktivieren, danach kann das Handy, theoretisch zuhause bleiben.
In der App kann man den letzten Standort des Rades abrufen, eigene Schaltpunkte für die Automatikschaltung festlegen, einen aus drei Klingeltönen wählen (ja, ein Fahrrad mit verschiedenen Klingeltönen!), die Unterstützungsstufe wählen, Licht an/aus/auto, Sounds, Einstellungen des Speed Limits etc.

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Motor:
Man kann aus vier Unterstützungsstufen wählen (leider nur im Stand über die App oder den rechten Lenkerknopf auswählbar) oder man schaltet die Unterstützung ganz ab.
Und: Es ist ein Frontmotor. Hier scheiden sich ja bekanntlich die Geister. Ich habe schon einige Räder mit Mittelmotor gefahren (Heckmotor kenne ich nicht), aber ich kann jetzt nicht sagen, dass die besser (oder schlechter) sind. Was vielleicht auffällt ist, dass man bei dem Vanmoof eher den Eindruck hat gezogen zu werden. Überhaupt ist der Motoreinsatz des Vanmoofs ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass sich das Rad digital führe und dem kann ich ein wenig beipflichten, denn:

Es hat keinen Drehmomentsensor. D.h. ich drehe die Pedale und der Motor gibt entsprechend seiner gewählten Unterstützungsstufe langsam Schub. Am einfachsten lässt sich der Effekt bei Nutzung des Turboboosts beschreiben.

Mittels des rechten Knopfes am Lenker aktiviert man diesen. Nun wird die komplette Kraft des Motors entfesselt. Gerade an Ampeln zieht man aus dem Stand damit jeden ab. Das macht richtig Spaß! Auch an Steigungen kann man immer mal kurz den Boost aktivieren, wenn man doch mal den Eindruck hat, ein wenig mehr Schub zu benötigen. Bevor ich wieder zum fehlenden Drehmomentsensor komme, hier kurz der für mich einzige Grund, warum der Frontmotor nachteilig sein kann: Wenn man in einer scharfen Kurve oder an einer Steigung auf losem Untergrund boostet, kann das Vorderrad durchdrehen. Gerade in der Kurve kann das gefährlich werden.

Aber zurück zum fehlenden Drehmomentsensor in Verbindung mit dem Boost: Wenn man den Boostknopf nicht mehr loslässt und gaaaanz langsam in die Pedale tritt fährt das Fahrrad praktisch von selbst. Es hat dann ein bisschen Mopedfeeling.

EU/US-Modus:
Wenn man nicht in der EU, sondern in den USA lebt, kann man in der App die Unterstützung des Motors auf 32 km/h hochsetzen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass dann der 4. Gang nicht mehr wirklich ausreicht und man sehr schnell treten muss.

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Automatik-Schaltung:
In der Stadt fährt es sich damit perfekt. Die Schaltung schaltet meist flüssig und wem die Schaltpunkte nicht passen, der kann diese via App selbst setzen (aktuell kann man in der App drei Profile wählen: Flat, Hill, Custom). Auf Touren bei denen man öfter mal richtig reintreten muss, kann es aber sein, dass man genau in dem Augenblick Last auf die Pedale bringt, wenn die Schaltung schaltet. Das knackt dann unschön (Nabenschaltung). Ist sicherlich nicht so prickelnd für die Haltbarkeit...

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Kick-Lock:
Prima Convenience-Feature.
Stellt man das Rad ab, kickt man am Hinterrad auf einen Knopf, ein Bolzen sperrt jenes und die Elektronik schaltet sich ab. Wenn jemand nun das Rad bewegt, erklingt ein lauter Alarmton.
Entsperren lässt sich das Rad über die App oder über einen Morsecode via linken Lenkerknopf (wie schon geschrieben, man kann für den Normalbetrieb gänzlich auf die App verzichten).

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Fahreigenschaften/Fahrgefühl:
Der Geradeauslauf ist perfekt. Freihändigfahren ist hier kein Problem, da habe ich in letzter Zeit Räder gefahren...Mann, Mann, Mann...
Die Sitzhaltung ist sehr angenehm, vor allem für geschundene Rücken. Lange Touren sind hier gar kein Problem, da man sehr aufrecht sitzt. Der Sattel ist für mich bequem und die fehlende Federung wird durch die dicken Reifen sehr gut kompensiert.

Schön ist auch die Fahrt gänzlich ohne Motorunterstützung. Man merkt dem Rad die zusätzlichen Kilos nicht an und kann gut mit nicht motorisierten Leute fahren und, wenn dann doch eine Steigung oder der Wind zu stark ist -> Turbo-Boost! :) Den kann man jederzeit zuschalten.

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Vanmoof-Service:
Abschließend ein paar Worte hierzu. Mein S3 ist bereits das zweite. Das erste ist mit einigen Transportschäden angeliefert worden; der UPS-Fahrer räumte selbst ein, nicht ganz unschuldig zu sein. Der Vanmoof-Service hat mir das Rad zwar anstandslos ersetzt, der Austausch hat aber fast 2 Wochen gedauert und das anscheinend, weil der Support im Moment noch überlastet ist. Die Kontaktaufnahme per Mail hat sehr lange gedauert das Telefon war immer besetzt oder die Warteschleife nahm kein Ende.
In einigen Forenbeiträgen erleben Kunden ähnliches, den Leuten fällt es aber anscheinend immer schwerer manchmal nachsichtig zu sein und nicht gleich rumzupesten, nur, weil man seine Bedürfnisse nicht sofort befriedigt bekommt. Der Kontakt selbst war nämlich sehr nett und lösungsorientiert.

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Da war's von mir.


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