Thema:
Re:Was ist ‚Im Namen des Volkes‘? flat
Autor: Phil Gates
Datum:25.07.20 08:35
Antwort auf:Was ist ‚Im Namen des Volkes‘? von Yann

>Peppis Bericht von seiner Schöffentätigkeit hat mir eine Frage wieder ins Gedächtnis gebracht, mit der ich mich vor einiger Zeit beschäftigt habe. Ich hatte sie auch mal an Spiegel-Online geschickt, mit der Bitte sie an Professor Dr. Thomas Fischer weiterzuleiten, dessen Kolumnen absolute Glanzlichter auf spiegel.de sind. Leider ist bis jetzt niemand dort auf das Thema eingegangen.
>
>Es geht um Folgends: Wenn ‚im Namen des Volkes‘ geurteilt wird, müsste dann nicht eine repräsentative Umfrage durchgeführt werden, um den Willen des ‚Volkes‘ und dessen Einschätzung über einen angemessenen Strafrahmen zu berücksichtigen? Oder befindet der Gesetzgeber ausschließlich in Expertenrunden über den jeweiligen Strafenkatalog? Und ist dies von der Verfassung so gewollt?
>
>Oder anders formuliert: Welche verfassungsrechtliche Grundlage gibt es, dass die Strafzumessung durch Gerichte vom Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung signifikant abweicht? Und gibt es eine systematisierten Abgleich zwischen Strafmaß und dessen Wahrnehmung, um diesem diffusen Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung Rechnung zu tragen? Ist es überhaupt in irgendeiner Form definiert?
>
>Weil ich eine Nachteule bin, läuft hier immer Medical Detectives, wenn ich aufräume oder irgendetwas anderes mache, was TV-Beschallung zulässt. Das Strafmaß bei Urteilen in den ÚSA liegt bei (natürlich nur einigermaßen) vergleichbaren Fällen oftmals signifikant höher als bei uns. Das muss ja nicht besser sein, aber ich stelle auch bei mir, der den resozialisierenden Ansatz unseres Rechtssystems voll unterstützt, fest, dass ich oft näher an den US-Strafzumessungen bin als an denen von aktuellen Fällen hier bei uns in Deutschland.
>
>Es geht mir auch nicht um allgemeines Richterinnen-Bashing. Die gefundenen Strafen sind sicherlich in den allermeisten Fällen berechtigt und gesetzeskonform. Nur eben die Frage: Warum sind sie ausgerechnet so gewählt wie sie sind?


Dass Urteile im Namen des Volkes ergehen, steht in der Verfassung. Und dass damit natürlich nicht gemeint ist, dass jeder einzelne Bürger nach seiner Meinung gefragt werden soll, ist ja wohl auch klar. Als Bürger der Stadt Frankfurt bin ich auch „die Stadt Frankfurt“. Jede Baugenehmigung ergeht also auch in meinem Namen. Das alles ist Ausfluss der repräsentativen Demokratie. Die Bürger wählen auf unterschiedlichen Ebenen ihre Vertreter und die stellen dann bspw. Richter ein und machen die Gesetze. Richter haben in der Regel überdurchschnittlich gute Examina. Bis vor wenigen Jahren konnte der Staat sich die Toptalente aussuchen. Seit einigen Jahren ist das nicht mehr ganz so, weil die Topkanzleien als Einstiegsgehalt schon das Drei- oder Vierfache von dem Zahlen, was ein Richter nach 10 Jahren im Beruf verdient, aber richtige Tröten schaffen es nicht ins Richteramt.

Jedenfalls finde ich es etwas befremdlich, dass bei rechtlichen Themen jeder meint, mitreden zu dürfen. Das Jurastudium zählt nicht gerade zu den leichtesten Übungen, dennoch fühlen sich viele Laien berufen, die Justiz zu kritisieren. Das ist etwas vermessen, man würde ja auch nicht mit dem Arzt über die Diagnose diskutieren.

gesendet mit m!client für iOS


< antworten >