Thema:
Re:Zum Interview flat
Autor: Atlan
Datum:07.07.20 15:17
Antwort auf:Re:Zum Interview von token

Auch wenn ich dir philisophisch grundsätzlich vollkommen zustimme, und die zunehmende Entpolitisierung und neoliberale Individualisierung auch in diesem Bereich unseres Lebens für einen nicht zielführenden Trugschluss halte, der in der Praxis nicht viel ändern wird, weil es eben grundlegender politischer Regelsetzungen bedarf, muss ich dir in deinen Alltagsbeobachtungen ein wenig widersprechen.

Belegte Brötchen: Die Auslagen bei den mir bekannten Bäckern sind zu locker einem Drittel mit fleischlosen Käse/Ei/o.ä.-Brötchen gefüllt.

Tiefkühlgerichte: Ob Frosta oder Eigenmarke – reine Gemüsepfannen oder zumindest pescetarisches (Reispfanne mit Wildlachs etc.) wohin das Auge schaut.

Dosenfraß: Das Chili sin carne (Tofu) der Rewe-Eigenmarke für 80 Cent pro Dose könnte in einer Blindverkostung niemand vom direkt daneben stehenden Chili con carne unterscheiden. Und dann noch so sachen wie Baked Beans etc.

Und die Liste könnte ich endlos fortsetzen. Vorausgesetzt, dass ein halbwegs bewusst lebender Mensch ohnehin nur einmal pro Woche oder so zu einem der obigen Produkte greift, lässt es sich eigentlich ziemlich einfach ohne "verstecktes" Fleisch auskommen. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass man eher ganz bewusst zu Fertigfraß mit Fleisch greifen, ja fast schon gezielt danach suchen muss. Zumindest kann es heute nicht mehr aus Versehen passieren. Sofern man einmal den Punkt erreicht hat, darüber nachzudenken, was man in sich hineinschaufelt.

Und abschließend noch persönlich:

Ich habe inzwischen seit über einem Jahr kein Fleisch (Rind, Schwein, Geflügel) mehr gegessen. Nicht aus gesundheitlichen Gründen (zwei magere Steaks pro Woche mit viel frischem Gemüse lassen einen körperlich aktiven Menschen sicher nicht früher sterben), sondern rein aus ethischen und ökologischen Erwägungen. Was aber gerade mir als ambitioniertem Amateur-Bodybuilder (nächstes Jahr voraussichtlich GNBF Mens Physique) zuerst natürlich überhaupt nicht leicht gefallen ist.

Aber nur psychisch.

Praktisch war es hingegen super einfach: Ich musste einfach nicht mehr fünfmal pro Woche zur Fleischtheke rennen und mir meine 500g-Steaks kaufen. Stattdessen jetzt halt nur noch Wildlachs/Räucherlachs/Dosenthun sowie Rügenwalder Veganes Hähnchengeschnetzeltes und ähnliches (Like Meat Döner oder Gyros Streifen) für meine Post-Workout-Protein-Wraps in den Einkaufswagen. Und halt weiterhin täglich Milchprodukte (Magerquark, Skyr, Harzer Käse) sowie gelegentlich Bio-Eier. Fertig.

Wenn sogar ich als 95 kg Bodybuilder das hinbekomme, der täglich 4.500 kcal mit 230g Protein benötigt, dann sollte es für den deutschen Durchschnitts-Lauch eigentlich ein Kinderspiel sein, Fleisch ohne irgendwelche Einbußen komplett aus seiner Ernährung zu streichen.

Es sei denn, er will tatsächlich bloß auf den reinen Geschmack/Genuss nicht verzichten und alles andere (Ethik, Umwelt) ist ihm einfach egal bzw. sehr nachrangig für ihn.


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