Thema:
Re:Die Märchenstunde nähert sich ihrem Ende flat
Autor: Kyo
Datum:24.06.20 21:25
Antwort auf:Re:Die Märchenstunde nähert sich ihrem Ende von Karotte

>Das ist richtig, aber gerade der spekulative Aspekt ist imho der Punkt: Würde Biden in derselben Charismaliga spielen wie Obama oder ein „Untouchables“-Image wie Sanders mitbringen, würde es vielleicht leichter fallen, ihm die Umsetzung eines progressiven Programms zuzutrauen. Nachdem er aber afaik auf keinem dieser Gebiete besonders punkten kann, muss man schon zwischen bornierter Fundamentalopposition und Skeptikern, die ihm das einfach nicht abnehmen, unterscheiden. (Und Fritz bringt ja auch Belege für seine kritische Haltung Biden gegenüber.)

Biden hat erst mal schon wesentlich größere Brocken durch den US-Kongress gekriegt, als Sanders das von sich behaupten kann. Auch finde ich gar nicht, dass er so charismalos ist. Er war zu Obama-Zeiten nicht zufällig sehr populär und ich finde ihn als Redner grad auf der emotionalen Schiene ziemlich stark. Außerdem geht's ja nicht nur um Biden, sondern auch um die Leute, die er sich fürs Kabinett aussuchen wird. Da kann man derzeit nur indirekt von seinem Wahlkampfteam Schlüsse zur Personalpolitik ziehen und in der Hinsicht finde ich ihn völlig solide und gar nicht rückwärtsgewandt. Auch ist es aus meiner Sicht falsch, Biden politisch irgendwo zwischen politisches Fossil und konservativ einzusortieren. Über seine Karriere hinweg war er eigentlich immer ein ziemlicher Durchschnitts-Demokrat und genau wie die Partei ist auch er nach links gewandert. Ich denke, beides wird sich auch im Kabinett niederschlagen.


>Definitiv. Wobei ich mich da manchmal frage, ob Bernie im Weißen Haus, gewählt von einer Mehrheit der Amerikaner, nicht möglicherweise zu einer Art „Trump Effekt“ auf Seiten der Dems geführt hätte. Also einem Präsidenten, den Teile der eigenen Partei nicht riechen können, der aber als Person so viele Jünger hat, dass sich niemand mit ihm anlegen will. Ist aber natürlich Spekulatius.

Naja, ist da aber nicht viel Verklärung dabei? Ich meine jetzt den Trump-Teil. Das Ergebnis war doch eine riesige Schlappe im House bei der ersten großen Wahl (2018), katastrophale Umfragewerte für einen Amtsinhaber und - nicht zu vergessen! - so ziemlich gar nichts an vorweisbaren Erfolgen, was größere Reformprojekte angeht. Was bringt's in so einem Fall, wenn die Basis trotzdem zu einem hält? Ich meine, so unrealistisch finde ich die Vorstellung nicht, dass einem Präsidenten Sanders was Ähnliches bloß mit umgekehrten Vorzeichen widerfahren würde. Nur: Das Ergebnis wäre halt dann auch schlecht.


>>Hinter dem Gedanken steckt erst mal die Grundannahme, dass neue Impulse von Bernie Sanders in die richtige Richtung gehen würden. Muss nicht jeder so sehen.
>
>Muss man nicht. Aber man kann es, ohne gleich ein Bernie-Zealot zu sein. ;o)


Klar. Ich hab an sich auch gar nichts gegen seine grundsätzlichen Ziele, oft eher gegen die vorgesehenen Mittel. Mich nervt vor allem das Dogmatische bei seinen Anhängern, wo "geht aber nicht so weit wie Bernie" oft der einzige wirkliche Maßstab ist und gerne mal völlig vernünftige Politiker niedergemacht werden, bloß weil sich nicht bedingungslos zu heiligen Kühen wie Medicare For All oder diesem Green New Deal bekennen. War auch lustig zu sehen, wie vor ein paar Jahren mal die linken Aktivisten sich erst für "Abolish ICE!" stark gemacht haben. Nachdem Bernie dem ganzen 'ne Absage erteilt hatte, wurde es aber plötzlich sehr ruhig darum. Ich habe mich tatsächlich gefreut, dass er in den Primaries gar so wenig erreicht hat, weil durch seine klare Niederlage der Weg zu einer etwas offeneren Debatte im linken Lager frei wurde.


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