Thema:
Re:Die Märchenstunde nähert sich ihrem Ende flat
Autor: Kyo
Datum:22.06.20 23:36
Antwort auf:Re:Die Märchenstunde nähert sich ihrem Ende von Maxiplus

>Jetzt bin ich aber neugierig und erwarte gespannt, wie Du Fritzens Meinung widerlegen willst.

Wie schon angedeutet: Vieles, was man hier zu US-Politik liest, ist erst mal zumeist keine eigene Meinung per se, sondern nur eine Ansammlung wiedergekäuter Talking Points der amerikanischen Linken, was sich im immergleichen Wortschatz zeigt - oder wer benutzt im Deutschen ständig den Begriff "Status Quo" außer Leuten, die Bernie Sanders nach dem Mund reden? Wer jammert bei uns ständig über das "Establishment"? Das kommt direkt aus den USA, daher ist ja so herrlich offensichtlich, dass da kein einziger eigener Gedanke dahinter steckt.

Fritz im Speziellen ist dieses Jahr innerhalb von zwei Wochen von dem hier...
[https://www.maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=6&msgid=4657623]
... zu dem hier gewechselt:
[https://www.maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=6&msgid=4667384]

Solche Meinungen widerlegen sich also irgendwo auch selbst.


>Hälst Du Biden tatsächlich für einen progressiven Systemveränderer und hast Du dafür gute Belege parat?

Ich halte Biden erst einmal nicht für senil, was einer der bekloppteren Talking Points ist. Meine eindeutige Erkenntnis aus den letzten Jahren: Wenn etwas von Trumpern und unbelehrbaren Hardcore-Bernern gleichermaßen gepredigt wird, sollte man besonders vorsichtig sein. Die nehmen's beide mit der Wahrheit nicht sehr genau, sind dafür aber umso schneller mit dabei, wenn's um das Teilen von tendenziösen Artikeln und manipulativen Videos geht. Politisch mag mir die linke Fraktion näher stehen, aber in der Hinsicht fand ich beide Lager schon seit 2016 ähnlich katastrophal. Die Vorwahlphase war ja auch hier im Forum eine Qual, mit allerlei bekloppten Verschwörungstheorien und Fällen von "Bernie Math", mit der man sich die Ergebnisse schöngerechnet hat.

Aber um bei deiner Frage zu bleiben: Tatsächlich ist Bidens Programm ziemlich progressiv. Das haben auch schon diverse linke Aktivisten wie Sean McElwee erkannt:
[https://www.salon.com/2020/06/17/how-to-make-joe-bidens-administration-the-most-progressive-in-history/]

>On March 17, Jon Favreau, a former Obama administration official well known for co-hosting the popular Pod Save America podcast, tweeted: "Joe Biden will run on the most progressive platform of any Democratic nominee in history, and Bernie Sanders and the movement he inspired are a big reason why."

>He's right: From health care policy to climate action, Biden's campaign platform is more progressive than any previous nominee, including the man under whom he served as vice president.

Das Problem ist halt, dass vernünftigere Leute wie McElwee, der nun wirklich kein Mann der Mitte ist, in dem ständigen Krakeele von links leider etwas untergehen, weil es da halt nicht an Leuten mangelt, die ständig das Haar in der Suppe suchen. Die den Leuten ein an sich sehr ordentliches Biden-Parteiprogramm madigmachen wollen, weil er halt nicht in jedem Punkt irgendeiner Maximalforderung von Bernie Sanders nachgekommen ist. Dass die vielleicht teilweise gar nicht so wirklich schlau oder praktikabel sind, wird da natürlich nicht gerne als Argument gehört.

Um ein Paradebeispiel zu nennen: Ich finde es besonders armselig zu sehen, wenn Leute aus Deutschland den Schwachsinn mit "nur ein Single-Payer-System, wie Bernie Sanders es fordert, kann die nötigen Änderungen bringen" skandieren - obwohl sie selbst in einem Land leben, das jedem den Zugang zu einer bezahlbaren Gesundheitsversorgung mit sehr umfassender Abdeckung ermöglicht, *ohne* dass wir ein Single-Payer-System hätten! Da täte mal ein wenig Minimal-Recherche vor der eigenen Haustür gut, aber wie gesagt - genau daran mangelt es ja generell. Dann wären die vielleicht in der Lage, die Amis soweit aufzuklären, dass es auch durchaus respektable Alternativen gibt, ohne dass man gleich alle Krankenversicherungen auflösen müsste, und dabei sogar aus eigener Erfahrung sprechen, anstatt nur das Zeug aus der Bernie-Sanders-Rede nachzulabern.


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