Thema:
Re:Was genau meinst du? flat
Autor: PartyPaul
Datum:11.06.20 17:24
Antwort auf:Was genau meinst du? von Boabdil

>>Die Zahl derer, die wirklich nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, dürfte sehr gering sein.
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>Wie erklärst du dir denn die nach wie vor boomende Nachfrage von Privatpersonen nach Eigentum? Meine Schwester hat mir neulich erzählt, dass sich die Käufer eines normalen Einfamilienhauses gegenseitig vorm Verkäufer überboten haben (Hannoveraner Umland). Ergo: In Deutschland muss ein größerer Teil überhaupt nicht von der Krise betroffen sein (wirtschaftlich gesehen).


Nicht ein größerer Teil insgesamt, sondern ein großer Teil der sowieso schon gut verdienenden. Und ein gut verdienendes Pärchen (und ich meine nicht mal richig hohe Gehälter, sagen wir "nur" 70k pro Nase) ohne Kinder kann sich alle paar Jahre eine Immobilie leisten. Für die Frequenz des Erwerbs käme es einfach nur drauf an, wie sparsam es selber ist, Standort der Immobilie und ob und wieviel Bock man auf die Pflichten und Risiken eines Vermieters hat.

Ansonsten ist ja grade der Immobilienmarkt ja auch aus diversen anderen Faktoren preislich so aufgebläht. Geringes Angebot von Top Immobilien, kaum Bauland für Neubauten, selbst abreissen ist oft nicht drin aufgrund von Vorschriften, so dass nur Entkernen übrigbleibt etc.. Dann deutlich mehr Konkurrenz durch Investoren aus dem Ausland insbesondere in den großen Städten; immer höhere Erbsummen, die sich reinvestieren lassen und damit das Preisniveau oben halten. Sei es durch direkte Geldsummen oder Effekte wie, wenn ich das geerbte Haus aufm Land für 2-300000 € verkauft kriege, kann ich mir auch als mittelständischer Bürger in der Stadt für 600000€ wieder was leisten usw. bis hinzu Häuser in München für Beträge oberhalb der Millionen Grenze zu veräußern und sich woanders 3 Häuser davon zu kaufen.

Oder mit ein bißchen Glück und Mut, wenn man insbesondere die ersten 5 Jahre nach der Wirtschaftskrise 2008 strunzdoof auf den IT-Sektor bei Aktien gesetzt hat kann man z.T. absurde Gewinne nur bei den bekannten Weltunternehmen einfahren und sich da jetzt was schönes für leisten. Oder im Cryptomarkt früh dabeigewesen etc.

Ich bin ins Thema Aktien leider auch erst in den letzen 1-2 Jahre reingekommen und gehöre daher leider nicht zu den Gewinnern. Da Anfang der 2000er meine Familie viel Geld bei der DotCom Blase verloren hatte, war das ein gebranntes Thema, an das ich mich am Anfang meiner Berufsjahre nicht rangetraut hab. Dazu hab ich jetzt eine kleine Familie und wir nur ein kleines mittleres Haushaltseinkommen. Aber ich interessier mich sehr für das Thema und kann es nachvollziehen, dass die meisten Vermögenden auch trotz Corona jetzt noch mehr Vermögen haben und dass zusätzliches Geld irgendwo hin und nicht auf der Bank bleiben soll. Wo solls dann auch sonst hin, wenn man nichts mehr kaufen und ausgeben kann ;)

>>Einige wenige verdienen sich gerade dumm und dämlich. Ich bin kein Sozialist, aber das kann es wirklich nicht sein.
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>Was meinst du damit? Glaubst du das sich dort profitgeile Wallstreeter mit gegelten Haaren gerade die Taschen vollmachen? Das ist quatsch. Zum einen spiegelt die Börse zukünftige Erwartungen wieder, zum anderen ist es die beispielslose Niedrigzinspolitik, die das Geld in Sachwerte spült.


Das ist es aber nicht alleine. In Amerika kommt noch dazu, dass die Geldschwemme (Steuern wurden auch noch massiv gesenkt nicht vergessen) auch bei ihren gut verdienenden Bürgern an der Stelle ankommt und diese es in die Märkte bringen, da die Firmen bei guten Jobs deutlich mehr bezahlen als z.B. in Europa und das Geld dann ja irgendwo hin will. Und Geld das in Amerika an die Finanzmärkte gebracht wird, beeinflusst eben dann auch das Vermögen der Leute in Europa, wenn sie in die gleichen Werte investieren. Und das man das überhaupt kann, ist nunmal dank Internet so einfach und günstig wie nie zuvor. D.h. die amerikanische FED steigert durch ihre Politik auch den Wohlstand von vielen Anlegern im Rest der Welt, wenn diese auf die richtigen Werte gesetzt haben.

Dazu sind es ja insbesondere die amerikanischen Firmen, die vom Markt so aufgebläht wurden bzw. auch einen konkurrenzlosen realen Stand in so kurzer Zeit erreicht haben, dass insbesondere der europäische Markt schlicht und ergreifend gar keine andere Wahl hat als dort hinein zu investieren.

Europa hat beim Thema der Informationstechnologie NICHTS konkurrenzfähiges bei Hardware und Software, mit wenigen Ausnahme pro Staat wie vielleicht noch SAP und andere Buissenessdienstleister. Europa hat keine ernsthaften bis gar nicht vorhandenen Alternativen zu Amazon, Facebook, Netflix, Paypal, Google, Apple, Microsoft, Intel, Amd, Nvidia usw. Dazu kommt dann noch Disney, Hype wie Beyond Meat etc.

An diesen Konzernen zeigt sich eben auch, das alte Marktmechanismen nicht mehr funktionieren. Amazon ist als Beispiel so mächtig geworden, nicht (nur) wegen der Marktmacht als Handelsplattform sondern aufgrund von AWS und Servicediensten wie Kindle, Prime Video/Music, Twitch etc. Man kommt auch nicht mehr in den Markt mal eben rein, selbst wenn man die bessere Idee und Service hätte. Selbst die ganz großen scheitern da ja gegenseitig dran (Microsoft mit der Phone sparte, google+ vs facebook usw.) bzw. wenn ein Konkurrent sich tatsächlich auftut, wird er einfach aufgekauft.

Und grade die europäische Politik kommt damit gar nicht mehr klar und müsste da mit Regulierungen eingreifen, für die weder Verständnis und Wissen bei den notwendigen Politikern noch entsprechende schnelle rechtliche Systeme dies umzusetzen existieren. Stattdessen werden noch massive Steuergeschenke an diese Firmen verteilt. Das widerum führt dazu, dass das Geld eigentlich nur über die Finanzmärkte wieder nach Europa fließen kann und wer dann nicht selber drin ist, finanziert dann die entsprechenden Anleger.
Andererseits sind auch von vielen Menschen keine Alternativen gewollt und die Einfachheit und Möglichkeiten des Internets hat auf allen Ebenen für Dinge gesorgt, wo bisherige Staatensysteme noch zu sehr in alten politischen Modellen hinterhinken.

Daher ist es eigentlich auch kein Wunder, wenn der Dow Jones sich wieder so erholt hat, wenn die gesunden Firmen eh die (westliche) Welt konkurrenzlos regieren und der Rest der Firmen vom Staat gefangen wird, auch wenn der Rest der Bude grade brennt.

Gefährliches Selbstverständnis bei vielen ist allerdings, dass der Markt weiterhin so positiv bleibt. Es sind mittlerweile soviele Player und Computersysteme im Markt, dass dieser deutlich volatiler geworden ist und je nach Zeitpunkt steht man dann schlecht da, wenn man sich gar nicht drum kümmert. Dazu kann vielleicht doch grade in diesen Tagen, die Politik wieder eine deutliche Rolle einnehmen, wenn China oder Europa Amerika einen echten wirtschaftlichen Kampf ansagen.

Bei einzel Aktien sieht man ja z.B. Boeing, die mal eben ~73% in wenigen Tagen in Corona eingebüsst haben, nach nem Monat dir mal eben wieder 100% Gewinn bescheren konnten (obwohl ne echtung Rettung gar nicht in Sicht war, nur bißchen versprochenes Geld seitens der Regierung) und heute dazu wieder 33% Verlust hätten.

Oder Tesla: von 300€ Anfang 2019 zu 150 € nachdem Musk bißchen fies getwittert hatte, zu fast 900 vor Corona, dann 380 in Corona und jetzt wieder bei fast 900. Was wirklich besonderes real wirtschaftliches ist aber nie vorgefallen, dass diese hohen Kursschwankungen erklärt. Das ist nur Glaube und in der Höhe abgekoppelte Bewegungen auf durchschnittliche positiv- wie negativ Nachrichten.

So krass die Kurse in den letzten Jahren hochgingen, so können sie (pro Firma gesehen) daher noch schneller nach untenfallen, wenn diese Firmen doch noch existentielle Krisen erleben. Eben weil alle in der ganzen Welt (vom kleinen Anleger, über kleine wie große Fonds, wie großen Spekulanten) da mittlerweile dranhängen, und eine krasse Lawine nach unten ins Rollen käme, sobald Leute da rauswollen. Ich hab das selber schon vor einiger Zeit erleben dürfen bei ner kleinen Risikoaktie im Bereich Pharma. 80% Verlust in 2 Stunden, nachdem eine Hiobsbotschaft veröffentlicht wurde, trotz passabelem Quartalsbericht noch paar Monate zuvor.

Daytrader und Leute mit gutem Gespür können in diesen Zeiten unglaubliches Geld machen. Ich hab leider nicht den Mut und die Psyche dazu hab ich jetzt gemerkt bzw. hab jetzt soviele Erfahrungen gesammelt, dass ich erst für die nächste Krise gewappnet bin. Bisher hab ich zwar kein Geld verloren, aber summa sumarum bis auf ein paar Euro auch kein Geld gemacht.

>Nun gut, ich wundere mich zwar auch über die sehr rasche Erholung, aber die Gründe kann man so stehen lassen:

Der Glaube ist sicher deutlich stärker als in der Vergangenheit, aber auch in der Vergangenheit bei den großen Krisen gab es kurzfristige Erholungen und im Anschluss gingen die Kurse nochmal richtig nach unten. Aber im Gegensatz zu den früheren Krisen sind soviele Variablen und Marktkräfte dazugekommen, dass keiner wirklich sagen kann wohin die Reise gehen wird. Kurse sind in beide Richtungen auch von "wenigen" sehr leicht beeinflussbar, grade wenn die masse erstmal nicht weiß wohin.

Ansonsten sollte man in jedem Fall aufpassen, wenn es um den Zeitpunkt geht wann man raus muss. Sonst hat man am Ende doch weniger als der 0,015% Sparer.

>- eine Mehrheit (vor allem institutionelle Anleger) glaubt, die Krise sei überstanden und eine zweite Welle unwahrscheinlich
>- Niedrigzinspoltik, Geldflutung der Notenbanken und erwartete Inflation
>- Schwergewichte wie Amazon, Apple und co. haben profitiert und machen gemäß Marktkapitalisierung nunmal den größten Teil aus.
>
>Ich persönlich hatte ja eher geglaubt, dass es eine längere Seitwärtsbewegung geben wird, aber ich bin ja auch nur ein kleiner (passiver) Fisch ohne Glaskugel.


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