Thema:
Re:Und was ist Deine Lösung? Nix tun? -nt flat
Autor: peppi
Datum:16.05.20 16:01
Antwort auf:Re:Und was ist Deine Lösung? Nix tun? -nt von Syxta

>Aber sexuelle Belästigung erfreut sich keiner flächendeckenden Akzeptanz in der Gesellschaft. Falls doch, ist mir da wohl einfach nicht klar.

Du kannst was kacke finden und es trotzdem Tag für Tag reproduzieren. Misogynie beginnt viel früher und fängt damit an, dass es vollkommen okay ist, im sog. Traumfrauenthread über die Körper von Frauen zu urteilen.  

>Es gab Zeiten, in denen es normal und gesellschaftlich akzeptiert war, Neger zu sagen, in denen es absoluter Standard war, dass Frauen Haus, Herd und Kinder hüten, in denen sich Schwule und Lesben verstecken mussten, die es offziell einfach gar nicht geben durfte, die totgeschwiegen wurden. All diese Dinge wurden immer und immer und immer wieder angebracht, werden es immer noch, und es hat in vielen, wenn auch leider längst nicht allen Kulturkreisen über Jahrzehnte hinweg durch mühsame Arbeit ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden.

Ja, und dazu trägt das Video bei, IMO. Und auch hier: wie abgefahren ist es eigentlich, dass zwei Männer gegen ihren Sender "gewinnen" müssen, um einem gesellschaftlichen Problem (und deswegen das Problem von uns allen) Sendezeit zur Primetime zu verschaffen? Wieso interessiert das sonst nicht?

>Das eine sind gesellschaftliche Normen, die mit der Zeit einen Wandel erleben, das andere sind Straftaten, die alles andere als Akzeptanz in der Gesellschaft finden.

Das Eine bereitet dem Anderen den Weg. Wenn etwas sozial nicht geächtet wird, wird es nicht zum Gesetz.

>Ein Vergewaltiger wird nicht umdenken und die Gesellschaft, die Vergewaltiger ohnehin nie akzeptiert hat, muss nicht umdenken.

Eine Gesellschaft, die die Verachtung von Frauen nicht sieht, produziert in letzter Konsequenz sexuelle Gewalt usw. Bin jetzt kein Experte, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen, die vergewaltigen, einfach so geboren werden.

Ich kann mir sogar vorstellen, dass ich selbst unter den "richtigen" Voraussetzungen Dinge machen würde, die ich jetzt und hier aus dem Stegreif ablehnen würde, weil ich in meiner Männerwelt denke, dass das schon okay ist, keine Ahnung, bspw. alles dafür zu tun, zusammen in die Kiste zu hüpfen, weil jetzt sind wir ja nach einem so tollen Abend bei mir und wär doch irgendwie doof das nicht zu tun, dabei relativ klare Signale zu "übersehen" usw.

Eine Single-Freundin hat mir letztens von One-Night-Stand-Erfahrungen erzählt und dass die überwiegende Mehrheit der Typen versucht hat, sie davon zu überzeugen, jetzt doch bitte ohne Kondom miteinander ins Bett zu gehen. "Ich spür sonst nicht viel" "Ist für dich doch auch geiler" usw. Wtf!? Ganz normale Männer. Auch andere Frauen haben mir schon erzählt, dass sie Typen erzählen, dass sie die Pille NICHT nehmen (obwohl sie sie nehmen), nur um den Druck für die Benutzung eines Kondoms zu erhöhen. Weil viele das einfach nicht wollen, und Frauen sollen sich jetzt mal nicht so haben. Nur um das als Mann so auszusprechen muss ich doch mit einem gewissen Weltbild durch die Gegend laufen.  

Meine Exfreundin hat mir erzählt, dass sie nicht nur einmal Sex mit Typen hatte, weil sie über einen gewissen Punkt der Abwehr hinaus war, also im Sinne von "Fuck, wie komm ich hier jetzt eigentlich raus?", weil Typen ab einem gewissen Punkt einfach der Meinung sind, dass jetzt bitte Sex kommt und sie Angst vor der Diskussion hatte, vor dem Widerstand.

Hab letztens die zweite Staffel The Handmaids Tale geguckt, da sagt die Protagonistin sinngemäß: Männer haben Angst davor, dass Frauen über sie lachen. Frauen haben Angst davor, dass Männer sie töten.

Puh, was ich damit meine ist: es müssen gewisse Vorstellungen herrschen, sonst passiert sowas nicht. Und dazu gehört eben, dass Frauen halt Sex mit mir haben sollten, wenn ich das will. Jetzt ganz platt. Oder dass ich Frauen hinterher gucken kann, auf den Po, auf die Brust, ich kann das einfach machen in der Straßenbahn, in der Regel wird mir einfach gar nix passieren.

Ich bin vor ein paar Monaten mal vor einer Frau aus der S-Bahn gestiegen, draußen wartetenn Leute bis wir raus sind, auf einmal hör ich *patsch*, die Bahn Tür geht zu, die Frau hinter mir fängt an zu schreien und war völlig außer sich, guckt mich an und meint "Der Typ hat mir eben einfach auf den Arsch gehauen. Der! Der da drin!" Und da grinst so ein Typ raus, lacht. Ich und alle anderen drum rum waren völlig regungslos. Ich wusste überhaupt nicht was ich machen sollte. Niemand hat gesagt "Boah, dieses Arschloch!" oder auch nur "Tut mir leid.". Ich auch nicht, ich war völlig sprachlos.

Mir persönlich passiert das regelmäßig. Ich sitze dann zuhause und denke, fuck, du hättest was sagen müssen. Das war voll schlimm.

>Ok, in dem 15-minütigen Beitrag wurden nun auch stark unterschiedliche Sachverhalte beleuchtet. Abwertende, verletzende, sexistische Kommentare im Internet oder auf der Straße oder das Zusenden von Dickpics sind nochmal anders zu bewerten, als full-on Vergewaltigungen und werden sehr wahrscheinlich auch von einem jeweils anderen Schlag Mensch ausgeführt, auch wenn es gewiss Schnittmengen geben wird.
>
>Viele Heranwachsende oder auch ewig Unreife mit Internetzugang lassen wahrscheinlich gern mal aus Bock einen dummen, verletzenden Kommentar ab, insbesondere bei Prominenten, wo ich mir vorstellen kann, dass diese so abstrakt, so entfernt wirken, dass man den eigentlichen Menschen dahinter und dessen Vulnerabilität überhaupt nicht erkennt. Vielleicht hat man zumindest denen mit dem Beitrag ein wenig die Augen geöffnet.


< antworten >