Thema:
Sehr interessant, danke. Einige Fragen flat
Autor: thestraightedge
Datum:24.02.20 10:40
Antwort auf:Die Kasse zahlt alles... von Sven Mittag

>Dabei ist auch dieser Punkt prinzipiell verständlich. Leider ist nämlich dieses Forum kein Extrembeispiel an „Meine-Meinung-ist-die-einzig-Wahre“ und „Ich-habe-ein-Anrecht-auf-alles-BILLIG!!!-SOZIALGERECHT-KLIMANEUTRAL!!!!“. Leider ist es wirklich bei 90 Prozent der Leute im Kopf, dass es ihr Recht ist, innerhalb des Sozialsystems die perfekte Medizin zu erhalten. Da die Kassen nicht als Buh-Männer und Frauen und Diverse dastehen wollen und die Politiker keine Politik des Richtigen, sondern Politik für Wählerstimmen betreiben, muss einem die Reaktion nicht weiter wundern.

Gab es hier einen konkreten "Die Kasse muss zahlen"-Anlass?

>Man stelle sich das Szenario nur in anderen Berufssparten vor. Der Arbeitgeber stellt fest (2-3 Jahre später), dass es weniger Einnahmen in einem Jahr hatte und fordert das Gehalt von seinen Angestellten einfach anteilig zurück, damit er keinen Verlust macht. Aber ich weiß: es geht ums Sozialsystem, daher ist es natürlich voll in Ordnung!

Im Endeffekt ist das aber doch in vielen Fällen ab bestimmten Einkommen genau der Fall: es wird erfolgsabhängig vergütet. Darauf kann man eine Vorauszahlung erhalten (riskant), oder eben nicht (sicher), damit man nichts zurückzahlen muss, wenn der Jahresabschluss vorliegt. Du könntest ja auch jeden Monat einfach weniger nehmen und Dich freuen, wenns dann einen nachgelagerten Bonus gibt.

>Der Grund für eine solche rechtlich sehr fragwürdige Prüfungsmethode der Wirtschaftlichkeit ist dabei recht einfach. Sie ist einfach! Eine genaue Prüfung auf unwirtschaftliches Handeln würde einen enormen Zeitaufwand kosten, welcher der Gesetzgeber sich einfach nicht aufbürden will. Auch wenn dies rechtlich aus … nun ja sehr fragwürdigen Füßen steht. Aber solange das Sozialgericht immer „Pro Staat“ entscheidet und sich das Verfassungsgericht weigert, diese Dinge zu behandeln, macht rebellieren nur wenig Sinn.

Das ist natürlich bürokratisch ohne Ende, aber: wie sonst sollten Kontrollmöglichkeiten aussehen, damit sich Ärzte nicht durch durch sich selbst veranlasste Maßnahmen bereichern, die ggf. nicht nötig wären? Ich verstehe das aktuelle Prinzip so, dass es eine Art Statistik gibt, welche hier die Richtung vorgibt. Das wäre ja erstmal nachvollziehbar...

Und: In meinen Augen hat in viel zu vielen Fällen der Schulterschluss mit der Pharmaindustrie gezeigt, dass Ärzte nicht verlegen sind, sich selbst "kreative Einkommenswege" zu eröffnen. Das ist ein riesiges Problem.

>Dies ist jetzt nur ein kleiner Einblick in unser tolles Kassensystem. Und wenn ihr mir eins glauben mögt. Wenn die Bürgerversicherung wirklich kommen sollte, so werden die „Besonderheiten“ nur zunehmen. Anstatt nämlich am Versicherungsrecht rumzuspielen, sollte man in der Politik das System in seiner Gänze überdenken.

Viel von dem was Du erläuterst empfinde ich auch als problematisch - aber nicht als problematischer als das, mit dem sich Unternehmer und Startups hier auseinandersetzen müssen.

>Der Grund ist natürlich ebenfalls sehr einfach. Ein Gesundheitssystem, welches komplett verstaatlich wäre, ist teurer und bei weitem nicht so effektiv. Ich würde ohne finanziellen Druck eben keine 70 Stunden mehr arbeiten und als Chef im Alleingang alle Aspekte der Praxis stemmen. Einfach weil ich es am Ende muss…

Darf man fragen, wie sich die 70 Stunden bei einem Zahnarzt zusammensetzen? Die Netto Praxis-Zeit sollte ja eher so bei 45 Std liegen, oder?


< antworten >