Thema:
Re:Was man heute nicht mehr sagen würde flat
Autor: the_korben
Datum:27.01.20 21:03
Antwort auf:Was man heute nicht mehr sagen würde von ChRoM

Vorsicht: lang.

Gruber ist halt ein Öffentlichkeitsdarling (gewesen?), der sich in seiner Position als Science Buster so richtig gut gefallen hat. Da kommt dann eine Narzissmus-Böe zu viel daher, und schon redet man auch mal Blödsinn. Ist bei den aktuellen hauptberuflichen Wissenschaftskommunikatoren leider gar nicht so selten (siehe z. B. Neil DeGrasse Tyson, der sich in manchen eher politischen Themen auf einmal auch als Oberchecker von eh allem aufgespielt hat). Kein Vergleich mit den Erfindern der Zunft, wie z. B. Carl Sagan.

Mag schon sein, dass Gruber in dem Interview falsch dargestellt wurde, aber ich kenne ihn noch als Quasi-Kommilitonen aus dem Studium (ca. um 2003), wo wir im Kaffeehaus öfter zusammen gesessen sind. Selbst geforscht hat er nicht wirklich und halt sein Grundstudium ein paar Jahre vorher gemacht und dann an der Uni am Institut für Experimentalphysik als Assistent des Lehramtsstudiums mitgearbeitet. Dem war die Wissenschaftskommunikation ein offensichtlicher Ausweg aus der stagnierten Arbeit und dann hat er sich groß als Physiker verkauft, ohne jemals mehr als ein, zwei wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht zu haben.

Daraus mag man jetzt schließen, was man will, aber mit theoretischen und numerischen Modellen eines hochkomplexen Systems oder Big Data-Synthesen und probabilistischen Analysen, wie man sie z.B. für gigantische, vielartige Klimamessungen und Vergleiche mit den Modellen benötigt, hatte der sicher nie zu tun.

Für mich ist Gruber irgendwie ein typisch österreichisches Phänomen. Den hat man hier so geliebt, weil er so lustig ausschaut und leiwand ist, und auch mal etwas derbere Bonmots raushaut. Über seine Qualifikationen hat man sich aber nicht wirklich viele Gedanken gemacht.
Man vergleiche das nur mal mit z. B. Florian Freistetter, seinem Buster-Kollegen, der wirklich jahrelang selbst geforscht hat, aber in Österreich viel weniger gut angekommen ist als in Deutschland. Oder Harald Lesch in Deutschland ... auch ein ganz anderes Kaliber.

Freistetter hat dann übrigens auch vor einigen Monaten das neueste populärwissenschaftliche Machwerk von Gruber zum Thema Astrophysik auf seiner Website Astrodicticum Simplex zerlegt, weil es nur so voller Fehler ist.

Also Fazit: Gruber konnte deswegen 2015 so über den Klimawandel reden, weil es in Österreich kaum einen öffentlichen Diskurs über Wissenschaft gibt und daher auch keine Kultur, die vorgibt, wie mit wissenschaftlichen Themen umgegangen und diskutiert wird, und wer überhaupt qualifiziert ist, sich über solche zu äußern, auch und besonders wenn es um das Populärwissenschaftliche geht. Leider. Hätten wir einen Harald Lesch, der hätte jemanden wie Werner Gruber schon am 2. Tag nach dem Interview öffentlich so eindeutig bloßgestellt, dass sich da niemand mehr fragen hätte trauen, wer denn jetzt recht hat.

Sorry, bin selbst gelernter Astrophysiker, deshalb werd ich bei dem Thema immer so ein bisschen getriggert. ;)


----------------------
Gesendet mit M! v.2.7.0


< antworten >