Thema:
Journalismus-Trend des Jahres: Die Zugstattflugreportage flat
Autor: ChRoM
Datum:12.01.20 12:23
Antwort auf:Die M! Tageszeitung - Journalismus VIII von Kilian

It's funny because it's true.

Neulich wollte ich von Düsseldorf nach Köln fliegen, aber dann kam mir Greta Thunberg in den Sinn, und die Kinder erzählten mir was von Flugscham. Also habe ich mich schweren Herzens dazu entschlossen, die Riesenreise nicht mit dem Jet, sondern mit der Deutschen Bahn zu absolvieren. Und was soll ich sagen? Deutsche Bahn!!!!

So ungefähr muss sie beginnen. Die typische Reportage aus dem 2019 neu eingeführten journalistischen Genre Zugstattflug. ... Überall scheint es so, als habe der Chefredakteur verkündet, dass die Mannschaft jetzt aber (Achtung: Schlechtes Wortspiel) zügigst auch mal so einen Text brauche, in dem jemand schreibt, wie vernünftig das ist, wenn man nicht mehr fliegt und sich stattdessen selbst auf Schienen setzt. Natürlich schreibt man dabei auch auf, wie schwer das alles ist mit der Bahn. Dazu gehört, dass in jedem Text mindestens eine Teilstrecke mit einem unpünktlichen Zug in umgekehrter Wagenreihung absolviert werden muss.

En passant werden dann alle Unzulänglichkeiten einer typischen Bahnreise aufgelistet, von fehlender Sitzplatzreservierung über stinkende Mitreisende und nicht aufzufindendes oder unduldsames Zugpersonal bis zur Tatsache, dass nicht nur Greta Thunberg Bekanntschaft mit der Auslegeware der Bahn schließen musste. Es ist dieser Journalismusgattung geradezu immanent, dass alle wichtigen Defizite des Bahnreisens auf einen einzelnen Fahrgast einprasseln. Fast so, als habe man sich das beim „Spiegel“ ausgedacht nach dem Motto: „Dann brauchen wir noch eine alleinerziehende Mutter, die nicht ins Mutterkindabteil darf, und irgendwer muss vor der Zugtoilette hocken.“


[https://www.dwdl.de/hoffzumsonntag/75609/journalismustrend_des_jahres_die_zugstattflugreportage/]


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