Thema:
Nepal - kleiner Reisebericht flat
Autor: Phreak
Datum:19.12.19 22:12
Antwort auf:Urlaubs-Thread Nr. 6 - To boldly go... von Kilian

Namastizzle! Ich lebe noch und wollte euch meinen kleinen Reisebericht zum Dhaulagiri-Trek nicht vorenthalten.

Vorweg: Hätte ich gewusst, wie hart mich der Trip körperlich zerstört, hätte ich es nicht gemacht.

Aber von vorne:

Setup: 8 Leute (7m/1f), darunter ein guter Freund, der Rest Bekannte über 1-2 Ecken. Größtenteils stramme Beraterjungs in ihren besten Jahren aus dem Süden Deutschlands mit alpinen Sportvorlieben. Ich als käsiger Wahlberliner fiel etwas raus. Meine God Emperor's Holy Palace of Terra Witze über das Himalaya hat keiner kapiert :(

Tag 1: Kathmandu
Schön mit Qatar von Shitty Tegel über Shiny Doha nach Shitty Kathmandu. KTM ist übrigens nur minimal ranziger als TXL, wann wird BER endlich fertig?
Da ich ja schon oft in Indien war und man Indien entweder hasst oder liebt (ich liebe es!),  fand ich Kathmandu extrem nice, ein paar Kollegen der Reisegruppe hingegen fanden es schrecklich. Nepal ist ein armes Land, aber Elend wie in Indien sieht man nicht. Man sieht noch ziemlich viele Schäden vom Erdbeben 2016, aber alle sind busy. Der übliche Chaos-Verkehr, die räudigen Einfallstraßen und die verwinkelte Innenstadt. Was sofort auffällt ist, dass die Nepalis dort tausendmal entspannter und zurückhaltender sind als der durchschnittliche Großstadt-Inder. Also erstmal im Touri-Altstadt-Viertel Thamel einquartiert und lecker gegessen, ein paar Stadtteile angeguckt, in Rooftop-Bars gechillt, mit anderen Trekkern und Nepali Studenten gequatscht und mir jeden Abend hart einen reingedübelt, so wie es der Plan vorsah. Drogen sind zwar offiziell illegal, aber weitgehend geduldet und man wir überall angelabert in Thamel ("hey wanna buy some good hash??"). Am dritten Tag nochmal das Hotel gewechselt und die anderen sowie unseren Main Guide, Pemba, kennengelernt.

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Sexy Moloch Kathmandu!

Tag 4: Flug nach Pokhara
Mit einer Klappermaschine nach Pokhara, zweitgrößte Stadt und Hub für viele viele Touren im Westen des Landes. Dort in einem super Hotel einquartiert worden und wieder ganz toll gegessen, schön direkt an der Lakeside. Im Hotel die Duffelbag aufs Nötigste reduziert und 5kg Gepäck im Hotel gelagert.

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Blick auf den Machu Pichare (Fishtooth), das "Matterhorn Nepals" (7000+m)

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Pokhara war sehr nice!

Tag 5: Beni (1.400m (?) )
Mit einem Toyota-Bus ging es 8 Stunden zur Start-Etappe, der erste echte Wandertag war kurz (4h) und uns wurde jetzt auch das erste Mal bewusst, mit was für einer großen Meute wir unterwegs sind.

1 Main Guide
2 Assistant Guides
8 Kitchen Crew inkl. Koch
12 Porter (Träger)

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Ready to Roll! Naiv und guten Mutes, hätte ich mich mal besser vorbereitet ey...

Tag 6-14: Dschungel und Wald (1.400m - 3.500m)
Über eine Woche lang haben wir uns durch Seitentäler und schließlich dann auch im Haupttal dem Dhaulagiri genähert. Der Berg ist allerdings so ein fetter Brocken, der kam gefühlt überhaupt nicht näher. Tagsüber war es die ersten Tage heiss (bis zu 30°C), nachts auch warm (25°C+), es gab ohne Ende Insekten. Man geht zum Klo-Zelt und sobald man die Stirnlampe anmacht, fliegen einem 10 Schnaken in die Fresse, wäh. Da Nepal suptropisch ist, war die Baumgrenze erst bei knapp unter 4k Metern, der Insektenrotz hörte also erst dort auf, wo in den Alpen seit tausend Metern nur noch Schutt herumliegt. Ich war mit den täglichen Höhenmetern hart überfordert. Kurzatmig, mit Kopfschmerzen, puckernden Knien und diversen Ausrutschern habe ich in dieser Zeit viel geflucht. Bin einmal in einen Fluss gefallen und einmal ca. 4m runter in eine Geröllspalte. Einfach nur mega Glück gehabt, dass mir nichts passiert ist außer Schürfwunden und Prellungen. Wir wurden diverse Male komplett vollgeregnet, mussten in schimmligen Lodges pennen und jeden morgen war der Schlafsack und das Zelt von innen komplett nass.

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Die ersten 2 Wochen waren geprägt von Reisterrassen, Rhododendron-Wald und ungesicherten Pfaden

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Tag 15: Italian Base Camp (3.700m?)
Italienische Bergsteiger sind in den 1920er Jahren hier angekommen und haben gemerkt, dass man von dieser Seite nicht auf den verkackten Berg kommt. Muss ziemlich frustrierend gewesen sein, aber die Location des Base Camps war grandios. Man legt den Kopf in den Nacken und kann trotzdem nicht die Spitze des Berges sehen, sondern nur eine gigantische, 4km hohe Felswand mit Eiskanten, Abbrüche und den wildesten Formationen. Ich habe hier einfach auf der Luftmatratze gelegen und mir diese Feldwand angeglotzt, stundenlang. Die Dimensionen hauen einen einfach um. Schön auch die dutzenden Plaketten verunglückter Bergsteiger von den 1950ern bis heute, alle über das relativ ebene Plateau des Base Camps verteilt. Haben hier eine Nacht mehr eingelegt zur Akklimatisierung. Diese Nacht sollte die letzte Sein, in der ich schlafen konnte. Aus dem Klatschnass morgens wurde jetzt Frost, da es nachts schon auf -5°C und weniger runter ging.

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Der Blick auf die Feldwand

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sag ich ja, geilste Etappe!

Tag 17: Japanese Base Camp (4.300)
Die geilste Etappe! Über einen Lawinenkegel, auf engen Bergpfaden am Abgrund vorbei, durch ein Geröllfeld an einem Fluss entlang in Richtung des Gletschers. Atemberaubend und von der Fitness her machbar. Das Japanese Base Camp war allerdings der beschissenste Ort. Zelt aufm Gletscher (kalt), der Wind pfeift unerbittlich und überall glatte Steine mit Schnee, nachts raus zum Pissen war ein Abenteuer für sich. Da man aus Akklimatisierungsgründen jeden Tag mindestens 4 Liter Wasser getrunken hat, war dementsprechend Druck da. Da in Nepal aber glücklicherweise auf den Treks überall Müll herumliegt, habe ich mir einfach eine Leere 2-Liter Sprite-Flasche genommen und nachts fortan dort reingepisst. Lifehack: Lauwarme Flasche im Zelt zwischen die Stiefel stellen, dann frieren die nicht so schnell ein. Morgens in gefrorene Stiefel rein ist ein Träumchen, ich sag's euch!

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Tag 18: Dhaulagiri Base Camp (4.700)
Hier habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass die Höhe mir zu schaffen macht. Habe versucht meine Aktivität im "Wohlfühlpuls" zu halten, den ich von Langstreckenläufen relativ gut einschätzen kann. Das war aber einfach nicht möglich. Die kleinsten Schritte im Schnee waren so ultra anstrengend, dass ich anhalten musste. Ich habe so geflucht und war zwischendurch sehr verzweifelt, aber irgendwie, Schritt für Schritt, habe ich mit den Gletscher hochgequält bis zum Basecamp. Während die anderen die Etappe in 5h abgerissen hatten, habe ich fast 9h gebraucht. Den kommenden Akklimatisierungstag habe ich mit Trinken, Pissen und über die Landschaft staunen verbracht.

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Blick auf den Dhaulagiri Gletscher
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Das ist ein Teil der Wand, ca. 2km hoch. Dahinter ist der eigentlich Gipfel, der von unten nicht sichbar ist. Erkennt man beim nächsten Bild ganz gut.

Tag 19: French Pass und Hidden Valley (5.300)
Fuck Fuck Fuck, das war so anstrengend. Diese "paar hundert Höhenmeter" waren eine reine Tortur. Über einen Kamm eines Gletschersattels aus der letzten Eiszeit sind wir über den French Pass. Ich bin vor Erschöpfung 2x gestolpert und hab mich gemault, kurz vor dem Pass habe ich mich ein halbes dutzend Mal übergeben müssen. Meine Lippen waren komplett blau, ich konnte ich noch für ein paar Selfies zum Lachen zwingen aber wollte nur noch ins Zelt und mich hinlegen. Meine Atmung war mittlerweile so schnell, dass meine Schleimhäute in der Nase komplett zerstört waren und ich Blutschleim-Knorpel-Popel-Fetzen von der Größe eines 2€ Stücks in Fußballer-Manier aus meiner Nase gerotzt habe. Nachts wurde es leider nicht besser mit der Atmung, denn sobald man wegnickert, wacht man 2 Minuten später panisch wieder auf, weil der Körper das Gefühl hat, zu ersticken. Und es war so fucking kalt, nachts -25°C mit Windböen von 120km/h und mehr. Hab ich also einfach garnicht geschlafen. Kenn ich mich ja aus mit seitdem meine Tochter auf der Welt, aber immerhin ist mein Bett zuhause warm. -20°C Komforttemperatur-Schlafsack my ass! Das Hidden Valley war so ein bisschen wie North Beyond the Wall und ich hätte es außerdem super gefunden, wenn ein White Walker meinen schnarchenden Zeltgenossen abgemessert hätte.

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Da isser, der drecks Dhaulagiri!

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NORTH BEYOND THE WALL!

Tag 20: Dampus Pass (5.300) und Yak-Camp südlich von Marpha (3.800)
Der Dampus ist ein "Spaziergipfel" und der kleinste Sechstausender, man geht da einfach hoch und an der anderen Flanke wieder runter. Fuck off, nix für mich! Ich kann mich an den Tag über den Pass ehrlich gesagt kaum erinnern, weil ich unter akuter Atemnot und der ständigen Angst, dass mir gleich die Birne ausgeht, knapp 13 Stunden gebraucht habe und in absoluter Trance nur einen Schritt vor den anderen gesetzt habe. Der etwas besorgte Guide hinter mir hat mir bei Passagen mit mehr Körpereinsatz geholfen, damit ich nicht abrutsche. Hatte absolut keine Kraft mehr und habe mich bestimmt 5234x an dem Tag gefragt, warum ich mir so eine verfickte Scheisse überhaupt antue. Dazu kamen Kopfschmerzen und akute Anflüge von Höhenkrankheit. Zum Glück war das letzte Drittel der Etappe der Abstieg auf knapp 3.800m, meine Knie fanden das nicht so geil. Die Symptome waren aber fast sofort weg und ich habe endlich wieder ein Auge zubekommen im Zelt.

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Kann mich überhaupt nicht erinnern, das Foto gemacht zu haben

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Links Annapurna Range, rechts Dhaulagiri Range

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Mein bestes Foto der Tour

Tag 21: Marpha und Jomsom (2.500)
Über 2.000m absteigen ging richtig hart auf die Knie, im Vergleich zu den Etappen vorher habe ich aber wenigstens atmen können, daher fand ich es nicht so schlimm. Außerdem war ja das Ende in Sicht. Die Aussicht war grandios, man guckt geradeaus auf die Annapurna Range mit den Nilgiris, die alle über 7.000m sind. Dann das Tal und die Wolken im Hintergrund, rechts die Dhaulagiri-Flanke mit über 8.000m. Links guckt man nach Mustang und Tibet, trockene Hochebene und definitiv in der engeren Auswahl für den nächsten Trek. Breite, stabile Wege, trockenes Wetter, nicht über 4.000m.

Tag 22: Jomsom Flug nach Pokhara
Von einem 18jährigen Piloten in einem Klapperflugzeug nach Pokhara geflogen worden. Ich saß vorne hinter dem Cockpit und das Flugzeug war nonstop am plärren "SINK RATE!!!" "PULL UP!!!" "TERRAIN!". Der Flug war eine einzige Turbulenz, vor den Fenstern riss kurz die Wolkendecke auf und man konnte zum Greifen nah die Berge sehen. Aber da unser Main Guide seelenruhig neben mir gepennt hat, habe ich meine Panik irgendwie unterdrücken können. In Pokhara endlich wieder eine warme Dusche bekommen und die kaputten Füße gepflegt.

Tag 23: Pokhara nach Kathmandu, Abflug
Die letzte Etappe hätten wir aus Effizienz-Sicht auch fliegen sollen anstatt die 100€ zu sparen. Wegen eines Unfalls war der einzige Highway gesperrt und wir haben für 200km fast 20h gebraucht in einem kleinen, unbequemen Minibus. Geil war aber, dass die Nepalis da absolut gelassen ran sind und wir uns dann bei deren Picnic am Straßenrand selbst eingeladen hatten. In Kathmandu stand noch ein bisschen Sightseeing mit den anderen auf dem Programm, dann ging es ab nach Hause.

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"das passt schon...."

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Kathmandu Innenstadt

Kathmandu Airport ist ein einziger Prozess-Fail (nur ein Eingang mit 1 unmotiviertem Security-Mokel) und war nicht klimatisiert, an meinem Gate ist jemand mit Herzinfarkt umgekippt und vermutlich gestorben. Man hat ihn noch abtransportiert aber die glücklicherweise anwesenden Ärzte waren mit ihren Wiederbelebungs-Versuchen nicht erfolgreich. Irgendwie hat mich das nach all den Plaketten in den Bergen mit verunglückten Bergsteigern nicht sonderlich geschockt, auch wenn ich da noch viel drüber nachdenke.

Da Qatar meinen Flug leicht nach vorne gezogen hatte, bekam ich als Entschädigung einen Spa-Gutschein für meinen verlängerten Aufenthalt am Flughafen in Doha. Ich kann nur sagen, dass sich dieser Kontrast absolut pervers angefühlt hat nach 3 Wochen in ein Loch scheissen und sich bei 3°C mit Wickeltüchern waschen.

Der Trip ist einer von diesen Reisen, die in der Erinnerung besser werden. Wenn sich der besänftigende Dunst der Nostalgie-Demenz wie eine warme Decke auf diese 3 extrem unbequemen Wochen gelegt hat, werde ich vermutlich wohlwollender zurückblicken.

Nach Nepal will ich auf jeden Fall nochmal.

Cheers
Jan

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