Thema:
Re:BBC-Reportage zur aktuellen Situation in Hong Kong flat
Autor: Hattori Hanzo
Datum:26.11.19 11:17
Antwort auf:Re:BBC-Reportage zur aktuellen Situation in Hong Kong von chifan

>>>In Hong Kong wurde gestern gewählt (eigentlich keine besonders bedeutsame Wahl), aber in 17 von 18 Distrikten war die Pro-Demokratie-Bewegung erfolgreich. Zur Bedeutung des Wahlausgangs sowie den Hintergründen der seit Monaten andauernden Proteste hier ein lesenswerter Artikel der BBC:
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>>>[http://www.bbc.com/news/world-asia-china-50541627]
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>>Kein schlechter Artikel, aber gerade im letzten Teil, der Erklärung, wie es zu den Protesten kam, was die Demonstranten wollen, fand ich schwach, da z. B. nicht mal das Basic Law erwähnt wird.
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>Wenn man vor über 30 Jahren, als das auf die Beine gestellt wurde, die Entwicklung Chinas vorausgesehen hätte, wäre das seitens Chinas wahrscheinlich niemals so verabschiedet worden. Unabhängig davon ist die Unterwanderung des Basic Law eine Sauerei.
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>Mir fehlen bei dem Artikel aber eine Menge an Hintergründen, weil die Thematik doch relativ komplex ist. Die ganzen Proteste haben sich ja an dem Auslieferungsgesetz hochgespielt. Hintergrund dessen war der verübte Mord eines HKer an seiner Freundin in Taiwan. HK durfte diesen nicht ausliefern. Weil er mit den KK seiner ermordeteten Freundin seine Schulden in HK beglich wurde er in HK zumindest wegen Kreditkartenbetrugs verurteilt. Um seiner Entlassung zuvorzukommen, sollte das Gesetz schnellstmöglich durch den Legislativrat gebracht werden. Hier kann man natürlich kritisieren, dass der Fall nur ein Vorwand für die Durchsetzung des Gesetzes war.
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>Ein Grund für die Proteste ist aber auch, dass viele unzufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation sind, die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Diese Ursachen sind aber sehr wohl in der Kolonialzeit zu finden. So gibt es erst seit der Rückgabe von HK an China eine Krankenversicherungspflicht, eine gesetzliche Altersvorsorge, einen Mindestlohn und Regelungen zu arbeitsrechtlichen Minimalbestimmungen. Natürlich verliert man darüber kein Wort.


Ich sehe das anders, dafür muss man sich nur die Proteste anschauen, die es seit 1997 gab. Sie waren immer dann ganz groß, wenn es um den direkten Einfluss Chinas auf HK ging. 2003/4/5 bezüglich der Einführung des Artikel 23; die regelmäßigen Erinnerungen an Tiananmen; die geplante Einführung einer "patriotischen Erziehung", die Verschiebung von versprochenen Wahlrechtsänderungen/ Occupy Central/ Regenschirm Revolution. Klar, die anderen Themen sind sicherlich Gründe für Unmut im allgemeinen, das sind aber insgesamt aber nicht die Gründe für die großen Proteste. Ich empfehle in diesem Zusammenhang das Buch "City of Protests" von Antony Dapiran.

"Natürlich verliert man darüber kein Wort" hast du geschrieben. Genau so ist es, das war und ist einfach kein Thema bei den Demonstranten. Es gibt einige die bewusst mit Schildern rumlaufen, auf denen steht: Ja, es gibt wirtschaftliche Probleme, aber uns geht es aber nicht darum.

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>Und wenn man dann liest: UK Foreign Secretary Dominic Raab said he welcomed the holding of the elections, which he described as "an important opportunity for the people of Hong Kong to make their voices heard".
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>Da fällt mir rein gar nichts mehr zu ein. Das ist doch an Scheinheiligkeit kaum noch zu toppen. Als ob sich UK vor 1997 jemals für deren Stimmen interessiert hätte. Wahlen gibt es doch überhaupt erst seit der Rückgabe HKs an China. Davor wurde der Gouverneur von HK einfach vom Monarchen in UK bestimmt.
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Aber das ist von deiner Seite auch irgendwie "whataboutism". Klar, man kann extrem viel kritisieren wie das UK HK geführt hat. Da gab es politisch keine allzu großen Freiheiten, gesellschaftlich hingegen schon. Aber darum geht es nicht. HK wurde an China unter einem international bindenden Vertrag übergeben. Und an den hält sich China nicht. Dazu muss man natürlich auch die Stimmung in HK vor 1997 verstehen, in der Zeit hatte man, gerade nach Tiananmen, natürlich auch Angst vor China.

Klar kann man das Scheinheilig nennen, aber wir reden hier von vor 30 Jahren und heute. Und heute darf und muss man solche Statements abgeben.

>Wie gesagt, die Unterwanderung des Basic Law ist Mist, aber die Ursachen vieler Probleme sind eben auch woanders zu finden.

Das hingegen finde ich nicht. Die Ursachen sind imo total klar:
- HK wurde vom UK an China übergeben, ohne die HKler einzubeziehen.
- Der Deal war: Wir geben euch relativ starke Autonomie, ihr habt einen Rechtsstaat, den dürft ihr behalten, ihr bekommt das passende Grundgesetz, dass euch diese Autonomie sicherstellt.
- Jetzt merkt man, dass das Basic Law unterwandert wird, dazu ist für die jungen Menschen das Jahr 2047 halt nicht mehr "ferne Zukunft" in der man evtl. nicht mehr lebt, sondern real. Und man hat reale Angst.


Aber ich glaube wir hatten darüber ja schonmal geredet ;)


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