Thema:
Re:Ideologie der Mitte flat
Autor: JCD
Datum:30.10.19 07:36
Antwort auf:Ideologie der Mitte von peppi

>Schon älter und aus (der linken!) Freitag-Community:
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>[https://www.freitag.de/autoren/jwh/ideologiekritik-als-ideologie]
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>Ideologie (ist) im sozialwissenschaftlichen Verständnis viel mehr genau die Meinung, die gesellschaftlich so fest verankert ist, dass sie selbstverständlich geworden ist und nicht mehr selber erfasst werden kann. Also nicht die Abweichung, sondern ihr unreflektiertes Zentrum. Die ideologischen Säulen unserer Gesellschaft sind daher entstanden aus vergessenen Selbstverständlichkeiten, die aber keineswegs ewige Wahrheiten sein müssen.
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>...
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>Die Rente war und ist nicht sicher, der Kapitalismus führt nicht zu steigendem Wohlstand für alle, was gut für die Wirtschaft ist, ist nicht gut für die Menschen, Wir können nicht immer weiter wachsen, die Klimakatastrophe wird doch nicht gelöst, Griechenland kann durch die Sparpolitik nicht wachsen und jüngst die Erkenntnis, dass Deutschland nicht das friedvolle humanistische Land ist, sondern auch ein Land mit einem massiven Rassismusproblem. Die Realität trifft die Ideologie der Mitte ins Herz. Die traditionellen Parteien der Mitte (CDU und SPD) haben schon lange ihre totale Deutungshoheit verloren, was die Erweiterungen des Parteienspektrums ermöglicht hat. Je stärker die Wahrheiten der Mitte erodieren, desto stärker werden die neueren Parteien mit alternativen Antworten. Paradoxerweise werden diese Parteien dann in der Regel als ideologisch, populistisch und unverantwortlich bezeichnet, dabei sind sie durch die Erosion der Ideologie entstanden: So sind Syriza und Podemos gerade die Negation der Ideologie, nicht ihr Ausdruck.
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>Demnach ist die Perspektive Ideologie, die alle Vorhaben außerhalb des selbstbeherrschten Rahmens als "weltfremd" o. Ä. bezeichnet (mal davon abgesehen, dass die pol. Arena nie "ideologiefrei" ist - ich will ja, dass Partei XY gewinnt weil sie für spez. Ideen zu spez. Themen steht).
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>Der Mietendeckel in Berlin fällt mir dazu ein. Ich kann den Vorstoß inhaltlich gar nicht großartig bewerten, und joa, ich kann den Populismus-Vorwurf nachvollziehen, finde es aber super, wenn eben Leute daher kommen und einfach mal sagen: Leude, wir haben Bock, dass ihr eure Mieten bezahlen könnt. Wir wollen nicht, dass ihr Angst um eure Wohnungen haben müsst. Wir lassen uns da jetzt mal was einfallen - und dann passiert tatsächlich was!
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>Effekt ist doch, dass das Thema noch dringender als ohnehin schon diskutiert wird. Dass klar ist, ey, so gehts nicht weiter. Der Staat, das Land, die Stadt, muss sehr viel stärker regulierend in den Immobilienmarkt eingreifen. Es gibt kein Recht auf Mega-Rendite mit Wohnraum. Entgegen jener "Aber die Investitionen!1" und "Es wird keine neue Wohnung gebaut!11!" (letzteres ist IMO der Plan - keine Luxussanierungen mehr weil unrentabel, Neubau bidde!).
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>Dazu der Aha-Effekt: Ey, Politik kann ja doch was!? An alle die, die die Meinung vertreten, dass sich niemand für sie einsetzt (wird ja gern als ein Grund für Rechtsruck angeführt). 80% der Leute in Berlin mieten. Der Demokratie müsste es gefallen.


Danke, so sehe ich das auch. Ich finde, dass Initiativen wie Deutsche Wohnen enteignen oder Fridays for Future sehr wertvoll sind weil sie Probleme sichtbar(er) machen und Debatten anregen.
Inwieweit die (teilweise durchaus extremen) Forderungen dann umsetzbar sind, muss geklärt werden. Dazu müsste man dem Gegenüber natürlich auf Augenhöhe begegnen und dessen Argumente ernst nehmen.
Gerade die konservative Seite reagiert auf Argumente aber allzu oft wie dieser schreiende Frauentausch-Typ: "Halt Stop!! Es bleibt alles so wies hier ist und es wird nichts dran gerüttelt!". Das gilt natürlich nicht für alle und die Gegenseite ist oft auch nicht besser. Das machts ja so traurig.


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