| Ein Akt der Barmherzigkeit |  |
Ein zappelnder Brei aus grauem Gefieder, Blut und heraustretenden Gedärmen kreiselt über die Straße. Wie ein bizarrer Pinsel der rote Kringel auf den Asphalt streicht.
Timo, der Jüngste, ist nur noch am heulen.
"Jetzt mach doch was!" schreit Thorsten.
"Was soll ich denn machen du Arschloch?!" schreit Stefan zurück.
"Mach Sie tot! Das war doch deine Scheißidee!"
"Weil du zu blöd bist die richtig zu treffen du Idiot!"
"Ich will zu Mama! Ich will zu meiner Mama!" jammert Timo.
"Halt die Fresse!" kommt es unisono von Stefan und Thorsten.
Es sollte ein Akt der Barhermzigkeit werden. Die können wir nicht liegen lassen. Die verreckt noch stundenlang. Hat Höllenqualen. Das ist unsere Pflicht!
Das hatte Stefan noch altklug gepredigt als sie die Taube am Straßenrand fanden. Vielleicht angefahren. Ziemlich am Arsch. Stirbt eh. Das macht man dann so. Okay. Aber wer macht es. Natürlich will keiner. Und Thorsten nimmt einen fetten Stein, geht wortlos hin, hebt ihn sich kopfüber, alle schauen gebannt, er schließt die Augen und pfeffert ihn runter. Und das eben noch so friedlich dahinsiechende Federvieh ist jetzt richtig drauf. Da ist wieder Leben in der Bude, richtig Action. Wie geht das überhaupt, ist total aufgerissen die Puppe. Alles quellt raus.
"Lass einfach abhauen." meint Stefan.
"Das können wir nicht bringen. Das ist schlimmer als vorher. Das ist meine Schuld!" antwortet Thorsten.
Schuldig fühlt sich auch Stefan. Was laber ich auch rum, fragt er sich. Als ob er Ahnung hätte.
"Ich zünd sie an. Das mit dem Stein geht nicht. Aber ich zünd sie an." sagt Stefan entschlossen.
"Alter, du willst sie verbrennen bei lebendigem Leib. Das ist ja noch schlimmer!"
"Auf jeden Fall schneller als diese kranke Scheiße. Ich hab mein Feuerzeugbenzin für mein Zippo bei."
"Dann mach einfach!"
Stefan holt die Dose raus, klappt das rote Ventil hoch und fängt an sie mit einer Schwungbewegung wie bei einem Baseballwurf anzuspritzen. Jetzt dreht die Taube richtig auf und versieht ihr panisches Kreiseln noch mit einer Art degenerierten Hüpfern zum verstörenden Gurren.
"Bist du bescheuert, das brennt doch wie Sau! Hast du schon mal Spiritus drauf gekriegt? Die flippt jetzt komplett aus!" motzt ihn Thorsten an.
"Du hast doch gesagt mach einfach!"
"Ja, aber nicht so!"
"Ja wie denn?"
"Ich will nach Hause!" heult Timo.
"HALT DIE FRESSE!"
Stefan hält die Dose in beiden Händen über der Taube und ballt die Fäustchen so dass sich ein Strom aus Benzin über sie ergießt. Dann zündet er das Zippo und lässt es in die Suppe fallen. Es flammt auf und das schaurige Schauspiel scheint sich erst ewig zu ziehen, findet dann aber doch zu einem Ende.
Alle drei starren gebannt auf den kleinen Brand, atmen den Gestank aus verkohlten Federn.
Timo heult nicht mehr, da ist nur noch Schluckauf.
"Ein Wort zu Mama oder Papa und wir machen das gleiche mit dir", sagt Stefan ohne den Blick von dem brennenden Brei der mal eine Taube war abzuwenden.
Thorsten denkt kurz nach und sieht schon den ganzen Ärger kommen wenn der kleine Kackbruder von Stefan auspackt.
"Erst hauen wir dir den Kopf auf und dann zünden wir dich an wenn du irgendwas davon erzählst."
Timo starrt die beiden nur noch entsetzt an, so entsetzt dass er auch seinen Schluckauf vergisst.
"HAST DU DAS KAPIERT?"