Thema:
Re:You‘ve come a long way, China... flat
Autor: Hattori Hanzo
Datum:30.09.19 18:36
Antwort auf:Re:You‘ve come a long way, China... von chifan

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>>>Das ist mir etwas zu vereinfacht. Schaue dir mal die Entwicklung in Europa und China an. In wie weit war die Geschichte Europas geprägt von Aufständen und Revolutionen. Wie sah es dagegen in China aus, wo eine Dynastie durch die andere ersetzt wurde.
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>>Aufstände und Revolutionen gab es doch sowohl in Europa als auch in China ohne Ende. Ist also eher ähnlich. Gerade die Zeit nach dem Opiumkrieg zeigt doch deutlich, dass sich die Bevölkerung gegen das starre System gewehrt hat, sich verändern wollte (Selbsstärkungsbewegung etc), was ja auch letztendlich zur Xinhai Revolution geführt hat.
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>Das habe ich etwas blöd ausgedrückt. In Europa waren die Revolutionen ja auch ideologisch geprägt. Du hattest bspw. den Feudalismus in seinen verschiedenen Ausprägungen und Entwicklungen bis hin dann zum Übergang zur Republik etc.. In China hingegen hast du (mal die Fremdbestimmung durch die Mongolen und Mandschu beiseite lassend) über 2.000 Jahre Kaiserreich am Stück (mit den Dynastien davor 4.000 Jahre) ohne dass sich an den Strukturen irgendwas groß änderte. Da ging einfach nur eine Dynastie in die andere über.


Das ist aber jetzt auch mal viel zu vereinfacht ausgedrückt. Allein von der Qin Dynastie (Legalismus) zur Han Dynastie mit der Einführung des Konfuzianismus als Staatsdoktrin war das schon ein riesen Bruch.

Dazu würde ich die Mandschuren nicht als fremdbestimmt bezeichnen, bzw. ist das schwer, weil man dann zwischen China als Nation und als Staat unterscheiden müsste. Und dann müsste man sagen, dass Tibet und Xinjiang nicht chinesisch sind. Auch bei den Mongolen war das ja eine Sinisierung die stattfand. Dazu noch über Jahrhunderte. Das muss man genauso als Teil der Geschichte Chinas und der Chinesen, wie immer man das interpretiert, sehen. Und auch die Größe und das Zentrum des Reiches änderte sich, dazu war China auch sehr lange eben nicht vereint, bzw. es gab unterschiedliche Dynastien die sich überschnitten. Auch das ist eher das Narrativ ist, was man in China lernt, aber wissenschaftlich betrachtet nicht unbedingt so richtig ist.

Und auch später würde ich die relativ offene Tang Dynastie nicht gleichsetzen mit der Ming oder Qing Zeit. Letztere war besonders spannend, weil es dort eben den Kontakt mit dem mittlerweile überlegenem Westen gab und innerchinesisch Reformen begannen, teils aber nicht erfolgreich, letztendlich mit der Revolution 1911/12 aber schon. Und die war ja auch ideologisch geprägt. Genau wie die Kommunistische anschließend.

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>>>Inwieweit ist die Gesellschaft hierarchieorientiert? Wie sieht es mit der Bildung der großen Landbevölkerung aus? etc. Wie gesagt, dass Thema ist eigentlich viel zu komplex und das Beispiel Afrika zeigt deutlich, dass das einfache Überstülpen unserer Errungenschaften so nicht funktioniert.
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>>Das ist doch dass, was ich gesagt habe. Die Gesellschaft ist hierarchieorientiert, weil die KPCh das wieder aufgestülpt hat. Wir reden hier übrigens vom überstülpen einer ursprünglich westlichen Idee (Kommunismus, Leninismus)
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>> Es braucht einen Weg dahin, der von den Menschen selbst kommen muss. Die haben aber gerade an dem Punkt anscheinend null Interesse (wenn es nicht ihren Wohlstand betrifft).
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>>Und genau in diese Richtung ging es doch in den 80er Jahren. Man hat sich mit sich auseinandergesetzt, man hat weiter gedacht, wieviel "verwestlichung" will man? (Literaturtip hierzu: Die Sache mit dem Reisbrei, von Wang Meng). Und auch Demokratie war da ein Thema. Nur wurde das ja nach Tiananmen zunächst erstmal beendet und Wirtschaftswachstum als Nationalziel gesetzt. Kommunismus als Idee war ja längst tot.
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>>>Aber klar, wäre die Geschichte ab 1949 anders verlaufen, wer weiß wie es heute aussehen würde. Nützt uns nur in der aktuellen Situation nichts, weil China eben da ist wo China ist.
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>>Naja, so ein bisschen kan man da ja schon nach Taiwan schauen. 100%ig chinesische Kultur, auch 1949 aus einer Diktatur gestartet, eher mit Wirtschaftswachstum angefangen, dann hat sich eine Zivilgesellschaft gebildet, man hat von innen das Land politisch geöffnet, mittlerweile eine gefestigte Demokratie mit friedlichen Machtwechseln.
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>Wobei man da auch nicht die Anfänge vergessen darf. Die Kuomintang und ihre Rolle in China sollte man da schon auch kritisch betrachten, um das Ganze auch bzgl. der KPCh einordnen zu können.
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>>>Und weil du Hong Kong ansprichst. Diese Stadt hatte schon immer einen Sonderstatus. Der europäische Einfluss reicht hier hunderte Jahre zurück. Und auch in HK hat es während der Besatzungszeit keine freien Wahlen gegeben.
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>>Ja, natürlich kann man Hongkong überhaupt nicht vergleichen. Hongkong ist eine westliche Stadt, die vorher ja gar nicht existierte. Nur dass es dort neben Menschen aus aller Welt halt viele ethnische Chinesen gibt. Und doch, es gab Wahlen, die wurden, natürlich auch viel zu spät, aber noch unter britischer Zeit erst auf sehr lokaler Ebene eingeführt und bis in die 90er Jahre rein immer weiter vergrößert. Was aber funktionierte war der Rechtsstaat, allerspätestens nach der Gründung der ICAC. Auch davon ist man ja in China noch weit entfernt.
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>Bzgl. Hongkong und Rechtsstaat hier mal ein interessanter ziemlich langer Text:
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>[https://www.nachdenkseiten.de/?p=54420]
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Ich hab das gerade mal gelesen, ....  das ist so schwarz/weiss reisserisch geschrieben, sorry, das kann ich nicht ernst nehmen. Ganz übler Text. Allein der Teil dass China ein Rechtsstaat sein will und der Westen das ja nicht will.
Zudem hat der Autor wohl nicht verstanden, dass es bei China um 法治 im Sinne von Rule by law, nicht rule of law geht.
 



>>Kurzfassung meiner Gedanken (ich finde den Abtausch hier übrigens sehr schön und hoffentlich auch erhellend für Mitleser, da wir uns beide ja recht gut mit China auskennen, aber oft sehr unterschiedliche Meinungen haben.)
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>Finde den Austausch auch immer gut. Muss ich einfach mal sagen!
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>>Eine Demokratie auf China zu stülpen ist aktuell unmöglich, weil dafür die Basis fehlt. Die KPCh hat nach 1978 einige Barrieren entfernt, die es der oft hart arbeitenden chinesischen Bevölkerung ermöglicht hat, sich selbst aus ihrem Elend (ich weiß, hartes Wort) zu befreien, durch harte Arbeit und viel Fokus auf Bildung. Da waren auch einige gute wirtschaftliche Entscheidungen dabei, ganz klar. Dennoch hat man es im Laufe der Zeit nicht geschafft, sich von einer reinen Geld-orientierten Gesellschaft zu einer Zivilgesellschaft zu entwickeln. Und dabei sehe ich die Schuld in der KPCh. Und in den letzten Jahren unter Xi hat sich China, was individuelle Freiheiten angeht, eher zurück entwickelt, dabei hat sich aber die Propaganda und die Einmischung des Staates in das Privatleben wieder verstärkt, nachdem es bis 2008 immer mehr Rückzug des Staates gab.
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>Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Bei uns war die Hoffnung über den Wechsel in 2013 noch groß. Leider hat sich das dann im Laufe der Jahre alles etwas in die falsche Richtung entwickelt.


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