Thema:
Re:You‘ve come a long way, China... flat
Autor: Hattori Hanzo
Datum:30.09.19 16:57
Antwort auf:Re:You‘ve come a long way, China... von chifan

>>>>>Mit Perspektive bezog ich mich auf die Menschen vor Ort. Den meisten ist Politik halt völlig Latte, sofern es nicht ihren Wohlstand betrifft. Und auch hier sollte man sich fragen, wie lange wir hin zu einer Demokratie gebraucht haben. Es reicht ja nicht aus einfach das System zu ändern, sondern die Menschen müssen reif dafür sein.
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>>>>Und Chinesen sind dafür weniger "reif" als Taiwanesen? Oder Hong-Kong-Chinesen?
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>>>Ich glaube dass es sehr wohl sehr große Unterschiede in der gesellschaftlichen Entwicklung gibt und gab. Hinzu kommen ganz andere Wohlstands- und Größenverhältnisse. Wie gesagt, schau einfach mal nach Afrika. Meinst du echt dass es den Leuten da jetzt besser geht?
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>>Ja, aber das ist doch schuld der KPCh. Sie lässt keine Zivilgesellschaft zu, das Bildungssystem ist für eine Demokratie zu schlecht, es gibt keine freien Medien, etc.
>>Natürlich würde das jetzt von heute auf morgen nicht gehen. Aber in Hk und Taiwan hat man früh genug die richtigen weichen gestellt.
>>Du argumentierst da schon genauso wie chinesische Schüler es vorgekaut bekommen.
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>Das ist mir etwas zu vereinfacht. Schaue dir mal die Entwicklung in Europa und China an. In wie weit war die Geschichte Europas geprägt von Aufständen und Revolutionen. Wie sah es dagegen in China aus, wo eine Dynastie durch die andere ersetzt wurde.


Aufstände und Revolutionen gab es doch sowohl in Europa als auch in China ohne Ende. Ist also eher ähnlich. Gerade die Zeit nach dem Opiumkrieg zeigt doch deutlich, dass sich die Bevölkerung gegen das starre System gewehrt hat, sich verändern wollte (Selbsstärkungsbewegung etc), was ja auch letztendlich zur Xinhai Revolution geführt hat.

Inwieweit ist die Gesellschaft hierarchieorientiert? Wie sieht es mit der Bildung der großen Landbevölkerung aus? etc. Wie gesagt, dass Thema ist eigentlich viel zu komplex und das Beispiel Afrika zeigt deutlich, dass das einfache Überstülpen unserer Errungenschaften so nicht funktioniert.

Das ist doch dass, was ich gesagt habe. Die Gesellschaft ist hierarchieorientiert, weil die KPCh das wieder aufgestülpt hat. Wir reden hier übrigens vom überstülpen einer ursprünglich westlichen Idee (Kommunismus, Leninismus)

Es braucht einen Weg dahin, der von den Menschen selbst kommen muss. Die haben aber gerade an dem Punkt anscheinend null Interesse (wenn es nicht ihren Wohlstand betrifft).

Und genau in diese Richtung ging es doch in den 80er Jahren. Man hat sich mit sich auseinandergesetzt, man hat weiter gedacht, wieviel "verwestlichung" will man? (Literaturtip hierzu: Die Sache mit dem Reisbrei, von Wang Meng). Und auch Demokratie war da ein Thema. Nur wurde das ja nach Tiananmen zunächst erstmal beendet und Wirtschaftswachstum als Nationalziel gesetzt. Kommunismus als Idee war ja längst tot.

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>Aber klar, wäre die Geschichte ab 1949 anders verlaufen, wer weiß wie es heute aussehen würde. Nützt uns nur in der aktuellen Situation nichts, weil China eben da ist wo China ist.


Naja, so ein bisschen kan man da ja schon nach Taiwan schauen. 100%ig chinesische Kultur, auch 1949 aus einer Diktatur gestartet, eher mit Wirtschaftswachstum angefangen, dann hat sich eine Zivilgesellschaft gebildet, man hat von innen das Land politisch geöffnet, mittlerweile eine gefestigte Demokratie mit friedlichen Machtwechseln.

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>Und weil du Hong Kong ansprichst. Diese Stadt hatte schon immer einen Sonderstatus. Der europäische Einfluss reicht hier hunderte Jahre zurück. Und auch in HK hat es während der Besatzungszeit keine freien Wahlen gegeben.


Ja, natürlich kann man Hongkong überhaupt nicht vergleichen. Hongkong ist eine westliche Stadt, die vorher ja gar nicht existierte. Nur dass es dort neben Menschen aus aller Welt halt viele ethnische Chinesen gibt. Und doch, es gab Wahlen, die wurden, natürlich auch viel zu spät, aber noch unter britischer Zeit erst auf sehr lokaler Ebene eingeführt und bis in die 90er Jahre rein immer weiter vergrößert. Was aber funktionierte war der Rechtsstaat, allerspätestens nach der Gründung der ICAC. Auch davon ist man ja in China noch weit entfernt.


Kurzfassung meiner Gedanken (ich finde den Abtausch hier übrigens sehr schön und hoffentlich auch erhellend für Mitleser, da wir uns beide ja recht gut mit China auskennen, aber oft sehr unterschiedliche Meinungen haben.)

Eine Demokratie auf China zu stülpen ist aktuell unmöglich, weil dafür die Basis fehlt. Die KPCh hat nach 1978 einige Barrieren entfernt, die es der oft hart arbeitenden chinesischen Bevölkerung ermöglicht hat, sich selbst aus ihrem Elend (ich weiß, hartes Wort) zu befreien, durch harte Arbeit und viel Fokus auf Bildung. Da waren auch einige gute wirtschaftliche Entscheidungen dabei, ganz klar. Dennoch hat man es im Laufe der Zeit nicht geschafft, sich von einer reinen Geld-orientierten Gesellschaft zu einer Zivilgesellschaft zu entwickeln. Und dabei sehe ich die Schuld in der KPCh. Und in den letzten Jahren unter Xi hat sich China, was individuelle Freiheiten angeht, eher zurück entwickelt, dabei hat sich aber die Propaganda und die Einmischung des Staates in das Privatleben wieder verstärkt, nachdem es bis 2008 immer mehr Rückzug des Staates gab.


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