Thema:
Re:Die unbequeme Wahrheit [tl;dr] flat
Autor: token
Datum:24.09.19 13:23
Antwort auf:Re:Die unbequeme Wahrheit [tl;dr] von Pezking

>>Man kann aus Kapitalismus und Demokratie viel lernen. Kapitalismus zeigt uns mächtige Triebfedern auf mit Egoismus und Gier, dies kann man nutzen, man muss diese Gier aber auf echtes Glück und nicht falsches und nicht aufgehendes Glück kanalisieren.
>>Demokratie ist gut, Freiheit ist Menschen wichtig und ein wertvolles Gut, aber ein Staat muss in erster Linie seinen Bürgern und nicht der Industrie unterstellt sein und sich letztlich seine Autonomie wahren.
>
>Ja, und die soziale Marktwirtschaft ist IMO bereits die Folge aus diesen Lehren, die bereits in krassem Gegensatz zu dem Kapitalismus steht, der z.B. in den USA betrieben wird.
>

Das stimmt. Was aber auch stimmt, ist, dass wir uns seit 20 Jahren sukzessive dem amerikanischen Modell nähern statt das eigene Modell auszubauen und dort zu flicken wo es nicht funktioniert hat. Soziale Absicherung ist spitz auf Knopf auf Grundversorgung heruntergefahren. In der Gesundheitsvorsorge ist die Privatvorsorge mittlerweile eine eigene Schiene die das ganze System mitträgt, Zusatzleistungen die mal Grundleistungen waren werden über private Zusatzversicherungen bedient. Die Altersvorsorge wurde zu einem Teil auch auf Privatvorsorge gemünzt.
Hier gab es einerseits Mehrbelastungen die der Eigenverantwortung untergejubelt wurden, gleichzeitig ist das Versorgungsniveau an allen Fronten auf einen besorgniserregenden Zustand errodiert.
Das mag aus amerikanischer Perspektive immer noch revolutionär ausschauen, wenn man sieht wo wir herkommen und wo wir sukzessive hinsteuern, dann wird das "sozial" in der Markwirtschaft zunehmend zur Makulatur.

>Aus dieser Idee wurde bereits in der Praxis ein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Leitbild. Man muss nur noch deutlich mehr (ziemlich große) Schritte weiter auf diesem Weg beschreiten.
>

Wie gesagt, wir gehen aktuell rückwärts.
Zudem ist die Klimakrise ein echter Bock. Es wäre bspw. denkbar weiter auf Wachstum zu setzen, die Verwaltung rüchzubauen, sunk costs aus der Verwaltung in Sozialsysteme zu schichten, und dort wieder Kapital und Jobs zu generieren. Die Kapitalerzeuger müssten sich damit arrangieren können, denn das wäre das Spiel, linke Tasche, rechte Tasche, für sie würde sich im Grunde nichts ändern. Aber ihre Kapitalerzeugung fußt nun mal auf Wachstum. Und diesen können wir uns nicht mehr leisten. Zudem, der Überfluss an Kapital der unseren Wohlstand unterfüttert basiert zu weiten Teilen auch auf Ausbeutung.

Insofern steht man hinsichtlich solcher Probleme schon vor einer beeindruckend steilen Wand die mit konservativer Evolution des bestehenden Systems nicht mehr zu erklimmen ist.

>Die Politik hat bereits genug Werkzeuge in der Hand, um klimafeindliche Interessen der Wirtschaft weiter in die Schranken weisen zu können.
>
>Wir brauchen keine Revolution. Wir brauchen "nur" noch Politiker, die das auch mit aller Konsequenz tun wollen. Möglich ist das in unserer aktuellen Staatsform allemal. Und wir brauchen genug Bürgerinnen und Bürger, die diese Politiker auch tatsächlich wählen.
>
>Und vor allem dürfen wir uns nicht einreden, dass die Demokratie potenziell dem Fortbestand der Menschhein im Wege steht.
>
>Wenn wir irgendetwas auf gar keinen Fall schwächen dürfen, dann die Demokratie.


Den letzten Satz unterschreibe ich. Demokratie ist nicht der Fehler im System. Demokratie ist auch nicht integral verwoben mit Turbokapitalismus. So wie Turbokapitalismus nachweislich auch wunderbar mit undemokratischen Systemen harmoniert, so ist Demokratie auch ohne so ein Wirtschaftsvehikel möglich.


< antworten >