Thema:
Mein Sternenkind flat
Autor: Shigeru
Datum:10.09.19 15:25
Antwort auf:Was ich noch sagen wollte #246 von Bandit

Jetzt – fast drei Wochen später – kann ich endlich was schreiben ohne dass es zu sehr schmerzt.

Meine Frau und ich wünschen uns Kinder. Leider sollte es einfach nicht klappen.

Durch Zufall hat man bei meiner Frau eine fehlerhafte Schilddrüsenfunktion festgestellt. Daraus resultieren ist  ein gewisser Wert zu hoch aber gerade noch so im Rahmen wäre.

Meine Frau befragte Google und erfuhr, dass wenn man schwanger werden möchte, dieser Wert massiv zu hoch sei. Daher sprach Sie ihre Frauenärztin daraufhin an. Die machte einen Bluttest und es stellte sich heraus, dass nicht nur der Wert der Schilddrüse eine Schwangerschaft verhinderte. Auch andere Werte waren falsch, so dass uns ein Besuch in einer Kinderwunschklinik angeraten wurde.

Also gingen wir diesen Weg. Auch hier wurden wieder verschiedene Tests gemacht und nach kurzer Zeit stand das Ergebnis fest. Kinder zu bekommen sollte möglich sein evtl. müsste man etwas nachhelfen. Nachdem dann alle Werte eingestellt waren – die Magie der Klinik wirkte – wurde meine Frau schwanger.

Die Freude war groß und es war verdammt schwer es nicht gleich jedem zu erzählen. Wenigsten die ersten 12 Woche sollten und wollten wir warten. Zwischendurch durften wir das Herzchen schlagen hören und die ersten Bilder sehen. Auch wenn man nichts erkennt, aber der Moment war einfach überwältigend. Endlich erzählten wir es der Familie und den Freunden und auch hier war die Freude überall riesig.

Dann endlich kam der Termin mit dem großen Ultraschall. Die Organe sollten vermessen werden und mit ein wenig Glück sollten wir erfahren ob wir einen Jungen oder ein Mädchen erwarten durften.

Leider konnte der Arzt hier nicht viel messen, da das Kind etwas klein war. Man sprach von 2-3 Wochen hinter der Entwicklung zurück. Wir sollten uns keine Sorgen machen, das könne wirklich auch normal sein. Es gäbe immer Phasen in denen die Kinder auch mal schneller wachsen und so könne das in einer oder zwei Wochen wieder ganz anders aussehen. Aber man verwies uns an einen Spezialisten der sich das Kind nochmal genau ansehen solle.

Hier stellte man dann leider fest, dass unser Kind diverse Fehlbildungen hat und es nicht lebensfähig ist. Selbst wenn das Kind die Schwangerschaft überleben sollte und normal zur Welt kommen würde, könne man das Baby nur noch die wenigen Stunden palliativ betreuen.

Man hat uns zudem an die Uniklinik verwiesen um eine zweite Meinung einzuholen. Auch hier wurde diese Diagnose bestätigt und erweitert. Zum Wohle für Kind und Mutter riet man uns bei beiden Ärzten unabhängig voneinander zum Abbruch. Da wir einen ähnlichen Fall in unserem engeren Umfeld kennen, bei dem die Trauerbewältigung nie stattfand und wir uns davor schützen wollten gingen wir den Weg des Abbruchs.

Das Kind musste auf natürlichem Weg auf die Welt kommen, der einzige Unterschied war, das unser Kind nur ca. 200g statt >3000g groß war. Es wurden die Medikamente zur Geburtseinleitung verabreicht und es dauerte fast vier Tage bis unser Kind Tod geboren wurde. Das waren wohl die emotionalsten, intensivsten und anstrengendsten Tage an die ich mich erinnern kann.

Mittlerweile wissen wir, dass ein extrem seltener Chromosomdefekt bei unserem Kind vorlag. Wie wir nun wissen, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass dieser Defekt bei einer weiteren Schwangerschaft erneut auftritt. Trotzdem werden unsere Chromosomen auf einen möglichen vererbbaren Defekt und deren Wahrscheinlichkeit hin untersucht. Das Ergebnis dürfen wir ins ca. 3 Monaten erwarten.

Familie und Freunde stehen uns bei. Eine psychologische Betreuung haben wir erstmal abgelehnt. Ich gehe wieder voll arbeite bin daher fast im Alltag angekommen. Meiner Frau geht das natürlich alles viel näher, immerhin hat Sie das Kind in ihrem Leib wachsen gespürt. Wir reden viel darüber und freuen uns auch erstmal jetzt auf unseren Urlaub der demnächst ansteht.

Die genetische Beratung die wir hatten brachte Trost und Mut zugleich. Trost, weil man uns erklärte, dass es leider einfach nur Pech war. Keiner von uns kann etwas dafür, wir hätten auch nichts ändern oder vermeiden können. Mut, weil dieser Defekt so unglaublich selten auftritt. Wir warten aber definitiv auf das Ergebnis unseres Chromosomen-Tests ab bevor wir eine weitere Schwangerschaft angehen.

Erstaunlich ist, wie oft andere Familien Fehlgeburten durchleben mussten bzw. wie oft so etwas vorkommt. Gerade in den letzten Tagen haben sich einige Freunde und Bekannte uns gegenüber geöffnet – wohl auch weil wir hier ganz offen damit umgehen bzw. auch umgehen mussten.

Auch wenn ich meistens hier nur mitlese und nur selten schreibe, tut es gut sich den ganzen Ballast mal von der Seele zu schreiben.


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