Thema:
Re:Zeit: "Die Millionen, die gingen" flat
Autor: _bla_
Datum:08.09.19 13:06
Antwort auf:Re:Zeit: "Die Millionen, die gingen" von Transistor

>>War es Matt oder so, der das sinngemäß auf "die Dummen bleiben zurück" verkürzt hat!?
>>Natürlich trifft das nicht auf die Universitätsstädte zu oder die Leuchttürme der Industrie, die im Osten absolut vorhanden sind.
>
>Ich halte diese Aussage auch weiterhin für falsch und gegen jede Logik.
>
>In Gebieten in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist können die Arbeitgeber den besten Kandidaten unter zig Bewerbungen aussuchen. Das führt dazu, dass Stellen eher überqualifiziert besetzt werden. Es gab hier Zeiten wo man ohne Abitur Probleme hatte überhaupt eine Lehrstelle zu finden.


Nur ist eine solche Stelle für den überqualifizierten Kandidaten ja auch alles andere als toll. Er arbeitet unter seiner Qualifikation und wird zusätzlich gleich doppelt schlechter bezahlt: Einerseits weil die Stelle halt nach der eigentlich notwendigen Qualifikation bezahlt wird, andererseits weil es so viele Bewerber gibt, das der Arbeitgeber den Lohn drückt. Da ziehen dann viele lieber weg, als so eine Stelle zu nehmen. Gleichzeitig hast du viele Stellen, die immer an Leute mit niedriger bis mittlerer Qualifikation gehen werden. Sachen wie Kassier im Supermarkt, Stadtreinigung oder Busfahrer gibt es halt überall und sie werden vom Staat und der dort wohnende Bevölkerung finanziert, auch wenn die zu erheblichen Teilen von Renten und anderen Transferleistungen leben.


>Diejenigen die sich bei dieser deutlich verschärften Auswahl nicht durchsetzen konnten sind dann in Regionen gegangen wo der Arbeitsmarkt besser aussah (sprich: Westdeutschland), wenn sie mobil waren.

Es ist eben nicht nur verschärfte Auswahl, sondern eben auch das es für gewisse Qualifikationsniveaus nahezu gar keine angemessenen lokalen Jobs gibt. Und selbst wenn es Jobs gibt, wird es häufig Faktoren geben, die besonders bei gebildeten Menschen wirksam werden. Das es kaum Kultureinrichtungen oder schicke Restaurants gibt, stört halt weniger, wenn man eh keine Lust auf Museen und ähnliches hat oder keine Kaufkraft vorhanden ist, um häufiger aus Haus zu essen. Und die Ärztin, die leicht einen Job gefunden hätte, kommt halt nach dem Studium nicht wieder, wenn ihr Mann der Wirtschaftsjurist nichts findet.
Gleichzeitig sind gerade die Geringqualifizierten meistens nicht mobil. 14% der Bevölkerung gelten als funktionale Analphabeten, können also auch einfache Texte nicht richtig verstehen. Der Anteil der Bevölkerung, der zwar den Großteil des Alltagslebens alleine hinbekommt, aber für einige Aspekte des Lebens auf Hilfe ihres sozialen Netzwerks angewiesen sind. Da fehlt dann auch die Mobilität. Ein Job finden ginge wohl noch, aber in einer fremden Stadt ohne fremde Hilfe bei angespannten Wohnungsmarkt eine Wohnung finden, einen Umzug organisieren, Behördengänge, etc. das wäre eine Überforderung.

Und natürlich trifft das nicht auf alle zu. Es geht effektiv doch nur um die Statistik. Natürlich gibt es auch die Hochqualifizierten, die bei fehlenden Jobs in der Region bleiben und selbst ein Unternehmen gründen, etc. Aber insgesamt ist die wirtschaftliche Situation auf dem Land halt immer noch schwierig.

   
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