Thema:
Ja ist es flat
Autor: king_erni
Datum:02.09.19 16:58
Antwort auf:Ist das wirklich schon wieder so krass? von Doc Ower

Mal in Kurzform, was den beiden in den letzten drei Jahren in Frankfurt passiert ist:

- beide Tragen öffentlich nur noch an Feier- und Festtagen eine Kippa, da sie dafür mehrfach beleidigt/angespuckt wurden sind.
- permanenter, latenter Alltags-Rassismus von Arbeitskollegen, oder Alltagsbegegnungen wie z.B. "Ah, sie arbeiten bei einer Bank? Na das liegt als Jude ja auch sehr nahe, die können ja mit Geld."
- beide Kinder haben aus ihrer religiöser Prägung nie einen großen Hehl gemacht, als sie es dennoch im Geschichtsunterricht einmal taten, wurden sie von mehreren Mitschülern als "Opfer-Kinder" beschimpft.
- die jüdische Gemeinde in Frankfurt erfährt immer mehr Hass in Form von Drohmails, kleineren Schickanen oder leichtem Vanaldismus an ihren Hauswänden.
- dass große Teile der AfD sowie der neuen europäischen Rechten den Holocaust leugnen und von einer jüdisch, zionistischen Weltverschwörung mit Geheimregierungen und Geheimbünden schwadronieren, sollte auch jedem, der sich mit politischer und religiöser Verfolgung beschäftigt, klar sein.
- Meine Tante hat an einem öffentlichen deutschen Gymnasium Deutsch und Mathematik gelehrt. Als letztes Jahr ein Elternteil im Gespräch mitbekam, dass sie jüdischen Glaubens ist, stellte man doch tatsächlich ihre Eignung als Deutsch-Lehrerin in Frage, Mathe hingegen sei kein Problem, denn, so weiter die Begründung der Eltern, Juden können ja gut mit Zahlen und so. Das war sechs Monate vor ihrer Pensionierung, sie sollte daraufhin die Klasse, wo sie den Deutschunterricht für das Kind dieser Eltern hielt, abgeben. Als sie sich weigerte konnte nur der Schulelternbeirat eben diese Eltern davon überzeugen, dass das so alles seine Richtigkeit hätte. Der zuständige Oberstufenkoordinator wollte diesen Weg aber erst garnicht gehen, da es ihm zu riskant war.

Beide sind jetzt in Rente/Pension und wollen einfach nur noch weg, das Wahlergebnis Sachsens und Brandeburgs hat sie darin nur noch einmal erneut bestätigt. Ich finde es schade, da es zwei sehr liebe, weltgewandte und komplett tolerant, entspannt religiöse Menschen sind, die viel für ihre Gemeinde getan haben und mit ihrem Wegzug auch viele Kontakte und Freunde hinter sich lassen werden. Besonders schade ist es für ihre Kinder, da diese noch an Deutschland gebunden sind, und so ihre Eltern selbst ihre Enkelkinder nur sehr spärlich beim Aufwachsen mitbekommen werden. Aber die Angst sitzt tief wieder irgendwo hin depotiert und vergast zu werden. Mag manch einer als irreal ansehen und das ist er sicherlich auch, aber wenn man nachts nicht mehr schlafen kann und das politisch, gesellschaftliche Klima stets rauer und ungemütlicher wird, dann sollte man wirklich über einen drastischen Tapeten-Wechsel nachdenken.


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