Thema:
Re:Man kann hier über manche Themen nicht diskutieren flat
Autor: peppi
Datum:29.07.19 20:44
Antwort auf:Re:Man kann hier über manche Themen nicht diskutieren von DJS

>Ganz ehrlich: nicht alles. Aber es wird stimmen was Du sagst, weil sie ziemlich von den Rechten gefeiert wird afaik.

Sie wird gefeiert, weil man mit ihr Authentizität gewinnt. Oder zu gewinnen meint.

>Aber es geht mir da um ihre Geschichte. Ich denke, dass man es ihr abnehmen kann, dass sie nicht voreingenommen war.
>
>[https://www.tagesspiegel.de/berlin/helles-deutschland-tanzen-mit-fluechtlingen/12324886.html]
>
>Fakt ist: irgendwas ist passiert, dass sie so wurde wie sie jetzt ist. Man kann ihr imo nicht wirklich vorwerfen, dass sie ausländerfeindlich oder sonst was ist. Ihre Erfahrungen haben sie einfach verändert.


Linke, die sich ins recht Lager geschlagen haben, gab und gibt es immer wieder. Und doch: sie argumentiert rassistisch (relativ strukturiert sogar!), das macht sie zur Rassistin, zur Ausländerfeindin. Zu was sonst?

Was ich ihr nicht absprechen würde sind die Erfahrungen, die sie dazu gemacht hat. Ihr Schlussfolgerungen sind allerdings ein Problem. Ihre Argumentation führt, wie bei den meisten, die sich auf diesen Seiten tummeln, zum großen, geplanten Austausch.

[https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Austausch]

>Ich weiß nicht was Du genau machst. Ich glaub Dir natürlich auch, dass Du andere Erfahrungen gemacht hast. Warum sollen diese Frauen aber lügen? Warum sollen viele meiner Bekannten lügen? Warum soll ich lügen btw?

Momentan arbeite ich hauptamtlich in einer sog. Übergangsunterkunft für Geflüchtete. Und auch ich mache negative Erfahrungen: werde angelogen, manipuliert, und benutzt. In den allermeisten Fällen aber, mache ich das den Personen nicht zum Vorwurf: ich lerne Folteropfer kennen, die sich seit Jahren irgendwie durchschlagen; traumatisierte Personen, die während eines Gespräches vom Stuhl fallen; Personen, die vor mir sitzen und mich nach einem Weg fragen, ihre Mutter noch einmal im Leben zu sehen, weil die schwerkrank am anderen Ende der Welt im Sterben liegt. Dabei leben sie auf engstem Raum beieinander, kaum Privatsphäre, seit Jahren. Viele sind dabei, die auf ihrem Weg gelernt haben, das Hauen und Stechen die einzig wirksamen Überlebensstrategien sind.

Ich sags mal so: ich habe tagtäglich mit Leuten zu tun, die diese Jobs zum größten Teil machen, weil sie sie wichtig finden, und weil ihnen unglaublich viel Anerkennung zu teil wird. Von Menschen, innerhalb dieser Unterkünfte, außerhalb eigentlich nicht. Materiell auch nicht, btw.

- Edit: Ein Problem am "unbegleiteten" Ehrenamt sehe ich darin (und diese Frau auf dem Video erzählt, dass sie "das alles" ganz allein "gestemmt" hat), dass Leute sich oft rein stürzen und keine Professionellen an der Seite haben, die einschätzen, auffangen, einordnen und Handlungsoptionen aufzeigen. Die ihnen bspw. sagen, darauf geht die Frau im Video auch ein (hab jetzt nochmal reingeschaut), dass sie um Himmels Willen nicht mit Dankbarkeit rechnen sollen. Deswegen darf ich das nicht machen. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert, so schräg sich das anhört.

Meine Freundin hat 2016 in Athen studiert und sich am Hafen von Piräus um Leute gekümmert, die gerade übers Mittelmeer gekommen sind. Mit einer Familie aus Syrien hat sie sogar heute noch Kontakt. Dort hat sie einfach mal das gemacht, was so anfiel. Mal hier einen Abend verbracht, diese Person zur dt. Botschaft begleitet, hier ein Papier ausgefüllt o. Ä. Sie hat sich in der Zeit mit einem minderjährigen Jungen "angefreundet", der ganz allein war. Keine Familie, keine Gruppe, nix. Mitleid war auf jeden Fall ein Ding. Ist dann am Abend doch mal länger da geblieben. Hat irgendwas vorbei gebracht usw. Als sie dann mehr Zeit für die Uni aufbringen musste und nicht mehr regelmäßig dort war, hat der Junge, voller Verlustängste, angefangen sich selbst zu verletzen und ihr Fotos von aufgeschlitzten Armen geschickt. Ich glaube, dass sie das heute noch verfolgt. Wäre sie nicht allein gewesen, hätte ihr vielleicht mal wer gesagt, dass Grenzen wichtig sind. Dass die Beziehung klar sein muss. Dass sie keine Mutter, Schwester oder Geliebte ist. -

Ich will Rebecca Sommer - deinem Umfeld, dir - die Erfahrungen nicht absprechen. Die Schlüsse, die die Frau zieht (und die du so wohl nicht ziehst), sind allerdings eine Katastrophe und in ihrer Konsequenz menschenverachtend und gefährlich: es gibt keinen Plan des großen Austauschs. Es gibt keine Gehirnwäsche. Was es gibt sind Missbrauch, Krieg, Tot, Folter, Verlust, Ausbeutung, Trauma. Und die Folgen, die der Scheiß mit sich bringt. Es wird auch nichts verschwiegen. Wenn ich oder meine Kolleg*innen bedroht werden, und ja, das werden wir, dann holen wir die Cops. Wie alle anderen auch.

Ich hab in meinem Leben noch nie mit einer wirklich rechtsaußen stehenden Person zu tun gehabt. Was ich aber kenne, sind Vorurteile, die auf Angst und Unwissen beruhen. Darauf stoße ich zum größten Teil in der Familie. Da wir uns noch nicht aufgelöst oder den Krieg erklärt haben, kann ich in den meisten Fällen dafür sorgen, dass Diskussionen relativ gut aufgelöst werden. Und damit will ich mir keineswegs auf die Schulter klopfen. Ich fahre oft nachdenklich nachhause, weil mein Bruder wieder Scheiße von sich gegeben hat (wir sind ne riesige Familie, wie zum Teufel bin ich jetzt hierher gekommen :)!?)

Ein Beispiel: Einer meiner Brüder ließ mal auf einer Geburtstagsfeier fallen, dass er einfach nicht wisse und sich schon öfter gefragt habe, was die ganzen Leute aus der Türkei hier eigentlich wollen. Ich erwiderte dann, dass die, die er wohl meint, Deutsche sein dürften, deren Eltern (und deren Eltern usw.) Mitte des letzten Jahrhunderts als sog. Gastarbeiter*innen nach Deutschland gezogen sind. Und dass die U-Bahn, die fast täglich fährt, ohne die Muskelkraft dieser Leute nicht gebaut worden wäre. Und er so: "Wie?" Und ich: "Was wie!?" Mir ist die Kinnlade runtergefallen. Er hat noch NIE von Gastarbeiter*innen gehört.

Wenn ich das nicht weiß, kann ich ganz schnell auf ganz schrägen Wegen rumturnen. Okay, sry, blabla.

>Du hast Deinen Job gemacht, ich wäre aber auch enttäuscht wenn nicht. :) Ich hab vor meinem Posting auch etwas gegoogelt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass die rechten Seiten einfach die Beiträge von Sommer usw. einfach für sich und ihre Propaganda nutzen. Eine direkte Verbindung sehe ich da nicht. Für die Basisinitiative hat übrigens auch eine Bekannte von mir geschrieben und ich versichere Dir, dass sie so weit von rechts entfernt ist wie es nur geht. Aber auch sie hat eben sehr negative Erfahrungen gemacht für die nun wirklich nichts kann.

Hm. Näää, sry, die hat Interviews gegeben. Und zur Basisinitiative: grmpf, nix gegen deine Bekannte, aber was Frau Sommer da schreibt, ist halt echt sowas:

Somit wird sowohl mit dem Flüchtlings- als auch mit dem Migrationspakt eine bewusst gesteuerte Aufweichung unserer Souveränität durchgesetzt und damit die uns zustehende Selbstbestimmung von einer von außen vorgenommenen Fremdbestimmung abgelöst.


[https://basisinitiative.wordpress.com/2018/12/04/rebecca-sommer-eine-dringende-warnung-ausfuhrungen-zur-annahme-des-migrations-und-fluchtlingspaktes-in-marrakesch/]


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