Thema:
Re:Zu kompliziert, zu chinesisch flat
Autor: Sockenpapst
Datum:08.07.19 22:11
Antwort auf:Re:Zu kompliziert, zu chinesisch von token

>Nicht dass es das MUSS, sondern dass es hilfreich wäre den ganzen Themenblock von der Kommunismusschiene runter zu bekommen. Und dass man da Spielräume hätte um das was geleistet werden muss weniger unsexy zu machen.
>

Egal wie man es dreht und wendet: Spielräume (auch wenn ich mich mit dem Beschwören eines so abstrakt-mystischen Potentials zugegebenermaßen immer schwer tue) sind das eine, sie werden aber keineswegs ausreichen, um irgend eines der realistisch überhaupt noch erreichbaren Klimaziele zu verwirklichen. Und erforderliche Verbote, direkte oder indirekte Steuern sexy machen? Bei echten Gewinnern und Verlierern? Na dann.

>Es gibt etwa abseits von Kühlgeräten wenige Standby-Modi die wirklich Not tun. Hier kann man mit entsprechenden Steckdosen Abhilfe schaffen, mit Zeitplänen, oder mit Verhaltensänderungen wie hartem Shutdown. Industrie kann man auch mehr in die Pflicht nehmen, mal als uns allen bekanntes Beispiel etwa die XOne mit hohem Verbrauchswert im Idle und gleichzeitig künstlichen Hürden für den vollständigen Shutdown. Als EIN Fallbeispiel. Kindern konsequent beibringen Licht nur dort zu verwenden wo es gebraucht wird. Alles Dinge die den meisten Leuten irgendwie und irgendwo bekannt sind, die aber nicht konzentriert angegangen werden.
>

Ich mag ein Zyniker sein, aber diese Lerneffekte kriegt man entweder durch Aufklärung rund um die Uhr, Blaming & Shaming im großen Stil und Appelle an das Gute im Menschen, oder einfach durch eine Verdreifachung des Strompreises.  
Ich weiß, welche Variante ich für effektiver halte.

>Eine Art Cloudgame. Als Schnappsidee deren grundlegender Gedanke nicht die konkrete Umsetzung in diesem Einzelfall ist, sondern eben Marketing für die Sache, Aufklärung und kreativer Angang um das Projekt als solches aus seiner mormonischen Biederkeit zu befreien.

Ich frage deshalb nach konkreten Beispielen, weil ich die messbaren Auswirkungen dieses angestrebten Bewusstseinswandels auch in Summe für viel zu gering halte. Kurz- und mittelfristig sowieso, aber auch hinsichtlich seiner Qualität im globalen Maßstab. Und wenn es dann an's Eingemachte - bspw. die Zustimmung zu einer tatsächlich wirksamen (!) CO2-Steuer ohne Kompensationen - geht, dann... Nun, ich bin kein Optimist.

>Das Ding ist auch, wer Energie verschwendet tut das doch in der Regel weil er gar nicht wahr nimmt dass er das tut weil er nicht darüber nachdenkt. Ich als Raucher hab mir auch nie gedacht, muahahahahaha, tankt euch meinen Gestank, ich war einfach betriebsblind wo es sich wie stark bemerkbar macht. Einfach null darüber nachgedacht. Da hilft es nicht einfach nur Preise für Cigs anzuheben und indirekt zu steuern, da muss man bei Leuten wie mir auch Problembewusstsein aufbauen damit das eigene Verhalten überhaupt reflektiert wird.

Bei Zigaretten dauert der Bewusstseinswandel seit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen auf ganz breiter Front vor so ca. 60 Jahren immer noch an. Oder der endgültige Atomausstieg (eines Landes...) fast 40 Jahre nach dem krassen Focusing Event Tschernobyl und einer breiten Bürgerbewegung?
Sind das die Zeitspannen, die Dir hier vorschweben? Wohlgemerkt für einen hoch diffusen Themenkomplex mit tausenden erforderlicher, und auch bitte konkret (sorry, aber muss sein, ist der Kern der Sache) zu definierender Einzelmaßnahmen?

>Den Mangel an Aufklärung sehe ich auch nicht dort wo um Lösungen gerungen wird, sondern bei der Gesellschaft. Wo kommt eigentlich wie viel CO2 her? Du meinst darüber würde aufgeklärt? Ich finde nicht! Ich musste um halbwegs zu verstehen was ich machen kann mit CO2-Rechnern reverse engineeren. Auch im Hinblick darauf was sinnhafte Eigenmaßnahmen sind höre ich wenig bis nichts.

Glaubt irgendwer ernsthaft, Fernreisen, Fleischverzehr oder hochmotorisierte Kfz seien klimaneutral und fällt vom Glauben ab, wenn er die Ökobilanz seines Rinderfilets sieht? Im Einzelnen mag hier Bedarf bestehen, natürlich, aber die groben Leitlinien, die setze ich tatsächlich als bekannt voraus, ja. Nur löst Wissen eben nicht automatisch einen Bewusstseinswandel aus, so sehr das Aktivisten auch frustrieren mag.

Und das Detailwissen? Ja, das ist dann tatsächlich etwas für den Gesetzgeber. Niemand kann und sollte den Herstellungsprozess eines iPhone gegen den eines Sumsum Galaxy unter ökologischen Aspekten abwägen müssen.

>Nein, es ist kein Problem verschwenderischer Konsumenten, aber es gibt gerade dort gute Einsparpotenziale die man ohne Schmerzen heben kann und die etwas helfen und einen positiven Vibe und etwas Bewegung mitbringen. In Industrieprozessen hingegen hat man in der Regel optimiert, der reine Verbrauch wird da nicht verschwenderisch sein. Aber woher der Strom bezogen wird ist da durchaus Thema. Bei letzterem finde ich es persönlich aber nicht sinnhaft etwas anzumahnen. Weil es auch nicht nötig ist, wenn Energie so bepreist wird dass Folgekosten von Treibhausgasen nicht frei Haus sind, wird die Industrie schnell selbst den Druck aufbauen den Wandel anzuschieben, viele Unternehmen würden auch selbst Baumaßnahmen ergreifen, was ja geht da neue Energien auf dezentrale Netze setzen.
>

Ja, volle Zustimmung.

Allerdings werden diese Kosten zunächst einmal zwingend auf den Konsumenten umgelegt. Das ist auch richtig und wünschenswert. Aber es ist nun mal auch mit dem positivsten Vibe nicht schön, wenn das Produkt meines Herzens auf einmal im Preis explodiert, oder gar nicht mehr erhältlich ist.

>Für mich ist das auch kein entweder oder. Ich denke aber auch, es braucht gesellschaftlich in der Breite Rückendeckung, hier wirkt Aufklärung und Problembewusstsein Wunder, und stille Reserven zu heben tut nicht weh.

Eben. Es tut nicht weh. Jede "lösungsorientierte" Politik wird weh tun. Jedem. Und zwar jedem an verschiedenen Stellen. Das ist übrigens nach meiner Erfahrung auch der beste Nährboden für einen regulatorischen Flickenteppich voller gut gemeinter Ausnahmen.

>Das ist quasi die PR-Flanke die eine lösungsorientierte Politik deutlich erleichtert und hier und dort auch einen Bonus mitbringt.

Dein Wort in Gottes Ohr. Ernsthaft.


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