Thema:
Re:Wieso? flat
Autor: token
Datum:28.06.19 08:34
Antwort auf:Wieso? von Telemesse

Zu "Wieso?"

Lanz hat seine Rolle als Moderator missbraucht.
Er hat da im eigentlichen Sinne keine Gesprächsrunde moderiert, das war eher wie ein türkischer Schauprozess mit dem Ciceroheini als Staatsanwalt und Lanz als korruptem Richter, der auch sehr schnell beschließt dass er den Staatsanwalt eigentlich auch gar nicht braucht.

Das war von seiner Seite derart viel unlauteres Verhalten im Moderatorenstuhl wie ich es nur selten erlebt habe. Und mit unlauteres Verhalten meine ich nicht flachpopulistische Fragen oder totale Einseitigkeit, das ist man von Lanz gewohnt. Damit meine ich z.B. die ständigen formalen Zurechtweisungen an die Grünen während man selbst die formalen Verstöße begeht, diesen schwarzen Peter dann aber ein wenig übermotiviert auf die zwei Teilnehmer projiziert.

Losgelöst davon ob du die Grünen kritisch siehst oder mit der Zange auf Linie bist, das was Lanz da getrieben hat war einfach zu plump als dass ich glauben könnte dass es komplett an dir vorbei gegangen ist.
Ich habe Moderatoren schon professionelle Distanz verlieren sehen wenn mal AfD-Menschen im Stuhlkreis saßen, aber obwohl ich da eine gewisse Genugtuung empfand, war ich dennoch in der Lage zu sehen was sie da machen.


>Wenns mal konkret um die Umsetzung der grünen Pläne geht wirds immer ziemlich schwammig und vage. Und der mitgebrachte Klatschfanclub, der jedesmal schon loslegte wenn Habeck nur den Mund aufmachte war auch dezent nervig.
>

Der Ciceromann bekam doch einleitend massiven Applaus. Habeck hat die Leute nicht mitgenommen weil er sie schon vorher mitgebracht hat, sondern zunehmend mit dem was er gesagt hat. Fang jetzt bitte nicht auch noch du an mit so einem Trutherkrempel wie mitgebrachtem Klatschfanclub nach Microsoft-PK-Manier.
Du hast richtig gemerkt wie das Publikum erstmal auf diese Argumention aus trolligen Internetdiskussionen anspringt, und speziell Habeck da zunehmend Land gewinnt bei diesem Publikum.

Auch weiß ich nicht was da so schwammig gewesen sein soll. Es wurde die Höhe der CO2-Steuer genannt, es wurden Jahreszahlen genannt, Notwendigkeiten transparent gemacht. Und es wurde noch etwas wichtiges gesagt, nämlich dass man selbst diese Ziele nicht ausgehandelt hat, aber sehr wohl geneigt ist Maßnahmen zu ergreifen diese Ziele einzuhalten und der aktuelle Kurs dies offenkundig klar verfehlen wird. Das Etappenziel ist schon jetzt nicht mehr aufzuholen, die Maßgabe für 2050 bei dem Tempo absolut illusorisch wenn man solche Dinge nicht tut.

>Zumal da schon ein paar Aspekte drin waren, die mir auch nicht gefallen. Z.b.
>Bahnfahren ist teuer. Fliegen billig. Ergo, Fliegen muss teurer werden. Hab ich generell nix dagegen. Das aber jetzt schon Bahnfahren für viele zu teuer ist, scheint bei den Überlegungen keine nennenswerte Rolle zu spielen und das das günstiger werden soll war da jetzt auch nicht zu hören. (Ausser Bergünstigungen für Schüler und Seniorentickets).
>

Doch, darauf wurde eingegangen. Zum einen mit dem Punkt, dass Einnahmen aus der Steuer wieder an sozial schwache zurückgehen. Dass man beim Thema soziale Gerechtigkeit auch Programmpunkte hat, und dass es fehlgeleitet ist aus der Flugreisendiskussion ein Sozialdilemma zu stricken, weil Aspekte wie Gehälter am unteren Spektrum, soziale Absicherung etc. dieser Schicht doch erheblich näher stehen als Flugreisen und man diese Punkte auch im Programm hätte.
Die Unsachlichkeit des Lanzbeispiels mit dem Investmentbanker und der armen Kindergärtnerin wurde auf mehreren Ebenen als der bullshit entlarvt der er war. Unter anderem mit dem Argument dass der Banker heute nur einen Bruchteil des Flugpreises zahlt weil er im Gegensatz zur Kindergärtnerin außerhalb der Ferienzeit fliegt. Und dass dieser Angang am Thema vorbeischießt und sich ein Gesamtprogramm das an mehreren Flanken angreift sich nicht auf so ein Beispiel isolieren lässt und schon das Beispiel als solches eine falsche Prämisse suggeriert, weil schon heute diese Diskrepanzen da sind dass der der hat schon heute zum niceprice unterwegs ist, während die die nicht haben gerne mal gemolken werden.

>Oder Energieversorgung: Raus aus der Kohle ist alles prima. Wo kommt der Strom dann her? Oton Grün: Wir brauchen europäische Lösungen mit Spanien, Norwegen und den Ostländern.

Da war ich schon raus, ich hab das nicht mehr ertragen.
Bis dahin haben die Grünen aber eine bessere Figur gemacht als ich erhofft hätte, eben weil da wenig schwammig und vieles schon mehr als konkret war.
Meine Stimme haben sie. Letzter Strohhalm. Die nächste Regierung ist die letzte die noch eine Minichance hat die Wende einzuleiten bevor der point of no return erreicht ist. Und mir ist da jemand der sagt, da müssen wir jetzt auch mal Ernst machen, sehr sympathisch, weil ich genau das genau so sehe.
Sollte es so kommen dass der Aufschwung der Grünen keinen reinen Schauprotest von befragten Wählern darstellt der sich zur Wahl wieder in Normalbereiche egalisiert, dann hätte man da zumindest eine Partei bei der man das spürt was der aktuellen Regierung komplett abgeht.

Mir geht dieser Rückzug auf rein kritische Standpunkte hinsichtlich Reformplänen nämlich in einer Sache voll auf die Nüsse. Und ich kenne diese Schiene selbst aus dem Berufsleben. Man greift Konzepte mit einer Argumentation an, die komplett ausblendet dass diese Angriffspunkte im status quo deutlich ausgeprägter sind und über das Konzept eine perspektivische Verbesserung erfahren werden, die Verbesserung aber auch komplex ist weil da mehrere Rädchen ineinander greifen müssen wenn man konsequent reformiert. Und, wenn man dann sagt, okay, stellt Alternativen vor, kommen aus der Hüfte geschossene Schnappsideen die entweder machbar sind, aber wenn man die mal zu Ende denkt noch deutlich größere Angriffsflächen haben, oder die nach Idealbild sehr gut sind, aber im Hinblick auf die Umsetzbarkeit komplett illusorisch.

Nochmal Flugreise, der Vorschlag keine Steuer zu erheben aber dafür grüne Alternativen steuerfrei zu machen um Wettbewerbsfähigkeit herzustellen.
Erklär mir doch mal wie sowas funktionieren soll, wenn eine moderate CO2-Steuer  bei Langreisen dazu führt dass die Steuer allein 10 Mal so hoch ist wie der aktuelle Flugpreis. Da wird das Ausmaß dieser heimlichen Subvention transparent, und die kriegst du nicht mehr durch Befreiungen überkompensiert. In Fällen wo die Diskrepanz so groß ist brauchst du eben auch eine Einpreisung bislang versteckter Kosten, und diese regulatorische Einpreisung von Echtkosten ist ein valides Mittel unserer Marktwirtschaft um solche Lenkungswirkungen zu triggern ohne harte Gesetze aussprechen zu müssen, und Subventionen zu unterlassen eine vom Kapitalismus ausgesprochene Maßgabe.

Aber es heißt ständig nur:
"Wasch mir den Pelz aber mach nicht nass."
Und ich glaube die Menschen durchschauen zunehmend diese Bauernfängerei die auch von der amtierenden Regierung praktiziert wird um ihr Versagen zu kaschieren. Was du heute kannst besorgen verschiebe auf überüberüberüberübermorgen. Wo du ganz genau weißt, schon übermorgen ist dein Timer auf dem Nullpunkt angelangt.


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