Thema:
Review: 3 Monate Elternzeit in Thailand und Hongkong flat
Autor: Phreak
Datum:31.05.19 19:21
Antwort auf:Urlaubs-Thread Nr. 6 - To boldly go... von Kilian

Nachdem meine Frage hier vor einem halben Jahr keine Reaktion gab, haben wir uns im letzten Oktober entschieden, den größten Teil der 4 Monate Elternzeit auf Reisen zu verbringen. Also schnell alles durchgerechnet, das Sparkonto angezapft und erleichtert gewesen, dass es auch ohne Untervermietung der Wohnung reichen würde.

Tour:
Januar bis Mitte April
5 Tage Bangkok
8 Wochen Koh Pha Ngan
11 Tage Bangkok
14 Tage Hongkong

Team:
Schlafentzug-Papa
Schlafentzug-Mama
12 Monate alter Terrorkobold (läuft noch nicht)

Learnings sortiert nach positiv und negativ:

GOOD


+ Thailand mit kleinem Kind ist super:
Jeder ist freundlich, alle wollen die Kleine knuffeln, man bekommt Essen geschenkt (ich habe keine einzige Banane kaufen müssen), man wird vorgelassen, bekommt die besten Plätze, Kellner lenken den Wurm ab und man kann für 4 Minuten in Ruhe futtern. Hongkong war auch gut, aber nicht ganz so herzlich und wesentlich hektischer

+ Bangkok:
War da bisher nie lange, aber die Altstadt (Phra Nakhon) ist wunderschön, sauber, günstig und nicht von Touris überlaufen, wenn man die shitty Khao San Road und den riesigen Palastkomplex auslässt. Nachmittags am Kanal oder in der Old Siam Shopping Mall zwischen Blumentöpfen sitzen, Nudelsuppe und Zitronentee auf dem Tisch, sich mit Leuten per Hand und Fuß und Google Translate verständigen, das blonde Kind von allen knuffeln lassen. War toll. Siam und vor allem die neuen Malls (hab mir Battle Angel Alita im IMAX reingezogen O_O) sind auch beeindruckend, wir waren aber tatsächlich fast nur in der Altstadt.

+ Logistik ist wesentlich entspannter als erwartet:
Alle unterstützen einen. Außer bei Norwegian, meiner neuen No.1 Crap-Airline, wurde der rote Teppich ausgerollt. Spielzeug, spezielle Plätze wurden uns beim Check-In zugewiesen, Buggy mit ans Gate, ständig Saft, Quetschies und Decken am Start. Taxi, Roller, Bus, Fähre ging auch alles easy mit Kind. Wirst vorgelassen, darfst sitzen, bekommst Bananen. Auch geholfen hat der Umstand, dass wir nur einen großen Koffer und 2 Rucksäcke hatten. Den Buggy konnte man falten und die Reisetasche dafür noch mit weichem Shit vollstopfen. Koelstra Simba. Bestes Ding.

+ Das Kind isst alles, wenn man es lässt:
Grünes Curry? Laab Gai in Scharf? Saure Tom Yum? Crabcakes? Dim Sum mit Shanghai Soup drin? Ging alles klar. Bei sehr scharfen Sachen wurde man mit weit aufgerissenem Mund angeschaut wie ein Verräter, aber ich bin insgesamt von der bedingungslosen Verfressenheit des Sprösslings begeistert. In Sachen Food Safety ist Thailand einfach ne Bombe. Wir haben in Bangkok und auf der Insel fast nur Streetfood gesnackt und hatten keine Arscheritis. Peel it, cook it, fry it, try it immer schön beachten und auf Experimente wie Pizza und Softeis einfach verzichten.

+ Wenn man erstmal da ist, ist Thailand erstaunlich günstig:
Kannte das ja schon vorher, aber wenn man sich längerfristig einmietet und sich vor allem Zeit lassen kann beim Suchen, dann zahlt man nochmal gefühlt 50% weniger und bekommt richtig geile Buden. Ein Bungalow mit vielen Räumen, Küche und Holzdeck war im Nachhinein die beste Wohnform. 7-Eleven nebenan war auch super für die Chang-Bier-Versorgung. Faktoren wie Strandnähe und Restaurants in Laufreichweite waren letztendlich fast egal.

+ Medizinische Versorgung war überall easy:
Sowohl in Bangkok, Koh Pha Ngan und Hongkong musste immer irgendjemand zum Arzt oder in stationäre Behandlung. Die Reiseversicherung beim ADAC war Gold wert, ich war für 4 Tage im Krankenhaus in der "Hauptstadt" von Koh Pha Ngan wegen irgendnem Tropenfieber (zum Glück kein Dengue). Habe keinen Cent vorgestreckt und alles geregelt bekommen von einem ADAC-Mitarbeiter am Telefon. Einzelzimmer mit Meerblick und tolles Essen. Das Queen Elizabeth Krankenhaus in Hongkong ist mein neuer Goldstandard für effiziente Behandlung. Von Anmeldung in der Notaufnahme mit 40,8°C Fieber beim Kind über Anamnese, 2 Arztgespräche, Ultraschall, Röntgen und nem Paket mit Schmerzmitteln aus der Klinikapotheke vergingen weniger als 90 Minuten. Kostenpunkt 140 €, komplett erstattet durch die Reiseversicherung. In Berlin hab ich schonmal 9 Stunden mit dem Kind gewartet um dann zu hören, dass der Facharzt für die Diagnose heute frei hat und ich wieder gehen kann.

+ Google Translate App mit Konversationsfunktion
The fucking future! Auf Englisch oder Deutsch reinlabern, Google übersetzt und sagt es laut und deutlich auf Thai oder Kantonesisch. Der andere labert rein, man bekommt eine erschreckend präzise Antwort zurück. Hat super funktioniert, manchmal waren sogar die Locals baff wie gut das klappt.

BAD

-- Resorts:
Hell is other people. Nach 4 Wochen täglichen Rollerfahrten zum Strand haben wir gedacht, dass kurze Wege vielleicht ganz geil sein könnten mit Kind. Weit gefehlt! Dafür gibt man seine Freiheit auf und pfercht sich an einen (zugegeben paradiesischen) Strandabschnitt in ein Resort ohne vernünftiges Streetfood. Dort leben Leute, mit denen man nicht reden will oder die nicht mit einem. Freiburger Lehrer in Elternzeit die einen als allererstes dissen, warum man nur ein Kind hat. Leute die jeden Abend Pommes und Schnitzel bestellen. Leute die zu Kellnern unfreundlich sind. So viel Klischee hab ich nach 5 Tagen kaum noch ausgehalten. Zum Glück hatte ich dann dieses Fieber und damit einen Extraordinary Stornierungsgrund, bei dem Airbnb anstandslos alles erstattet hat.

-- Man sollte seinen Babysitter mitbringen:
Vorweg muss man sagen, dass der Stöpsel RICHTIG anstrengend ist. Pennt nie länger als 3 Stunden, auch Nachts nicht, will die ganze Zeit nur Action. War die ersten 6 Monate ein hartes Schreikind, mittlerweile hat sich wenigstens das normalisiert. Die ist aufmerksam, cute und witzig, aber bist halt trotzdem im Sack bei permanentem Schlafentzug. Nach maximal 4 Stunden Action muss tagsüber wieder ein halbes Stündchen gepennt werden, dafür muss man Sie fast zum Einschlafen zwingen. Alternative ist ein grätziges Aggro-Heulkind, deshalb sind die 45 Minuten Einschlaf-Kampf mit anschließenden 30 Minuten Ruhe immer noch der beste Deal. Die Oma hat ganzschön gefehlt und auch das Prinzip Großfamilie ist mir plötzlich sympathisch. Wir haben die 4 Stunden Wachphase immer gut genutzt und die Kleine in der Manduca pennen lassen, ging sogar auf dem Roller ganz gut. Trotzdem ist man sehr eingeschränkt in der Planung. Andere Kinder sind da am Strand VON ALLEINE EINGESCHLAFEN und lagen da DREI STUNDEN MITTAGS IM SCHATTEN, während ihre Eltern sich Caipis gegönnt haben. Hätte das schlafende Kind am liebsten mit Sand beworfen damit es aufwacht. So unfair, ey! Mein Kind pennt nicht und wenn es am Strand wach ist, krabbelt es Full Speed in die Brandung. Kannst nichtmal 5 Minuten irgendwo sitzen in Ruhe. Arrrgh.

-- Platzprobleme in Hongkong:
Trotz der für die dortigen Verhältnisse luxuriösen 28qm im Airbnb fehlte das zweite (nicht-Durchgangs-)Zimmer. Sobald das Kind pennt kann man also nix mehr machen. Wo man im Stelzen-Bungalow auf Koh Pha Ngan mittags nen Quickie schieben konnte muss man jetzt flüstern und sein Dosenbier leise trinken. Auch ist Mongkok echt nicht für Kinderbuggy ausgelegt und rumtragen ging auch nicht die ganze Zeit. Sind also viel in die New Territories und in den Süden von HK Island. War geil, hätte aber gerne mehr Zeit in den Trashmalls an der Nathan Road verbracht. Ganz klar unser und nicht Hongkongs Problem, trotzdem weigere ich mich zu akzeptieren, dass ich mit Kind jeden Aspekt meines Lifestyles umkrempeln muss.

Fazit: Reisen mit kleinem Kind ist leider kein Urlaub, trotzdem sollte man es machen. Selten so gut gegessen, von den Erinnerungen werde ich noch lange zehren. Außerdem ist alles besser als ein Winter in Berlin. 7/10, Genrefans greifen zu.


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