Thema:
Re:Ich bin stolz auf Berlin flat
Autor: Bullitt
Datum:30.05.19 18:02
Antwort auf:Re:Ich bin stolz auf Berlin von king_erni

>Ich verstehe einfach null, wie man Hapes kleine Wahlfeier als "alle Brandenburger sind dumm, rechts und haben keine Ahnung" interpretieren kann.

Ja, ist wahrscheinlich schwer zu verstehen wenn man das nicht selbst erlebt hat. Hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass seit der Wende immer wieder Menschen auf ihrem hohen Ross mal kurz vorbei geschaut haben und sinngemäß sagten: "Wir zeigen euch dummen Ossis jetzt mal, wie das läuft im Westen". Harmes Beitrag hat - bewusst oder unbewusst - genau diesen Ton getroffen.

Dazu kommt auch, dass dies quasi nie was genutzt hat. Diese klugen Ratschläge kamen extrem häufig in Form von "Glückritter" genannten Unternehmern, wo es dann meistens etwas später wieder hieß "Ach nee, doch nicht, aber danke für die Fördergelder!". Daher sind kluge Ratschläge von oben herab hier etwas, was so empfindliche Reaktionen auslöst.

Das ist gemeint wenn es ab und zu mal heißt "den Osten versuchen zu verstehen". Niemand soll Verständnis dafür zeigen, dass so viel Afd gewählt wird - ich will den Dreck doch selbst loswerden und 80% der Brandenburger sehen das offensichtlich ja sehr ähnlich. Ich würde mir aber Verständnis dafür wünschen, warum durch unsere Vergangenheit solche Bemerkungen hier empfindlich aufgenommen werden.

>Niemand geht davon aus, dass die Bundesländer der ehemaligen DDR durchseucht sind mit Nazis

Da bin ich mir nicht bei jedem Beitrag so sicher hier. Aber ich glaube dir, dass du das nicht so meinst.

>es bedarf aber auch keiner tiefen-analytischer Fähgikeiten um festzustellen, dass besonders in den Gebieten der ehemaligen DDR ein deutlich größeres Neonazi-Problem zu herrschen scheint als im restlichen Teil der BRD.

Das bestreite ich doch nicht.

Es geht darum, wie man dieses Problem wieder beseitigen kann. Und da helfen Pauschalurteile absolut gar nicht, sie sind im Gegenteil höchst kontraproduktiv. Ich habe das in den 90ern schon viel zu häufig erlebt, dass man mir im Gespräch sagte "ist doch egal was wir tun, wir sind eh die Nazis". Und jetzt geht der Scheiß schon wieder los...

In den 90ern konnte man das Problem zumindest mit Geld erschlagen. Denn irgendwann gegen Ende der 90er haben doch fast alle wieder einen Job gehabt, nachdem direkt nach der Wende nahezu jeder seinen Arbeitsplatz verloren hatte. Und irgendwann ist das Geld für neue Straßen etc. auch auf den Dörfern angekommen.

Heute wird man sich nicht mehr so einfach freikaufen können, denn heute sind die Probleme noch mehr als damals psychologischer Natur. Es gibt zwar immer noch wirtschaftliche Unterschiede, aber diese sind deutlich kleiner als damals. Zumal die Afd-Hochburgen ja nicht zwingend allesamt arme Regionen sind im Vergleich zu andere Gegenden, teilweise auch in Westdeutschland. "Gefühlte Wahrheiten" sind das Kernproblem des aktuellen Rechtspopulismus. Und Gefühle kann man nur schwer ändern, erst Recht nicht wenn diese Gefühle von außen auch noch bestätigt werden, indem gesagt wird "ja, stimmt, ihr seid wirklich alle komplett anders", oder "Der Osten ist verloren".

DAHER halte ich solche pauschalisierenden Aussagen für absolut gefährlich.

Christian


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