Thema:
Re:WWE, Wrestling oder Catchen Thread... flat
Autor: Felix Deutschland (deaktiviert)
Datum:10.05.19 18:27
Antwort auf:Re:WWE, Wrestling oder Catchen Thread... von Brainsaw72

>Aber "AEW", is das ne neue Liga?

AEW ist eine neue Wrestling-Federation, finanziert von der Khan-Familie, die seit jeher in größere Sport- und Entertainment-Geschichten investiert, ähnlich der Anschutz Entertainment Group, der bspw. ManUtd gehört, oder der Fenway Sports Group, der der Liverpool FC gehört (Und das Anfield Road Stadion gleich mit dazu, das übliche Modell solcher Großinvestments in Ländern OHNE 50+1). Die Khans wollten vor ca. einem Jahr oder so auch mal das Wembley-Stadion kaufen (!), dass hat die generell sehr fremdenfreundlichen Engländer natürlich schier begeistert.

Den Khans gehört ein NFL-Team, die Jacksonvill Jaguars. Ein NFL-Team zu besitzen (und das dazugehörige Stadion) ist durchaus vergleichbar damit, ManUtd oder Liverpool oder Arsenal (und die jeweiligen Stadien dazu) zu besitzen. Also schon sehr große Größenordnungen. Was nicht heißt, dass AEW jetzt mega abgeht und mit ner halben milliarde im arsch übermorgen den Mercedes Benz Superdome ausverkauft. Aber dass die Organisation von absoluten Deppen geführt wird, die einfach mal aus Scheiß fast die gesamte Tape-Library von Jeff Jarrett in zehn Jahren plus TNA Wrestling löschen und dann ne millionenschwere Strafe aufgebrummt kriegen und deswegen wahrscheinlich Pleite gehen werden, dieses übliche Gestümpere von Nicht-WWE-Organisationen ist SEHR unwahrscheinlich.

Die Finanzierung ist also abgesichert und hinreichend seriös. Die Federation wird kreativ und organisatorisch von Cody Rhodes, den Young Bucks und (ich denke nur kayfabe) Kenny Omega sowie Brandi Rhodes geführt. Gibt jetzt noch einiges an Backstage-Personal, u.a. Billy Gunn und Jim Ross, die ich jetzt nich auch noch allesamt aufzähle.

Das interessante an AEW ist, zum einen, dass die WWE zum ersten mal seit Eingehen der WCW wieder wirkliche, ernstzunehmende Konkurrenz hat. Zwar steigern auch ROH und NJPW ihre Bemühungen, aber im Vergleich dazu viel zaghafter und langsamer. Zwar steigert NJPW merklich die Anzahl der Übersee-Shows von Jahr zu Jahr, aber AEW werden (so zumindest die ankündigung nächsten Mittwoch bei den Upfronts) ab Ende des Jahres (So ab Oktober, nachdem Smackdown von Dienstag auf USA Network zu Freitag auf irgendeinem FOX-Sender wechselt) auf TBS/TNT ihre eigene wöchentliche Sendung haben ("Tuesday Night Dynamite").

Zum anderen, und das ist der Teil, der mir am meisten Bock macht, ist die AEW eine Wrestling-Organisation, oder meinetwegen auch "Liga" (Ich find den Ausdruck "Federation" aber noch blöder ^^), die von Wrestlern geführt wird. Kreativ und organisatorisch. Es soll Off-Seasons geben, also Pausen für die Wrestler, in denen sie regenerieren können, nicht dieser niemals endende Todesmarsch der WWE. Die Wrestler sollen selbst Storylines und Promos sich ausdenken. Das sie das können, haben sie alle individuell bereits bewiesen, aber auch auf ihrem Youtube-Kanal "Being The Elite", so ne Art Real-World-Zeichentrickserie, komplett mit iPhones gefilmt und entsprechend desolatem Ton oft, aber trotzdem lustig und für Null Mark in der Freizeit gedreht, um einfach ein kreatives Ventil zu haben. Alle kennen sich aus dem Bullet Club, einem Wrestler-Stable innerhalb von NJPW (Übrigens "witzig", dass es in der Main-Roster-WWE eigentlich... gar keine Stables mehr gibt... hmmm...). Alle sind sie hervorragende Wrestler, Kenny Omega dürfte seit mehreren Jahren konstant einer der drei besten Wrestler überhaupt sein.

Wo das "Produkt" der WWE mittlerweile komplett in Opas Mottenkiste angekommen ist, sind die Interessen und Sensibilitäten der AEW-Crew alle sehr im Hier und Jetzt verortet. Die sind halt in nem ähnlichen Alter wie ihre Fans zum Teil (Anfang- Mitte 20 bis mitte ende 30), und keine 800 Jahre alten Leguane wie Vince, die immer noch am meisten über Dünnschiss-Gags lachen können. Humor spielt in AEW ne große Rolle, aber eben auf ne erfrischend heutige Art, und nicht in Form von Gewollt-aber-nicht-gekonnt-Tim&Eric-Ripoffs, die die Krone der kreativen Arbeit in der WWE repräsentieren.

Dazu macht die Firma ernstzunehmende Bemühungen im Bereich der Inklusivität. Für das PPV am 25.5. wurden Männer gebucht, Frauen, Heteros, Homos, Transpeople und Leute mit Körperbehinderungen. Wie gesagt, als Performer im Ring gebucht. Das ist schon mehr als nur Feigenblatt-Politik und Schönwetter-Rhetorik, das ist "putting your money where your mouth is", und eine sehr schöne Art, den Spirit der Indie-Wrestling-Szene auf die große Bühne zu heben, etwas, das die WWE aus unzähligen Gründen niemals machen würde oder könnte, nichtmal in deren Developmental Divisions, welche zu den Main-Roster-Sachen eine etwas größere kreative Autonomie besitzen.
Für das Publikum soll bei jeder Veranstaltung ein Snoozle-Raum zur verfügung gestellt werden, in den Menschen mit entsprechenden Dispositionen einen Rückzugsraum haben. Das sind alles Sachen, die ich mir nicht nur von einer Wrestling-Organisation wünschen würde, sondern von jeder fucking Firma. Das ist einfach sehr gut, komplett zynismusbefreit und klar erkennbar mit der Absicht, so vielen Leuten wie möglich zu ermöglichen, Spaß an Wrestling zu haben.

(Edit: Nicht unerwähnt lassen sollte man zudem, dass AEW gender equal payment betreibt und KEINE Exklusivitätsklauseln für ihre, ja leider wohl immer noch, "independent contractors" in die Verträge setzt - die Wrestler können also immer noch wie sie lustig sind bei Indies und NJPW und sonstwo auftreten; immerhin ein Fortschritt)

Vergleicht man das mit der gefühlten Stimmungslage bei allem, was mit der WWE zu tun hat zur Zeit... ist das echt eine Oase aus Positivität. Was nicht heißen soll, dass das alles eine Heititeiti-Kinderveranstaltung wäre. Guckt euch MJF-Promos an, der Typ lässt Baron Corbin aussehen wie den coolsten nettesten Menschen der Welt. PAC, ehemals Neville, hat ein Jahr lang seine Exclusivity Clause bei der WWE abgesessen und sich in der Zeit wohl nur von brasilianischem Pferdefleisch und Flugzeugbenzin ernährt, ist jetzt shredded like fucking lettuce und die letzten Monate bei Dragon Gate und Indies auf der ganzen Welt performt. Sieht aus wie eine absolute Maschine, trotz überschaubarer Körpergröße.

Das ist auch so ein Ding: Es werden nicht auf biegen und brechen irgendwelche drei meter großen jahrmarkt-riesen gebucht, die sich gerade mal um die eigene achse drehen können ohne sich die hüfte zu brechen, great khali style, sondern wirklich nach Fähigkeit und Potential. Die Leute, die AEW bis jetzt gebooked hat, mögen zum Großteil keine Stars sein, aber haben allesamt das Zeug dazu, welche zu werden. Vor allem kommen immer neue dazu. Ich hatte bis vor zwei Wochen keine Ahnung, wer oder was "Private Party" sind, jetzt will ich jedes Match von ihnen sehen. Es gibt einfach so viele gute Wrestler auf der Welt, die brauchen eigentlich gar nicht die sloppy seconds von der WWE, um auf sich aufmerksam zu machen. Aber mit ner wöchentlichen Live(?)show und ner Touring Schedule... ey, weiß ich, wie man ne Wrestling-Organisation führt? LOL kein Plan. Aber wird schon. Schlimmer als WWE zur Zeit kann es echt nicht werden (Naja gut, schon, aber ich will es mir gerade nicht vor meinem geistigen Auge vorstellen), und das wahrscheinlichste Szenario ist, dass auch die WWE wieder besser wird, weil sie sich zum ersten mal gegen einen echten Konkurrenten behaupten muss, und nicht gegen Impact Wrestling, welches gerade mal 1,6 Mio. Zuschauer pro Woche hat. Zahlen, von denen Raw aber mittlerweile nur noch ca. 500.000 Zuschauer entfernt ist und bei fortsetzendem Trend noch dieses Jahr erreichen und unterbieten wird.  

>Unabhängig von WWE? Etwas "Ernster"?

Ha, kompliziertere Frage als man zuerst denken mag, weil die WWE momentan alles andere als "Ernst" ist. Aber was verstehst du unter "Ernst"? Ich mutmaße mal. Ich hab zwar oben gesagt, dass AEW viel mit Humor arbeitet, aber womit sie quasi ihre Kickoff-PK damals eingeleitet hatten war folgender Satz: "Wins and losses will matter." Davon leite ich mal ab, dass auch Gürtel höhere Relevanz haben werden und das 50:50-Booking wohl eher nicht zu erwarten ist. Hoffentlich. Zumindest nicht in der Form, wie die WWE es betreibt (Es gibt triftige Argumente FÜR 50:50-Booking, um die auch AEW nicht herumkommen wird). Ich kann mir bspw. nicht vorstellen, dass AEW sowas machen würden, wie Titelgewinner eine Woche nach ihrem Triumph schon wieder clean pins fressen zu lassen. Nur so als Beispiel. Ich gehe schon davon aus, dass der Wettbewerbsgedanke klarer erkennbar sein wird. Hast du Survivor Series letztes Jahr gesehen? "Battle for Brand Supremacy" aka "Kampf um die goldene Ananas", wo Smackdown bei der Main Show jedes Event verloren hatte, aber in der Pre-Show The New Day das 8-Man-Tag-Team-Match für Smackdown gewannen, was aber in der offiziellen Zählung in der Main Show übergangen wurde? Und das, obwohl Smackdown damals und auch jetzt noch (naja, jetzt genau eben nicht mehr, aber egal) die in jeglicher Hinsicht bessere Show woche für woche bot? Das war eine komplett verblödete Bullshitparade, bei der das Publikum auf so viele Weisen für dumm verkauft wurde wie sonst nur beim Saudi Arabien Event.

>Langsam wird es nämlich lächerlich.

Jo.

>Das ist doch nur noch ne Soap Opera
>mit ner Akrobatischen Stuntshow!?


Nee, ne Soap Opera isses nichtmal. Es hat ja keine Plots. Es wird immer mal wieder versucht, endet dann aber in so Scheiße wie "One Night in Milwaukee", wo quasi der Scheiß, den Xpac mit Chyna abgezogen hat, von der WWE selber nochmal als Schmierenkomödie nachgestellt wurde (unvorstellbar geschmacklos, wenn man mal zwei Sekunden drüber nachdenkt), oder Mandy Rose versuchte Jay Uso zu verführen, was darin endete, das Naomi zwei mal von ihr gesquasht wurde, wat?! Das wird dann für zwei Episödchen gemacht und danach nie wieder. Mojo Rawley wurde wahrscheinlich auch in der Sanitärabteilung vom Hagebaumarkt vergessen und brüllt dort die Badezimmerspiegel an. Aleister Black darf auf nem Klappstuhl irgendwelche Scheiße erzählen, die man sonst nur von zugekifften 16jährigen zu Hören bekommt, in klarer Leugnung des alten Paradigmas "Show, don't tell" (etwas, was bei NXT natürlich funktioniert hat). Johnny Gargano eigentlich im Main Roster, aber für mich im Limbo, da ich NXT nicht mehr gucke, weil die WWE mir auf sehr unangenehme und unerfreuliche Weise klar gemacht hat, dass NXT im erzählerischen Universum von RAW und Smackdown lediglich eine fiktive TV-Sendung ist, die nichts mit den Leuten zu tun hat, die bei RAW und Smackdown auftreten, hence "The Viking Whatever".

Ich will aber nochmal betonen, dass ich in keinem Fall die Schuld bei den Wrestlern sehe. Die tun was sie können und leisten hervorragende Jobs in einem schwierigen, im Verhältnis zu dem was du deinem Körper antust scheiße bezahlten Beruf. The Revival haben einen verdammten Wrestling-Orden dafür verdient, wie sie diese Ucey-Hot-Scheiße im Ring verkauft haben. Sasha Banks ist eine hervorragende Wrestlerin. Jemand wie Luke Harper könnte immer noch coole Matches machen, wenn man ihn ließe. Eine der wenigen Leute, die aktiv und erfolgreich dagegen anarbeiten ist Daniel Bryan, der definitiv Leute wie Kofi oder Rowan intern pusht und ins Boot holt, wenn mal die seltene Möglichkeit sich auftut, Leute aus der zweiten oder dritten Reihe mal ins Rampenlicht zu holen. Aber der allein kann auch nicht viel ausrichten dagegen, wie die gesamte Organisation funktioniert.

>Ok,war es eh immer!;)

Nee, das war schon auch mal besser. Ich bin sonst auch kein Freund der rosaroten Nostalgiebrille, aber in dem speziellen Fall war früher wirklich fast alles besser. Paradoxerweise gab es aber in den letzten Jahren keinen besseren Moment, sich für Wrestling zu interessieren, weil gerade sehr viel in Bewegung ist, was seit teilweise über zehn Jahren schlicht stagnierte, eher sogar sich schleichend zurück entwickelte. Das jetzt wieder frischer Wind in den ganzen Kladderadatsch hineinweht ist bitter nötig und wird letztenendes nur zum Vorteil der Fans ausgehen.


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