Thema:
Re:Weshalb diese Panikmache wegen Steuerschätzung? flat
Autor: Sockenpapst
Datum:10.05.19 08:03
Antwort auf:Weshalb diese Panikmache wegen Steuerschätzung? von Matt

>Aber ich möchte die Frage unpolitisch stellen. Mir geht es eher um den gesellschaftlichen Blickwinkel. Warum wird ein derartiger Erfolg klein geredet, nur weil er nicht noch Grösse ist?

Die komplette öffentliche Finanzplanung fast aller Ausgaben findet auf Grundlage von Prognosen statt, es geht gar nicht anders. Die tatsächlichen Einnahmen eines Jahres sind - so seltsam es auch klingen mag - primär für Folgeprognosen relevant. Gleichzeitig ist der wesentliche Teil aller öffentlichen Haushalte fest verplant, bei einer teilweise massiven Kostendynamik (= jährliche Steigerungsraten weit oberhalb der Inflationsrate). Als konkretes Beispiel sei der Bundeszuschuss zur RV genannt, ruhig mal googeln; tatsächlich sind über 90% der Ausgaben nicht oder wenig beeinflussbar. Du kannst Einnahmen also nicht absolut bzw. isoliert von deinen (Fix-)Kosten betrachten, alles andere ist bestenfalls unseriös.

Wenn die Prognosen jetzt schlechter ausfallen, ist doch klar, dass der Spielraum eingeschränkt wird, weil entweder aktiv gespart werden muss, oder nicht entlastet/investiert/gefördert werden kann. Es spielt also keine Rolle, ob du Steuersenkungen willst oder höhere Sozialleistungen, beides wird jeweils nicht, oder zumindest nicht ohne Verluste an anderer Stelle gehen. Und das ist jetzt noch ein eher optimistisches Szenario, das kein langfristiges strukturelles Defizit vorsieht. Tatsächlich wird es aber wohl echte Verlierer geben, als ganz konkretes Ergebnis dieser Prognosen.

Und das alles wissen/ahnen die Menschen. Gleichzeitig interessiert sie die Vergangenheit wenig. Völlig zurecht, denn warum soll ich die fetten Jahre der Vergangenheit abfeiern (von denen man sowieso nicht selten glaubt, individuell zu kurz gekommen zu sein), wenn ich sorgenvoll in die Zukunft blicke und Lösungen für bestehende und kommende Probleme erwarte?

(Und klar, mit negativen Meldungen erreicht man höhere Auflagen, aber im konkreten Fall ist eine reflexhafte Journalismus-Schelte echt nicht angebracht. Zumal die Prognosen ja nicht nur für Haushalte Böses verheißen, sondern indirekt auch für Konjunktur/Arbeitsmarkt etc., und somit alle Bürger, betreffen werden.)


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