Thema:
Re:Tierkinder essen flat
Autor: Felix Deutschland (deaktiviert)
Datum:20.04.19 00:38
Antwort auf:Re:Tierkinder essen von Droog

>Gilt das dann auch für die jeweilige Aufzucht? Also ist derjenige der Bio vom örtlichen Hof frisst im Grunde kein besserer Konsument als der, der "Stallhaltung +" bei Lidl kauft?

Wenn du zu einem Haustier eine emotionale Beziehung aufbauen kannst, dann kannst du grundsätzlich die Existenz von so etwas wie "Tierwohl" emphatisch nachvollziehen. Es muss nichtmal ein Haustier sein, es kann irgendein Spatz sein, der zwanzig Meter von dir entfernt possierlich ein paar Körner frisst. Wer Empathie zu Tieren aufbauen kann, muss auf eine gewisse "suspension of disbelief" als Basis für seinen Fleischkonsum zurückgreifen. Die griffigste Analogie in der Demographie dieses Forums dürfte die Popplers-Episode von Futurama sein.

>Wobei ich auch glaube, dass Biofleisch viele aus der Motivation heraus kaufen,  völlig ohne Brechreiz ihr Hähnchenbrustfilet genießen zu können und nicht etwa, weil ihnen groß was am Tier als existierendes Wesen liegt.

Wer sich wirklich moralisch berufen fühlt, der kauft nicht nach Etiketten, sondern danach, ob die Produkte tierischen Ursprungs sind, ob für das Produkt Tiere sterben mussten etc. Ich fühle mich dazu nicht moralisch berufen. Ich finde dieses performative, und in tse's post auch interrogative Element dieser letztenendes Lifestyle-Entscheidung aber enorm kontraproduktiv. Natürlich finde ich es pervers, Babys zu essen, von welcher Lebensform auch immer. Lammfleisch, richtig gutes Lammfleisch, schmeckt so, wie ein Lammfell riecht. Nach Geborgenheit, Sorglosigkeit, buchstäblich dem Duft von frischem Heu. Es schmeckt sehr lecker, war aber mit Abstand eine der perversesten Sachen, die ich je gegessen habe. Und jetzt? Soll ich mich schämen? Soll ich für die Seele des armen Lämmlis beten? Oder soll ich die normalste Entscheidung treffen und einfach kein Lamm mehr essen, weil ich mich dabei fühle wie ein Creep und im Grunde auch von zwei Käsebrötchen satt werden würde? Das kann bei anderen wieder ganz anders aussehen. Aber dieses "seid ihr nicht manchmal selber von euch angewidert? Ich frage ganz wertfrei!", diesen Evergreen kann man ehrlich gesagt auch mal aus der Dauerrotation rausnehmen. Niemand ist perfekt, niemand lebt "100% ethisch" egal wie straight die edge auch sein mag. Das ist kein Wettbewerb, bei dem irgendwer gewinnt oder irgendwer davon profitieren würde, auf der Highscore-Liste ganz oben zu stehen. Ernährung und ethischer Konsum sind mittlerweile die neueste Ersatzreligion, und gerade der Umgang mit Veganismus ein gutes Beispiel dafür, passiv-aggressive Triezereien besonders im Bereich der Ernährung allein der Höflichkeit wegen doch bitteschön zu unterlassen. Ich finde keinerlei Unterschied zwischen einem Veganer, der einen für Fleischkonsum shamen will und irgendwelchen reaktionären Webergrill-Jüngern, die irgendeine harmlose Veganerin beim Grillabend für ihre Ratatouille-Pfanne auslachen. Wenn man in dieser Scheißwelt irgendwann vielleicht mal seine verdammte Ruhe haben könnte und sich gegenseitig für seinen Wert laufen lassen könnte, dann doch beim Essen.

Aber nein, Zeit Magazin braucht noch die drölfte Kolumne über Leute die im ICE BiFi essen ("Das stinkt so!"), lass uns lieber weiter gegenseitig dafür ankacken, dass wir uns unterscheiden, bockt halt.


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