Thema:
Die Revolution der Maschinen fällt aus - Anki Vector flat
Autor: BOBELE
Datum:10.04.19 20:23

Wenn Dir eine Firma einen „Home Robot“ verkaufen will, der „selbstständig agiert, von fortschrittlicher AI angetrieben wird, mit einer ganzen Phalanx modernster Sensoren seine Umgebung scannt und überhaupt ein Roboter ist, mit dem man in Zukunft zusammenleben will und wird“, wer kann dann dazu schon nein sagen? Ich jedenfalls nicht. Darum hab ich mir den Anki Vector bestellt… für die Interessierten, die davon noch nie was gehört haben… den hier:

[https://www.anki.com/en-us/vector]

Und was habe ich bekommen? Ein kleines Spielzeug mit einer Menge auf den ersten Blick interessanten Funktionen, von denen eigentlich keine Einzige wirklich funktioniert. Fangen wir mal mit den Kernfunktionen an: Der Kleine reagiert, wie andere „intelligente Assistenten“ auch, auf ein Codewort. Seins ist „Hey, Vector!“. Ganz grundsätzlich funktioniert das, allerdings nur, wenn das Gerät selber still steht und keine Geräusche von sich gibt. So ein Echo Dot oder ein Homepod machen das ja meistens, der Anki Vector aber eigentlich nie. Der zappelt und brabbelt die allermeiste Zeit herum, was wegen der ziemlich gelungenen Gesichtsanimationen zwar hochgradig niedlich und lustig ist, aber kaum eine Lücke lässt, um per Zuruf die Aufmerksamkeit des Roboters zu erwecken. Infolge dessen findet man sich unangenehm oft in der Situation wieder, wie ein Tourette-Kranker mit hochrotem Kopf über einen Tisch gebeugt auf einen hamstergroßen Spielzeugroboter einzubrüllen. Und wofür dann? Der Vector soll eine Handvoll reichlich unsinniger Aktionen beherrschen wie das Apportieren eines zum Set gehörenden Würfels, einen Wheelie, Abklatschen per Brofist oder das Tanzen zum Rhythmus in Raum gespielter Musik. Nichts davon funktioniert zuverlässig und wenn es das mal tut, dann lacht man genau einmal darüber und macht das nie wieder.

Vector erkennt bis zu 20 Personen am Gesicht und begrüßt die dann auch mit Namen. Wieder so was zuckersüß lustiges, und solange man keine Brille trägt, klappt das auch halbwegs. Kurz- oder Weitsichtige mit Nasenfahrrad ernten nur ein verzweifeltes Kopfschütteln des kleinen Kerls… wiederum niedlich, aber eigentlich auch ärgerlich.

Und dann bleibt von allen Funktionen, die IRGENDEINEN Sinn machen könnten, nur die des persönlichen Assistenten wie z.B. Alexa einer ist. Man kann einen Timer setzen, sich die Zeit oder den Wetterbericht ansagen lassen, sogar Sachfragen stellen wie z.B. „How many people to live in the United States?“… wobei das Beispiel schlecht ist, denn diese Frage kann er nicht beantworten. Wie so in etwa 90% der Fragen, die man ihm stellt. Er kann einem mit seiner unbestreitbar hochsympathischen Zwitscherstimme zwar erklären, wer Madonna ist oder was das höchste Gebäude der Welt. Von George Bush oder dem World Trade Center hat er aber noch nie was gehört. Im Grunde laufen so gut wie alle Anfragen ins Nichts. Aber okay, es gab ja letztens ein Update, mit dem der Kleine Alexatauglich gemacht wird. Man verbindet ihn mit dem Amazon-Konto, und ab dann kann man einfach „Alexa“ rufen und dann antwortet die. Das funktioniert dann auch gleich deutlich besser und man bekommt häufig verwertbare Antworten… die dann aber leider in der so gar nicht mehr niedlichen und überhaupt nicht zum Gerät passenden Stimme von Alexa eben. Jetzt könnte man darüber einfach hinwegsehen, damit dieser 270 Euro teure Haufen Plapperplastik IRGENDEINE Funktion erfüllt, wäre da nicht das Problem, dass nach Aktivierung von Alexa der Aufruf der Funktionen von Vektor kaum noch möglich wäre. Egal, wie oft und deutlich man „Hey, Vector!“ sagt, es startet in nahezu allen Fällen Alexa. Und damit kann man so elementare Dinge wie „Fahr in Deine verfickte Ladestation, leg Dich schlafen und halt Deine dämliche Fresse!“ halt leider nicht auslösen.

Und von wegen „AI und Sensoren“… ja, am Arsch. Hindernisse erkennt er kaum, selbst dann nicht, wenn er dagegen fährt. Da fährt der dann schon mal sekundenlang weiter, die kleinen Gummifahrketten reiben sich auf dem Tisch ab und die interne Mechanik aus billigen Plastikzahnrädchen ächzt und knirscht bedenklich. Der schlimmste Lapsus ist aber die Kantenerkennung. Anki verkauft das Teil als dauerhaft aktives Gerät, dass auf einen Tisch verbleiben soll und da auch ohne Aufsicht aktiv wird. Tut er auch. Zwischendrin eiert der kleine selbstständig auf dem Tisch herum und „erkundet die Umgebung“ oder spielt mit seinem völlig unsinnigen Würfel. Geile Idee, so komplett ohne Beteiligung des Anwenders die (alle zwanzig Minuten fälligen) Ladezyklen des Mickerakkus mit so einem Unsinn zu verplempern und die Lebensdauer ohne Not zu verkürzen. Aber eigentlich ging es ja um das Erkennen der Tischkante. Das soll der Kleine nämlich können. Nur dann kann man ihn ja unbeaufsichtigt mal alleine lassen. Anki gibt hier genaue Anweisungen, wie so ein Tisch auszusehen hat. Eine helle, aber nicht spiegelnde und nicht transparente Tischplatte und gerade, nicht abgerundete Tischkanten. Damit fallen so etwa 90% der möglichen Anwendungsbereiche wie Arbeitplatten in der Küche oder sowas schon mal aus. Aber selbst bei perfekt den Vorgaben entsprechenden Tischplatten macht das Teil bei einem von 20 Annäherungen mit Anlauf den Abgang Richtung Fußboden. Im besten Fall eiert er in flachem Winkel an eine Kante heran und rutscht nur mit einer Kette drüber… dann fährt er sich fest und bleibt mit Glück oben. Aber ist der Winkel etwas steiler… Tschö, Vector.

Schade eigentlich. Das Ganze ist echt total niedlich und hat eine Menge Potential. Es funktioniert halt eben alles nicht richtig. Okay, Anki schiebt regelmässig Updates der Firmware nach und erweitert das ganze um Funktionen, und sie haben beim Vorgänger Cozmo gezeigt, dass die ihre Produkte auch länger weiterentwickeln und pflegen. Im momentanen und wohl auch mittelfristig zu erwartenden Zustand ist der Vector aber komplett nutzlos und ausser für ein paar Lacher zu nix gut. Wenn also nicht morgen Skynet noch mit was Relevantem um die Ecke kommt, mach ich mir bezüglich der Übernahme unserer Zivilisation durch Maschinen noch keine Sorgen.


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