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Re:Denkt hier wirklich gar niemand an ... flat
Autor: token
Datum:02.04.19 07:14
Antwort auf:Denkt hier wirklich gar niemand an ... von Bomber

Im Grunde ist Individualverkehr das wovon man wegkommen muss, und das ist auch nur ein kleines Puzzlestück. Aktuell kaspert man doch nur rum, die Umwälzungen die eigentlich stattfinden müssten wären massiv. Auch bei Menschen die man als Musterbürger begreifen könnte, ist der CO2-Austoß in der Regel absurd deutlich über dem was man sich gönnen könnte. Der ganze Wirtschaftskreislauf müsste auch so weit runtergefahren werden, dass wir das Resultat so einer Maßnahme aus unserem Blickwinkel als Zusammenbruch und Megakrise mit Massenarbeitslosigkeit begreifen würden. Unser ganzes System basiert integral auf Raubbau. Wir leben in einer grotesken Überflussgesellschaft, wo dieser Überfluss aber nicht als solcher reflektiert wird, sondern als Normalität die es irgendwie in einem geordneten Übergang zu konservieren gilt. Das kann aber kaum funktionieren wenn man denn mal ernst machen würde und das Problem ernst nehmen würde.

Ich persönlich hab noch Verhältnisse mitbekommen, wo man in der Spitze zu neunt auf 40qm gewohnt hat, der Luxus den man hatte ein kleiner Schrebergarten war der als Minibauernhof betrieben wurde und die Selbstversorgung unterstützte, dieser war einen fußläufigen Gewaltmarsch von der Wohnung entfernt. Diverse Nahrungsgüter waren nicht immer verfügbar, wenn sie verfügbar waren stand man stundenlang in einer Schlange, wenn man zu weit hinten war, waren die Güter auch wieder weg bevor man an die Reihe kam. Auch andere Dinge waren nicht normal, etwa Wasser, es gab zwar fließend Wasser, dieses war jedoch nur zum Waschen geeignet, die Oma ging auf Nummer sicher und kochte damit nicht mal Nudeln. Dieses Verzehrwasser wurde aus Brunnenanlagen nach Haus geschleppt, wo ich als Kind auch als kleiner Packesel geholfen habe.

Bei dem was wir als Normalität begreifen, hab ich als Kind erstmal einen kleinen Nervenzusammenbrauch erlitten, etwa beim Betreten eines mehrstöckigen Kaufhauses. Mir persönlich helfen solche Erinnerungen mich zu erden und auch mir etwaige Abstiegsängste zu nehmen weil es ein Bewusstsein dafür schafft dass sowas auch läuft, zwar ungeil ist, aber auch kein an sich untragbares Modell in dem man nicht irgendwie klar kommt. Und ich nehme unsere Gesellschaft so wahr, dass sich diese in einen riesengroßen Selbstbetrug flüchtet und Ideen hinterherhechtet die den Anspruch haben den aktuellen Stil irgendwie aufrecht zu erhalten, dann halt mit schönen Batterieautos und Fernwärme und Solarzellen auf dem Dach. Hätte vielleicht hinhauen können wenn man vor 50 Jahren angefangen hätte umzudenken. Jetzt ist dafür keine Zeit mehr da, aber auch das wird nicht anerkannt, und so letztendlich nur der Berg an Problemen die es bis zur Deadline der Unumkehrbarkeit abzutragen gilt, nicht abgetragen, sondern in Relation zu dieser Deadline weiter angehäuft. Ich denke das was wir eigentlich tun müssten würde eben zu einem Alltag führen der deutlich näher an meinen Kindheitserinnerungen ist als an Sorgen wie dass man auf dem Land ein Auto zum Überleben bräuchte.

Ich bin da wenig optimistisch, ich sehe uns in 30 Jahren nicht als sich selbst verwirklichende Lebenskünstler mit Robotern die unsere Jobs machen und Teslas die uns zu klassischen Konzerten kutschieren, sondern Milliarden von Flüchtlingen, aktuellen Wohlstandsgesellschaften die sich einpferchen und Schießbefehle an Grenzen aussprechen, aber ihren Stil aufgrund eines Zusammenbruchs des Wirtschaftskreislaufs auch nicht konserviert bekommen und sich dann auch gegenseitig bekriegen mit aufgebauten Waffenarsenalen die Gedankenspiele zum Thanosmove ins Leben rufen werden wenn die Kacke mal richtig am Dampfen ist.


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