Thema:
Re:Amazon Preisanpassung WTF flat
Autor: token
Datum:11.03.19 11:56
Antwort auf:Amazon Preisanpassung WTF von PoP

Erstmal zum Thema Sünde.
Scheiße ist, wenn ich als Kunde Serviceangebote eines Vertragspartners so auslote, dass der Vertragspartner mit mir als Konsument Geld verliert und mir das klar ist.
Also bspw. solche Stunts wo ich Ware beschädige, zurückschicke, und dann die beschädigte Ware zurückkaufe, oder aber, wenn ich mich in einem Produkt nicht entscheiden kann, einfach das Produkt in 6 unterschiedlichen Ausführungen kaufe, das zwei Wochen teste, und dann 5 Produkte wieder zurückgehen lasse.
Solcher Krempel ist halt etwas was man nach gesundem Menschenverstand unter Konditionsmissbrauch auslegen kann, wohlgemerkt nach gesundem Menschenverstand denn rein rechtlich gehen diese Geschichten.

Was wir hier haben ist eine klassische Preisfalle bei volatilen Preise. Warum ich mich als Käufer ärgere wenn ich etwas kaufe das kurzfristig massiv im Preis gesenkt wird, muss nicht erklärt werden. Das ist nichts ungewöhnliches, das ist komplett normal. Entsprechend ist Volatilität von Preisen etwas das durchaus eine Variable im Hinblick auf Preispolitik ist. Ich kann darüber dass meine Produkte preisstabil sind Kundenvertrauen gewinnen, selbst dann, wenn meine Produkte IMMER teurer sind als die der Konkurrenz. Stichwort Nintendo oder Apple. Vice versa, ich kann durch hohe Volatilität Kundenvertrauen verlieren, wenn es etwa schon berechenbar wird dass mein Produkt regelmäßig recht kurzfristig krass im Preis abstürzt und ich so einen hohen Wertverlust habe.

So ist nun auch die Preisfalle aus solchen Volatilitäten etwas dass man als Kulanzfall begreifen kann. Das Unternehmen Amazon hat das ursprünglich auch als Kulanzfall ausgelegt, nicht nur einfach so, sondern gar proaktiv. Wenn ein Produkt kurzfristig im Preis gesenkt wurde, dann hatten Käufer eine Preisgarantie und ohne zu fragen eine Gutschrift erhalten. Das hat auch viel viralen Imagegewinn getriggert. Und dann ging der Servicelevel seiner Wege. Aus proaktiv wurde reaktiv. Jetzt musste der Kunde nachfragen. Aber es wurde anstandslos gut geschrieben. Und aus reaktiv wurde irgendwann Wüste. Heißt, obwohl das Unternehmen rechtlich das Produkt zurücknehmen müsste, hat es Preissenkungen nicht mehr an den Kunden weitergegeben, sondern angefangen auf die Bequemlichkeit des Kunden zu wetten.


Grundsätzlich ist es so dass hier ein ziemlicher Wildwuchs aus Pipi-Langstrumpf-Prinzipien vorherrscht. Auf den Fall PoP werden nun alle möglichen Weltbilder nach Bauchgefühl projiziert. Amazon wird teils wie ein vernunftbegabtes Wesen begriffen das nach bestimmten Prinzipien Entscheidungen trifft, und gewisse Ausrichtungen aus der Vergangenheit nun umgemodelt hat aufgrund von Kundenverhalten.
Das ist Unfug. Amazon ist ein Konzern und kein Mensch, ein Konzern trifft Entscheidungen anhand von Zahlen und der Gewichtung dieser Zahlen.
Dabei ist eine Korrelation Kundenverhalten und Servicelevel irreführend, denn wir beobachten nur normale Marktmechanismen die losgelöst von Kundenverhalten die Regel darstellen.
Ein Markteinsteiger gewichtet Kostenfaktoren anders als ein Marktbeherrscher.
Der Einsteiger stellt sich die Frage, wie überzeuge ich Kunden, wie schlage ich die Konkurrenz, was bekommt der Kunde bei mir dass er bei der Konkurrenz nicht bekommt. Wenn es um Dinge wie Qualität oder Service geht werden Kosten anders bemessen und als Investment begriffen. Hat man sich etabliert sind das halt laufende Kosten wo man sich fragen kann, ob man mit Kürzungen in diesen Segmenten Gewinne optimieren kann. Komplett normal und sieht man überall.

Hierbei ist in der Phase Investment einkalkuliert was für Flanken man öffnet, teils nicht nur einkalkuliert sondern Feature mit dem gar geworben wird. Wenn Zalando Werbung gemacht hat mit Prosecco-Parties dann ist das ein Feature das auf Rückversand setzt. Die Message ist klar, liebe Jutta, was quälst du dich mit deinem vorwurfsvoll kuckenden Ehemann in den H&M und reihst dich vor der Kabine in Schlangen ein, hol dir deine Chickas nach Hause, hol dir den H&M nach Hause, und dann mal schön zur Fashionparty abhotten. Mittelfristig ist das aber auch für Zalando kein einträgliches Konzept, sondern eine Strategie um eine Kundenbindung aufzubauen.

Amazon hat sich als Unternehmen unter anderem mit einem göttlichen Servicegedanken im Markt postiert. Von diesem Service ist tatsächlich nicht mehr viel übrig, Kulanzfälle sind aber vergleichsweise selten im Massengeschäft, so dass nach wie vor im Kopf der Menschen Amazon mit so einem Gütesiegel versehen ist, was denen natürlich schmeckt. Es werden nur die Kunden desillusioniert die dann die Kulanz suchen.

Im Falle PoP hat man jedenfalls einen ganz klassischen und komplett berechtigten Kulanzfall. Es ist ein Ärgernis das über stabile Preispolitik vermieden werden kann. Und wenn es zu so einem Ärgernis kommt, wäre das auch beim Einzelhändler ein Kulanzfall über den auch im kleinen nachgedacht werden würde. Wenn ein treuer Kunde vor dem Einzelhändler steht und gefrustet ist weil er ein superkrasses Aktionsangebot um Tage verpasst, dann wird auch der Einzelhändler abwägen was ihm wichtiger ist, die Kundenbindung oder die Moneten mit der Gefahr den Kunden zu verärgern und seine Treue die er langfristig braucht zu verlieren.
Der Aspekt mit dem Fernabsatzgesetz hat damit nur rudimentär zu tun, auch ohne dieses wäre das ein Kulanzfall. Wir reden hier auch nicht um Peanuts sondern 600 Euro. 600!

Das Fernabsatzgesetz führt hier nur dazu dass der Kunde gar nicht auf Kulanz angewiesen ist. Und was wir hier sehen ist auch nicht dass ein Unternehmen in einem Einzelfall auf Kulanz bewusst verzichtet, sondern einen Einzelfall der eine Groteske erzeugt. Nämlich die, dass das Unternehmen die unkomplizierte Kulanz verweigert und sich dadurch selbst schadet und beim Kunden einen schönen Schenkelklopfer erzeugt, der diese Absurdität nicht versteht.
Das ist aber schnell erklärt, Konzerne haben klare Regelwerke und die sind oftmals so starr dass in Einzelfälllen Unfug entsteht. Entsprechend gibt es manchmal wenn es um Service geht Abteilungen für Sonderfälle die im Service mehr Spielräume haben, Verträge umschreiben können, Sondermaßnahmen treffen können, wenn ein Einzelfall krass durch die Maschen geht.

Hier haben wir einen Einzelfall der krass durch die Maschen geht. Dabei würde bei einer Einzelfallbetrachtung einem kompetenten Servicemitarbeiter auffallen dass es hier nichts zu gewinnen gibt. Bei so einem hohen Geldbetrag ist es schlichtweg unwahrscheinlich dass die Wette Bequemlichkeit für das Unternehmen aufgeht. Es kann aber sein dass der Servicemitarbeiter dass entweder anders bewertet, oder aber, dass er den Irrsinn selbst erkennt aber gar keine Handhabe hat um im Regelwerk darauf angemessen reagieren zu können, und dem Kunden halt die brute force Maßnahme Rückversand und Neuversand vorschlägt.


tl;dr:
Was hier teilweise geschrieben wird ist irrsinnig, weltfremd und selbstgerecht bis zum geht nicht mehr. PoP hat einen normalen Kulanzfall, dass dieser so kurios aufgelöst wird liegt an Amazon. PoP hat das gemacht was jeder Mensch der noch alle Latten am Zaun und keinen InfiniteMoney-Cheat am Start hat machen würde.
Sich was aus dem Hintern zu friemeln um Vorwurfskonstruktionen Richtung PoP zu schicken ist halt alltäglicher Maniac-Wahnsinn, geht mal in euch ey, die Geschichte ist derart glasklar dass es nicht mal Spielräume für solche Auslegungen gibt.
Natürlich kann man das als Aufhänger nehmen um Grundsatzdiskussionen zu führen, nur sollten solche nicht auf dem Rücken dieses Einzelfalls ausgetragen werden.


< antworten >