Thema:
Dem würde ich in Teilen widersprechen flat
Autor: token
Datum:18.02.19 20:53
Antwort auf:Mal aus der Perspektive eines solchen Kindes... von Pezking

Es hängt halt von einem selbst ab.
Mir fiel es immer unglaublich einfach mir Krempel anzueignen. Dabei gab es immer Dinge die leichter fallen und Dinge die schwerer fallen.
Meine persönlichen Handicaps waren Sport und Kunst. Die Lehrer in diesen Fächern haben teilweise gemutmaßt ich würde sie aktiv verarschen wollen mit dem was ich da so an Leistung produziert habe. Dabei hab ich alles aus mir rausgeholt, das waren einfach Dinge, da konnte man auch mit Fleiß und Willen nicht mehr gegensteuern. So etwa der Sportlehrer der mich anschrie ich solle meine Beine schneller bewegen, woraufhin ich beim nächsten Sprint kürzere Schritte gemacht habe damit es schneller ausschaut aber letztlich noch langsamer wurde. Ungefähr so als wolle man Sehschwäche mit einem hohen Maß an Anstrengung beim Kucken ausgleichen. Aber es waren auch Fächer in denen sichtbares Bemühen bei Kackleistungen ausreichte um sich ein Befriedigend zu holen.

Aber wirklich alles andere, da wäre locker eine 1 oder eine 1+ drin gewesen.
Eine Zeit lang kam mir alles zugeflogen, ohne jedwedes Anstrengen und Lernen hab ich entsprechend 1er-Schnitte gehabt. Der wie du es nennst ökonomische Umgang mit Freizeit war permanent gegeben. Das einzige was mich aus Eigenantrieb und Lust dazu brachte mich auch in der Freizeit damit zu beschäftigen war Mathe und Informatik. Weil es Spaß gemacht hat. Ansonsten hab ich nix gemacht. Nix. Hausaufgaben? Nö. Höchstens wenn mich ein Lehrer ermahnt hat, da wollte ich nicht auffallen, hab den Wecker auf 6 Uhr gestellt und in einer halben Stunde die Dinge produziert die ausreichend waren um nicht vermerkt zu werden. Und viele Lehrer haben mir das nicht machen von Hausaufgaben gar komplett durchgehen lassen, Höhepunkt war wohl eine Lehrerin die eine Hausarbeit aufgetragen hatte für die man zwei Wochen Zeit hatte, und als ich ihr präsentiert habe das da gar nichts an Ergebnis ist weil das Wetter so gut war (no shit) sie das mit einem:
"Ich weiß ja dass du es kannst, aber für sowas kann ich dir nicht mehr als ein Befriedigend geben" quittierte. Denk ich mir nicht aus. Befriedigend für Nullkommanix. Befriedigend als Abmahnung während sie sich nicht zu Schade war selbst mehrseitige Arbeiten mit einem Mangelhaft zu strafen. Komplett verrückt die Alte.

Mit der Zeit kamen aber zunehmend Inhalte die einfach nicht ohne lernen gehen. Eine Fremdsprache packst du nicht wenn du keine Vokabeln übst. Englisch war easy, Gaming war Hobby, Englisch Standard, wenn da ein Wort war was ich nicht verstand im Spiel wurde es nachgeschlagen, Schulwissen permanent durch Medienkonsum gefestigt.
Aber Französisch? Oje.
Erdkunde? Auch hier. Regelmäßig macht man sich ja darüber lustig wenn bei Passanten Schulwissen abgefragt wird. Hauptstadt von so und so. Wie viele Bundesländer gibt es. Wo auf der Karte liegt eigentlich die Türkei.
Meine schamvolle Beichte, das sind Dinge bei denen ich selbst heute noch ausschauen würde wie der letzte Vollhorst.
Durchgemogelt hab ich mich hier oftmals vor Klausuren mit meinem sehr guten Kurzzeitgedächtnis, ein durchstormen von Schulbüchern am Abend und vor allem Morgen vor der Klausur hat gereicht um es haaaaalbwegs parat zu haben, und dann war es wieder gone weil ich es nicht gefestigt habe.

Gut war ich immer dann wenn es möglich war sich mit einem sehr reduzierten Basiswissen Dinge schnell herzuleiten. In Mathe habe ich nie Formeln gelernt, ich habe mir Formeln angesehen und dann wollte ich verstehen warum die Formel funktioniert. Woher das kommt. Hatte ich das, hatte ich alles was ich brauchte. Problemstellungen in Klausuren hab ich entsprechend oft gar nicht nach Schulbuch gelöst, sondern mit abenteuerlichen Herleitungen, wobei mein Lehrer hier wohl eher Langeweile und Herausforderung es anders zu machen als Trigger sah, und nicht den wahren Grund, nämlich dass ich MEGAfaul war und nie gelernt habe.

Whatever, das Ding ist, diese Unfähigkeit sich selbst zu disziplinieren und Dinge durchzuziehen die einen langweilen ist bis heute ein Handicap für mich. Ich wünschte mir durchaus man hätte mich als ich noch formbar war mal konsequent in den Arsch getreten. Diese Form von Faulheit war nicht angeboren, sie hat sich halt in mein Verhalten eingeschlichen, einfach weil man damit durchgekommen ist. Des weiteren, genau die Dinge die man sich nicht erfuschen kann mit elaborierter Laberei oder mit Logik sondern die man sich in den Kopf prügeln muss, die sind mir zunehmend abhanden gekommen und die hab ich obwohl ich ein mal die kompletten Schulferien zur Aufarbeitung nutzen wollte nie aufgeholt bekommen.

Und hier hatte ich halt Lücken, da musste ich mogeln, musste spinksen, musste abschreiben, und selbst da gab es teils arge Probleme. Ab der achten Klasse bis Oberstufe wo Problemfächer abwählbar waren hab ich jedes Jahr um meine Versetzung fürchten müssen, weil ich da immer Gefahr lief in Französisch eine 6 zu kassieren. Ich hab bei einer 5 halt echt die Schweißperlen von der Stirn gewischt. Meine Strategie war mich im Unterricht mündlich zu engagieren. Was meiner Lehrerin halt den letzten Nerv geraubt hat, weil ich immer aufgezeigt habe, aber kein Wort französisch sprechen konnte.

Dieser ganze Berg an hausgemachten Schulproblemen hat mir so einige schlaflose Nächte bereitet und mich ständig gestresst wenn Prüfungen am Start waren. Und das war einfach komplett unnötig. Abseits von Sport und Kunst wäre jedes Fach auf eine 1 zu bringen ein Zuckerschlecken gewesen. Eltern die sich irgendwie für mich interessieren, mich da unterstützen, unter die Arme greifen, mir Hilfestellungen geben wie ich den inneren Schweinehund gezähmt bekomme, und die mir dort wo ich es nicht hinkriege den nötigen Druck machen, das alles hätte meine Jugend deutlich einfacher gemacht als sich als Prokastinator Strategien auszudenken mit denen man kaschieren kann dass man einfach ÜBERHAUPT nicht lernt. Es war so absurd dass ich beim Abitur (drei Tage bevor es losging riss ich mich halbwegs zusammen und schloss im Grunde Wetten darauf ab was drankommen könnte und hab nur das überflogen) überhaupt nicht einschätzen konnte ob ich jetzt durch bin oder ob ich durchgefallen bin, ich konnte meine Noten im Grunde nur in Mathe und Informatik antizipieren, beim Rest Null Peil so dass ich tatsächlich hochgradig überrascht war das zweitbeste Abi der Stufe zu erhalten. Was dann natürlich nicht der Schuß vor den Bug war den ich wohl dringend gebraucht hätte, so dass sich das Drama im Studium fortsetzte und ich da immerhin schnell gerafft habe dass ich da nicht glücklich werde und gezielt in eine Ausbildung gegangen bin, bei der das Format so gelagert war dass jeden Freitag Klausuren über den Stoff der Woche geschrieben wurde. Da wo andere gekotzt haben hab ich gar gezielt so ein Format gesucht damit ich permanent Druck spüre.


Jeder Mensch ist unterschiedlich, aber mich hat das speziell zur Schulzeit alles enorm gestresst und teils auch krass deprimiert, und es wäre nicht viel an Aufwand notwendig gewesen um mir diesen sinnfreien Stress zu ersparen. Irgendwann ist man so von den Dingen hinterher die man schlicht und ergreifend auswendig lernen oder verstehen muss, so dass da auch keine Perspektive mehr da ist wie man das aufholen kann, weil darauf aufgebaut wird und dann absolute Basics fehlen. Und was an Basics fehlt wird mehr und mehr und irgendwann ist es so viel dass man checkt, der Zug ist abgefahren.

Entsprechend achte ich bei meiner Tochter sehr auf diesen Schlendrian den ich immer wieder mal erkenne und da aktiv gegensteuere. Das was ich ihr an Lerntechniken und Problemlösungsstrategien zeige bezieht sich in erster Linie auf methodisches Vorgehen, darin wurde ich naturgemäß gezwungenermaßen recht fit. Vom aktiven Lernen bring ich sie vornehmlich bei Mathe ab, ich halte den Ansatz Menschen Mathematik auswendig lernen zu lassen für komplett bescheuert und muss auch über das Vorgehen ihres Lehrers den Kopf schütteln. Hier ist die Devise, verstehe Warum, wenn du verstehst Warum kannst du dir die meisten Schulformeln aus der Hüfte herleiten. Mathe ist nicht Formeln zu pauken und ihre Anwendung zu erkennen ohne zu begreifen was du da eigentlich machst. Lerne zudem methodisches Vorgehen, mache aus einem großen Problem viele kleine Probleme, wenn das nicht geht schau ob du das große Problem nicht transformieren kannst. Sei kreativ, vertrau deinen Ideen und schau wo sie hinführen. So Krempel halt. Da hab ich mal genauer hingesehen als sie anfing mit Mathe zu hadern und konnte sie da tatsächlich verbessern. Nicht mit dem Schulstoff sondern mit Problemlösungsstrategien und dem Rewind von Formeln auf ihre Herleitung. Aber da wo sie sagt, ich mach das morgen, Alarmstufe Rot. Das sind meine Gene. Da steuer ich gegen. Und ich denke das ist richtig so, sie hat so auch Spaß an der Schule, Angst vor der Schule braucht kein Mensch.

Das ist natürlich was anderes wenn nicht Faulheit des Pudels Kern ist sondern wenn die eigenen Anlagen so sind dass man mit Stoff tatsächlich überfordert ist. Und da Erwartungen aufgebaut werden die man nicht bedienen kann. Mir persönlich hätten ja auch Nachhilfen in Sport und Kunst nichts gebracht, da war Hopfen und Malz verloren. Und das was für mich Sport war, das kann bei einem anderen eben sowas wie Biologie sein. Keinerlei Zugang, egal wie man sich müht. Da sollte man auch irgendwo Druck wegnehmen wenn es Inselschwächen sind und das Kind das einfach nicht kann, und pragmatische Wege anvisieren und auch schwache Noten als die Erfolge feiern die sie darstellen.
Aber "ich hab kein Bock, wer braucht das schon" würde ich selbst nicht gelten lassen. Nicht um Leistungsdruck aufzubauen sondern um vor dem Druck und Stress zu beschützen der entsteht wenn ein Kind durch Faulheit oder Unlust den Zugriff verliert. Ich selbst kann hier aber kaum Ratschläge geben da es bei uns schon reicht so aufkeimende Tendenzen im Keim zu ersticken und es ihr von den Anlagen  her wirklich leicht fällt mit einem normalen Maß an Aufwand sehr gute Noten rauszuholen. Da ist mir auch bewusst dass das ein ziemliches Glück ist, da kann ich keine Tipps geben, das sind bei ihr halt gute Anlagen und keine Leistung der Eltern. Aber wenn es um laissez faire bei Unlust geht, da bin ich gebranntes Kind und kann keinesfalls resümieren dass das für mich der richtige Weg war sowas laufen zu lassen.


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