Thema:
Meine Großeltern und der Krieg flat
Autor: Lord Chaos
Datum:12.02.19 14:34
Antwort auf:Mit Vater über den Krieg geredet von Doc Ower

(Stief)familie väterlicherseits:

Mein Grossvater väterlicherseits hat relativ wenig über den Krieg erzählt.
Kam 44 zum Heer, was genau er gemacht hat, wollte er nie sagen - nur einmal hat er sich gegenüber meinem Vater wohl im Suff verquatscht, er wurde einem Exekutionskommando zugeteilt, auf wen er schießen musste, hat er meinem Vater nie verraten.
War kurz in französischer Kriegsgefangenschaft, wurde aber schnell wieder laufen gelassen.
Seine Erlebnisse haben dennoch ziemliche Spuren hinterlassen, sei es in der Erziehung seiner Kinder oder dass er zeitlebens ein Alkoholiker war, der sich wohl die Erinnerung wegtrinken wollte  - oft haben ihn auch Albträume geplagt.


Familie mütterlicherseits:

Zu meinem Großvater kann ich nicht viel sagen, da er selbst erst 40 geboren war und meine Großeltern sich auch trennten, bevor es mich gab, dafür weiß ich recht viel über meinen Urgroßvater sowie meine Oma; mein Uropa war Steinmetz und sehr angesehen in dem kleinen Städtchen - und war aktives SPD Mitglied, der sich auch die ein oder andere Saalschlacht mit der SA geliefert hat.
Als Folge dessen wurde er kurz nach der Machtergreifung Nachts von der Gestapo abgeolt und nach Leonberg gebracht, wo er für mehrere Wochen im Haft saß - alle Versuche meiner Uroma herauszubekommen, weswegen er verhaftet wurde (es gab nicht mal eine Anklage) waren zum Scheitern verurteilt.
Und als er wieder kam, war er wohl nur ein Schatten seiner Selbst - er konnte auch aus gesundheitlichen Gründen seinem Beruf nicht mehr nachgehen und musste seinen Betrieb für den sprichwörtlichen Appel und Ei verkaufen, zudem wurden sie massiv von der restlichen Dorfbevölkerung geschnitten, sieht man von ein paar Ausnahmen ab.
Seine Klappe hat er allerdings dennoch nicht halten können, so dass er kurz vor Kriegsbeginn wieder verhaftet wurde nach Dachau kam - wo er dann an einer "Lungenentzündung" gestorben ist.
Für meine Uroma war es die Hölle pur - nicht nur den Verlust des Mannes und des Versorgers, dazu musste Sie sich noch um meine Oma kümmern, sowie damit klarkommen, dass sie quasi im Dorf als Paria galt.
Krass auch, dass dieselben Leute, die sie geschnitten haben (u.a. auch beide Pfarrer), nach 45 dann sich mit ihr gutstellen wollten. Meine Uroma hat aus ihrer Verachtung für die Leute allerdings nie einen Hehl gemacht.

Bei meiner Oma hat das ebenfalls sehr lange nachgehallt - Schulbildung war quasi kaum vorhanden, selbst Lesen und Schreiben ging nur mit Ach und Krach, es wurde alles gehortet, was nicht niet- und nagelfest war, vor allem Essen. Die Gute hat wirklich NICHTS wegwerfen können, was auch kein Wunder war, die Arme hat zeitlebens als Kind immer Hunger gelitten, selbst als es den meisten Deutschen noch relativ gut ging.


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