Thema:
Nicht "die Medien". flat
Autor: Pezking
Datum:21.01.19 15:09
Antwort auf:Und die Medien setzen mit Covington noch einen drauf von alex

Das Hauptproblem ist der Umgang der Presse mit Geschehnissen in sozialen Netzwerken.

Sind in sozialen Netzwerken alle viiieeeel zu schnell hysterisch? Werden dort Debatten oft geführt wie sportliche Wettkämpfe? Neigt man dort zu voreiligen Schlüssen? Werden dort individuelle menschliche Schwächen in anonymen Gruppen uferlos potenziert?

Ja, überhaupt keine Frage.

Nun haben soziale Medien heute leider eine ungeheure Reichweite, und damit auch schnell unmittelbare Auswirkungen auf das reale Leben.

Damit gehört es leider zum öffentlichen Auftrag zur Presse und deren Chronistenpflicht, darüber zu berichten. Wenn 100.000 Leute in kurzer Zeit zu irgendwas Stellung beziehen, rechtfertigt das zweifellos eine Meldung.

Das bedeutet nicht, dass man solche Vorkommnisse als Wahrheiten darstellt. Man berichtet darüber, man weist auf die Existenz von besonders ausufernden "Shitstorms" hin - ohne deren Inhalt als nachrecherchierten Fakt darzustellen.

Natürlich birgt das Risiken. Selbst wenn man nur nüchtern wie hier über ein Video berichtet, in dem dies und das zu sehen ist und auf dessen Basis sich große Empörung entwickelte - also ohne den Wahrheitsgehalt des Videos zu bestätigen - potenziert man allein dadurch die Reichweite eben jener Empörung.

Berichtet man jedoch nicht darüber, oder mit tagelanger Verspätung erst nach eigener Recherche, ist es auch schon wieder zu spät.

Für klassische Pressearbeit eine beschissene Zwickmühle. (Ich bin heilfroh, nur für wöchentlich erscheinende Zeitungen zu schreiben. Auf Tagespresse oder gar Onlineredaktionen hätte ich echt keine Lust.)

Früher hätte man ein solches Video der Presse zugespielt, die hätte es in Ruhe prüfen können und selbst bestimmt, wann und wie sie damit an die Öffentlichkeit geht.

Heute kann jeder Hans und Franz in seinen eigenen vier Wänden ein maßgeschneidertes Propagandavideo zusammenschustern, selbst veröffentlichen und ziemlich zielstrebig gewaltige Reaktionen provozieren. Und damit auch die Presse in Zugzwang bringen.

Aus dieser Zwickmühle nun ausgerechnet der Presse einen Strick drehen zu wollen, ist unredlich. Da kann man sich von mir aus gerne auf den Boulevard stürzen, der schon seit Jahrzehnten gerne alles im besten Social-Media-Style hysterisch aufbläst. Oder irgendeinem unseriösen Clickbait-Bums. Aber damit irgendein ausuferndes Lügen-Systempresse-Fake-News-Narrativ untermauern zu wollen, ist bescheuert und verwerflich zugleich.


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