Thema:
Ist beim Spiegel aber schon lange Realität flat
Autor: alex (deaktiviert)
Datum:23.12.18 13:29
Antwort auf:Die Verniedlichung der Welt von Rand al'Thor

Siehe Interview mit Giovanni di Lorenzo:

[http://www.spiegel.de/spiegel/fall-claas-relotius-interview-mit-giovanni-di-lorenzo-a-1245065.html]

SPIEGEL: Manche Kollegen, auch bei uns, meinen, die Reportage habe sich zu sehr vom allgemeinen Journalismus wegbewegt in Richtung Literatur. Ist es das, was Sie anfangs mit Deformation meinten?

Di Lorenzo: Auch. Bei einigen Arbeiten, die für den Nannen-Preis eingereicht werden, frage ich mich: Ist das noch Journalismus oder schon ein Roman? Und in Ihrem Haus gibt es ja nicht nur einen Reporter, der gern Romane schreibt.

SPIEGEL: Wo sehen Sie da ein Problem?

Di Lorenzo: Die sprachlichen Standards von Literatur sind anders, die kompositorischen, die dramaturgischen - ein normaler Reporter kommt da nicht mit. Der hat schnell das Gefühl, er schreibt eine wahnsinnig fade Geschichte.

SPIEGEL: Nun kann die Lehre nicht sein, schreibt langweilige Geschichten.

Di Lorenzo: Natürlich nicht. Das ist der tägliche Kampf, den wir führen: Mittelmäßige und langweilige Geschichten sind und bleiben eine Zumutung! Andererseits gibt es die eine oder andere Reportage, bei der es mittlerweile so ist wie bei der Überzüchtung von Hunden oder Pferden - zu schön, um noch authentisch zu wirken. Bei manchen Stücken bleibt keine Frage offen: Der Reporter ist die allwissende Instanz, die auch die letzten Winkel oder die Regung in der Seele eines Menschen noch herausfindet. Manchmal kommt aber der größte Erkenntnisgewinn nicht aus der Gewissheit, sondern aus dem Zweifel, den ein Journalist äußert.


Für mich ist der Spiegel daher in den letzten Jahren unlesbar geworden, während ich ihn früher jede Woche gekauft habe. Der Leser wird von den eigenen Gedanken entmündigt und ihm wird eine fertig servierte Geschichte auftischt, alles passt so schön zusammen, es wird ihm sogar gesagt wann er sich dann aufregen darf. Das ist aber schon lange im Journalismus üblich. Der Spiegel treibt es nur am weitesten. Und natürlich fällt da dann ein solcher Fall nicht mehr auf.


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