Thema:
Die Lust an allem Schuld zu sein flat
Autor: Telemesse
Datum:01.12.18 13:29
Antwort auf:Die M! Tageszeitung - Journalismus VI von ChRoM

Interessanter Artikel darüber wie sich die säkulare Gesellschaft ihre eigene Ersatzreligion schafft um damit unbequeme Sachfragen mit ideologischen Weltbildern umschiffen zu können.

„Der Begriff des "ökologischen Fußabdrucks" entwirft das Bild eines Schädlings, der mit jedem Schritt Unheil anrichtet. Im Gegenzug wird "Natur" zum Ort des Heils. Sie verspricht ein ursprüngliches Paradies, dessen Rekonstruktion auch dann geboten scheint, wenn sie die gezähmte Lebenswelt, die moderne Zivilisation konterkariert.“

„Die Natur, was immer darunter verstanden sein soll, wird nunmehr als eine Art Gottheit verehrt, die gnädig gestimmt werden muss. Sie verlangt negative Opfergaben in Form des Verzichts – des Verzichts auf Sicherheit, auf Bequemlichkeit, auf das gute Leben, das immer schon falsch ist. Sie verlangt Askese. Askese ist eine der ältesten religiösen Übungen. Für die unchristlichen Erben des christlichen Abendlandes besteht das gute Gewissen darin, ein schlechtes Gewissen zu haben.“

„Niemand, der vernünftig ist, bezweifelt die Notwendigkeit, Ressourcen zu schonen und mit Tieren anständig umzugehen. Im Kern ist das ein Problem, das ordnungspolitische Antworten erfordert. Wenn jemand, der eine Familie zu ernähren hat und knapp bei Kasse ist, im Supermarkt Schweinefleisch kauft, das billigste und effizienteste Nahrungsmittel, dann liegt die Schuld, wenn es denn eine gibt, nicht bei ihm, sondern bei einer Agrarpolitik, die der Fleischindustrie mit Subventionen und nachlässigen Kontrollen zuarbeitet. Der Fleischverzehr ist keine moralische Frage, sondern eine politische.“

„Das Jüngste Gericht findet nun täglich im Netz statt, und an die Stelle der christlichen Heilserwartung ist die säkulare Unheilserwartung getreten. Dass die von Gott geschaffene Welt trotz aller Kriege und Katastrophen eine schöne, eine zu bewundernde Welt sei, an der wir uns hin und wieder auch freuen sollten – dies spielt in der gegenwärtigen Zeitstimmung keine Rolle. Jetzt lernen die Kinder schon in der Schule, dass der Mensch ein Übeltäter und das Unheil universal ist.“

„Es ist der Mann, der weiße Mann, der weiße alte Mann, der im Zentrum des Verdachts steht. Er verursacht die Klimakatastrophe, betreibt den Raubbau an der Natur, er ist verantwortlich für Rassismus, Sexismus, Kolonialismus und all die anderen schrecklichen Ismen. Das Tribunal, das überall errichtet wird, kennt natürlich auch kleinere, von Fall zu Fall wechselnde Übeltäter: den Dieselfahrer, den Raucher, den Fleischfresser, den Islamkritiker. Für das Böse, das es seltsamerweise immer noch gibt, muss irgendjemand verantwortlich sein. Wenn es nicht der Teufel ist, dann muss es unser Nachbar sein.“

[https://www.zeit.de/2018/43/schuld-erbsuende-moral-gnade-verweltlichung-politik/komplettansicht]

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