Thema:
Stellvertretend hier: Danke, ihr Mäuse! <3 flat
Autor: Slochy
Datum:28.11.18 13:20
Antwort auf:Meine Power von Slochy

Und @Bozbar, damit das nicht womöglich untergeht:

>Meinen allergrößten Respekt Herr Lochmann!

Danke! :-*

>Sein Leben so umzukrempeln und sich um beide Eltern zu kümmern ist schon ein ziemlich krasses Ding und leider durchaus nicht selbstverständlich für viele Kinder.

Das ist ein guter und (leider) wunder Punkt, den du da ansprichst. Die ganze Schose hat u.a. auch dazu geführt, dass ich mit meiner Schwester komplett gebrochen habe und sie bis an mein Lebensende eine Persona non grata bleiben wird. Es ist schier unglaublich, wie Menschen sein können, die vor ein paar Dutzend Jahren durch den selben Geburtskanal in die Welt geschissen wurden. Allein mit der Story könnte ich Bücher füllen. Und auch, wenn das hier niemanden etwas angeht, möchte ich zumindest in einem Satz anreißen, was (u.a.) los war: Meine Schwester hat in der Zeit, in der sie vortäuschte, hin und wieder zu Besuch da zu sein und mich zu unterstützen, systematisch meine Eltern um mehrere zehntausend Euro bestohlen.

Von so einem Bullshit jetzt mal abgesehen: Natürlich müssen aber gewisse Lebensumstände passen, damit man sich ein solches Projekt überhaupt aufhalsen kann. Ich habe keine Kinder, und meine Beziehung war Anfang des Jahres auch nicht mehr die Allerfunktionabelste, während mein Bruder frisch Vater geworden war. Für uns beide war aber schon vor ein paar Jahren klar, als wir merkten, dass mit meiner Mutter etwas nicht stimmt, dass wir uns beide die Ärsche so weit aufreißen würden, wie es nur eben geht, damit keine(r) von beiden in ein Heim muss. Durch den Schlaganfall meines Vaters im Dezember 2014 ist bei uns insgesamt allerdings auch wahnsinnig viel zusammengewachsen.

Anyway, ich habe mich dann letzten Endes der Hauptverantwortung gestellt und bin der Meinung, dass es goldrichtig war, auch wenn ich zwischenzeitlich aus allen Löchern pfiff.

>Ich habe das selber vor einigen Jahren teilweise mitbekommen als mein Vater nach dem Tod meiner Mutter zunächst psychisch (nach über 50 Jahren Ehe) und dann nach zwei Schlaganfällen auch körperlich in ein tiefes Loch gefallen ist. Ich bin damals jedes Wochenende in die Heimat zu ihm gefahren und habe mich um ihn gekümmert, den Großteil hat aber meine Schwester, die vor Ort lebte, übernommen. Aber selbst die Wochenende gingen schon ziemlich an die Substanz, aber wie Du schon sagst bekommt man da auch einen ganz anderen Blick auf "Probleme", die man vorher meinte zu haben.

So ähnlich war es bei uns auch, mein Bruder und ich wechselten uns quasi jedes Wochenende ab, was damals noch gereicht hat. Aber irgendwann tat es das eben nicht mehr, da es mit meiner Mutter plötzlich in einem irrsinnigen Tempo bergab ging. Heute vor einem Jahr hat sie überhaupt erst ihre Pflegestufe bekommen, nachdem sie zwei Jahre zuvor mit Demenz diagnostiziert wurde. Heute vor einem Jahr war quasi alles noch so einigermaßen im Lot. Fast Forward ein Jahr später: Ich besuchte meine Mutter gestern im Pflegeheim und habe einen komplett fremden Menschen vor mir, der nicht mehr konkret weiß, wer ich bin.

>Die Belastung, wie es ist, sich alleine um beide Eltern zu kümmern, mag ich mir gar  nicht ausmalen. Ich hoffe, dass ihr da die Hilfe von Pflegediensten in Anspruch nehmt?

Ja. Durch meinen Vater haben wir seit Jahren täglich die Diakonie im Haus, die ihn wäscht und anzieht. Als meine Mutter ihre Pflegestufe bekam, durfte die Diakonie dann auch für sie aktiv werden und hat mir, nachdem es anfangs nur um die Verabreichung von Tabletten ging, später beim Waschen/Duschen/Anziehen geholfen. Ohne die wäre das komplett unwuppbar gewesen. Und ohne die hätte ich im Sommer wahrscheinlich auch den Absprung verpasst, meine Mutter in der Tagespflege unterzubringen, weil ich der Meinung war, es sei noch nicht nötig. Von da an folgte dann quasi eine Kettenreaktion. Während die Tagespflege einen Monat lang cool war, ging es mit meiner Mutter täglich bergab. Sie war in der "Läufer"-Phase, hatte plötzlich einen unablässigen Bewegungsdrang und konnte keine 30 Sekunden still sitzen. Wieder zuhause angekommen, musste man sie von 17.30 Uhr bis zum nächsten Morgen um 9.30 Uhr, als sie wieder vom Bus zur Tagespflege abgeholt wurde, im Auge behalten. Auch nachts. Ich hatte in der Phase einen nächtlichen Schlaf von ungefähr zwei bis drei Stunden. Es war der pure Horror.

Als ich dann komplett auf dem Zahnfleisch ging, habe ich die Kurzzeitpflege beantragt, in der meine Mutter dann von Anfang August bis Ende September war. In dieser Zeit verschlechterte sich ihr Zustand weiterhin zusehends. Neben ihrem Bewegungsdrang, der sogar dazu führte, dass sie nachts in die Zimmer anderer Bewohner ging und sich zu ihnen ins Bett legen wollte, kamen aggressive Eskapaden hinzu, die selbst medikamentös nur schwer zu bändigen waren. Jeden Tag wurde ich angerufen und darüber informiert, was meine Mutter wieder für einen Scheiß gebaut hätte.

Mittlerweile ist sie vollstationär in Pflege. Es ist das dritte Pflegeheim. In den vorherigen passte es aufgrund eben kurz angerissener Problematiken nicht dauerhaft. Auch das hat mich irrsinnig zermürbt, da der der gesamte (auch bürokratische) Aufwand, ein neues, hoffentlich passendes Pflegeheim finden zu können, in dem sie sich hoffentlich wohl und eines Tages zufrieden fühlt, super anstrengend ist. Ach, im Grunde war das komplette Jahr eine Sammlung diverser Clusterfucks.

>Wie gesagt, Respekt vor der Entscheidung, aber pass auch auf, dass Du deine eigenen Bedürfnisse nicht komplett hintenan stellst!

So langsam kehrt mein Leben wieder zurück. So langsam penne ich wieder jede Nacht durch. So langsam gewöhne ich mich auch an die Anrufe ihres aktuellen Pflegeheims, dass es ihr gut geht und auch sie mal eine Nacht durchgepennt hat. Es gab Zeiten, da wollte ich nicht mehr ans Telefon gehen. Aber ich glaube und fühle, dass es so, wie es jetzt gerade ist, richtig ist. Und das ist ein ziemlich cooler Gedanke.


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