Thema:
Mal kurz ein paar Antwortthemen angerissen... flat
Autor: Xtant
Datum:22.11.18 18:47
Antwort auf:Es ist abartig... von Xtant

Zuerst: ich habe nix gegen den Onlinehandel. Das wurde mir komplett falsch ausgelegt. hab ich so auch nie gesagt. Ich bekomme ja selbst Pakete. ;-)
(In meinem Hobby läuft hier stationär praktisch gar nix)

Und dann: ICH bin nicht die Post. Ich arbeite nur für sie. Nur wenns dann in fünf Jahren die Zustellung ind er jetzigen Form nicht mehr gibt und alles (noch) schlechter, teurer oder umständlicher wird, heulen alle. Und, da bleibe ich dabei,  wollen nicht kapieren, dass sie mit ihrem teilweise völlig maßlos-unreflektiertem Konsumverhalten mit dazu beigetragen haben. Und damit meine ich längst nicht alle. Gegen den normalen Paketbesteller habe ich nix. Doch manche meinen, sie sind immer der König und gleichezitig selbst zu faul, mal eben 30 Sekunden in eineBriefkastenbeschriftung zu investieren. Selbst dann, wenn ich ihnen (zurecht) androhe, dass sie dann von mir nix mehr bekommen.

(Kurzer Einschub: Bevor das jetzt falsch rüberkommt - ich gelte durchaus im Allgemeinen als sehr höflicher, freundlicher, hilfsbereiter und zuvorkommender Zusteller).

Dass auch die Post selbst dem anhaltenden Online-Paketboom eher ambivalent gegenübertritt, hat seine guten Gründe.
Der profanste: Von den viergroßen Geschäfstbereichen der DP ist die Endkundenlogistik der mit Abstand schwierigste und am wenigsten profitable. Woanders (internationales Frachtgeschäft etwa) lässt sich viel einfacher viel mehr Geld machen.
Das hängt auch d amit zusammen, dass das Geschäft nicht unbegrenzt skaliert (v.a. in Bezug auf Profit/Marge). Das Geschäftsgebiet ist fix (die BRD halt), die Produktpalette ebenfalls (nunja, Briefe und Pakete). zwei wichtige Faktoren, die sich quasi nicht positiv beeinflussen lassen. Was letztendlich heißt, dass du den steigenden Paketmassen tatsächlich erst mal nur mit der wenig effizienten Methode der erhöhten Arbeitskraft begegnen kannst. Schlecht, weil sich erhöhte Erlöse und erhöhte Personalausgaben in etwa die Waage halten dürften. Dazu kommen gewaltige Kosten für infrastrukturelle Maßnahmen, etwa neue/größere Paketzentren. Sprich: alleine durch mehr Pakete macht diePost nicht automatischmehr Geld. Da dürfte einfach so ziemlich das Ende der nutzbaren Skalierbarkeit erreicht sein...

Trotzdem versuchts die Post ja. Nur: Wir haben - zumindest in Bayern - quasi Vollbeschäftigung, der Markt ist so gut wie abgegrast. Du kriegst einfachnicht die Leute. Obwohl das Anfangsgehalt von ca. 13,40 Euro IMO wirklich nicht schlecht ist, zumal es volle 13 Gehälter gibt.
Ich werde ja gerade in Personalplanung/Personaleinsatz/Personalmanagement eingelernt und habe ca. 300 Leute "unter mir" (bin leider nicht deren Chef ;-)). Und es ist unfassbar,  wieviele Graupen da darunter sind. Egal ob jung oder alt, Deutscher oder Ausländer, Sonderschüler oder abgebrochener Akademiker. Aber due MUSST die Einstellungshürden halt phasenweise wirklich s ehrniedrig ansetzen, sonst kriegste gar nix ab. Und ja, die Arbeit ist hart,  aber schaffbar.

Wenn dir also jemand erzählen will, ohne eine Schicht von 7-20 Uhr wäre das nicht machbar, dann liegt, das behaupte ich jetzt einfach mal, der Verdacht nahe, dass der-/diejenige auchnicht gerade eine Granate als Zusteller ist.

Dazu noch zwei Anmerkungen:
1. Selbstverständlich bezahlt die deutsche Post die komplette Arbeitszeit.
2. Einzige Grenze ist die 10,75-Stunden-Regel. Danach MUSS die Zustellung abgebrochen werden, da der AN dann nicht mehr versichert ist etc. pp.

Es gibt übrigens eine Dienstvereinbarung, dass der Zusteller die Arbeit abbrechen DARF, wenn er 35 Minuten über seinem planmäßigen Dienstende ist. Das ist nicht viel... und da so ein Abbruch immer scheiße ist, sollte es schon von der Logikher einleuchten, dass einen die Post eben NICHT bewusst in einen Arbeitstag sprichwörtlich reinlaufen lässt, der unter 12 Stunden gar nicht zuschaffen ist.

Noch ein paar Gedanken durcheinander:
- Allheilmittel Packstation. Ich kann nicht - oft genug erwähnt - von echten Großstädten reden. Aber die PS hier in der Kleinstadt hat knapp 75 Fächer und ein Kerneinzugsgebiet von ca. 6.000 - 8.000 Haushalten. Die bekommen, je nach Saison, in etwa 700 bis 1.400 Pakete/Tag. Davon werden im Durchschnitt (schwankt natürlich) rund 25 Paketedirekt an die PS bestellt. Das ist also eine Quote zwischen 1,x und 3,x Prozent. Überfüllt ist die vielleicht zehn Mal im Jahr, "Opfer" sind dann aber auch nur so zwei bis drei  Pakete im  Schnitt.
- Viele Antworten beziehen sich IMO zu stark auf sich selbst. man denke etwa an ländliche Gegenden, alte Leute etc.Alles vielleicht nicht gerade die Mehrheit, aber beileibe auch keine unbedeutenden Randgruppen. Und nein, die wollen weder Bots noch alles irgendwo  um 22.00 Uhr abholen können.
- unaufgeklärte Kundschaft: Okay, ein Punkt, bei dem auch die Post selbst noch viel tun kann (ich tu's jedenfalls). Aber die Spanne reciht hier von "können sie gar nicht wissen" bis hin zu "zwei Sekunden nachdenken würde schon helfen". Damitmeine ich Sachen wie das bereits erwähnte Beschriften von Klingeln/BFKs. Oder Leute, die einen Briefkastenschlitz von 15x1 cm haben, aber jeden Tag DIN-A4-Umschläge bekommenund/oder massenweise Chinatüten bestellen. Und sich dann wundern, wenn der Zusteller leicht grummlig ist, weil er wegen eines solchen Schei***ck alleine eine halbe Stunde täglich extra investieren muss. Oder überhaupt die Verwunderung darüber, warum der "faule" Zusteller dem zwei-Euro-Chinamüll mit vier-Cent-Frankierung nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lässt wie dem Premium-Paket.

Wie gesagt, es geht nicht darum, den Postkunden an sich niederzumachen oder mich auszukotzen. Aber es ist einfach Vieles am Anschlag. Und vielleicht kann ich hier ein wenig zur Aufklärung beitragen, warum es einfach nichts bringt, mit dem Finger ausschließlich auf die Post zu zeigen und zu sagen "die müssen nur  wollen". Bei der Post ist vieles Mist, viele Zusteller sind auch Mist, aber sie alleine kann es nicht richten. Unser Konsumverhalten trägt halt schon auch dazu bei. Eines, das ich persönlich halt stark in Zweifel ziehe.

Ach ja, wegen der "gegen Amazon"-Geschichte... typische Situation: Amazonmerkt in einem seiner Lager, dass siehöhere Mengen/Volumen als kalkuliert ausliefern.
Also wird DHL kontaktiert: "bringt mal fünf zusätzliche Laster bei!" Den alten Manager hatten sie soweit im Griff, dass der geflissentlich "natürlich, sofort!" gerufen unddie Laster geschickt hat - für umme, wie es halt auch das Anspruchsdenken von Amazon ist. KEINE Spedition der Welt würde seine fünf Laster kostenlos hergeben - DHL hat's gemacht. Der neue Chef dagegen: "wenn ihr zahlt, könnt ihr sie haben". Und klar, die brauchen sie auf jeden Fall und Amazon merkt langsam, dass sie tatsächlich zahlen MÜSSEN.


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