Thema:
Re:Habe ich übrigens. Jeden Tag. Ohne Anführungszeichen. flat
Autor: Great Teacher Onizuk
Datum:11.10.18 16:09
Antwort auf:Re:Habe ich übrigens. Jeden Tag. Ohne Anführungszeichen. von Sockenpapst

>>Da habe ich mir wieder Mal ausgemalt, wie es wohl wäre, wenn all diese vielen Fahrzeuge nahezu lautlos ohne >>Abgase zu produzieren verkehren würden.
>
>Dass Fritz hart getriggert wird, war bei der doch recht plumpen Angel meinerseits absehbar, aber mal unter uns >Gebetsschwestern: Mein obiger Stoßseufzer war kein Plädoyer gegen - die von mir nicht einmal erwähnte - >Elektromobilität. Ganz im Gegenteil, mit ihr wird Autofahren langfristig nur noch geiler!1


Ach, ich wollte einfach nur meinen Groll loswerden, der durch meinen persönlichen Umgang mit der Lärm- und Luftbelästigung in Frankfurt entstanden ist. Ich kenne es halt auch anders, bin im Hunsrück aufgewachsen. Das Erste, was ich bei Heimaturlauben mache, ist die frische Luft zu genießen.

"Freude am Fahren" triggert mich aber nicht nur ökologisch sondern noch viel stärker persönlich, gesellschaftlich, psychologisch (mir fällt kein passenderes Adjektiv ein), in jedem Fall jedoch emotional. Als Jugendlicher habe ich jeden Tag von einem fetten Wagen geträumt, ohne dass mir der Grund hierfür wirklich bewusst war. Das war schließlich auch einer der Hauptgründe Schule und Uni durchzuziehen.

Und ja, es war geil im Boxster offen durch die Nacht zu cruisen oder nach einem langen Arbeitstag mit dem 911er nach Hause zu fahren. Ich hatte jedes Mal ein Lächeln im Gesicht, wie beim ersten Eis nach der Winterpause, wie ein neues Game Boy Spiel zu Grundschulzeiten oder wie nach dem Aufwachen am ersten Tag der Sommerferien. Aber hat es mich wirklich glücklich gemacht, diese Wagen zu fahren, anzuschauen, zu hören, anzufassen, zu besitzen? Vielleicht.

Mit der Zeit wurde mir allerdings immer klarer, dass ich mit diesen Fahrzeugen vor allen Dingen meinen gesellschaftlichen Status, meinen Wert (für mich selber, aber vor allem für andere) und mein Selbstbewusstsein aufwerten wollte. Und das hat verdammt gut, wirklich verdammt gut, geklappt. Leider.

Ich bin mittlerweile auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen, besitze kein Auto mehr. Mir gehen der Lärm und die Luftverschmutzung total auf den Sack, da ist es nur konsequent nicht länger einen lauten Spritschlucker zu unterhalten. Aber vor allem wollte ich keine "falsche" Aufmerksamkeit, keine Privilegien mehr, auch wenn ich diese bis zum Schluss im ersten Moment genossen habe und ich wollte meinen Wert nicht länger über einen Metallhaufen definieren. Zugegebenermaßen war es auch ziemlich befreiend, zum Beispiel weniger Verantwortung, mehr Zeit für andere Dinge, Zeit zu reflektieren, was mir wirklich guttut.

Was geblieben ist, ist die Wehmut, die mich jedes Mal befällt, wenn ein 11er oder ein Boxster die U-Bahn überholt. Dann denke ich an die Momente, in denen ich bei offenem Verdeck durch die Nacht gecruist bin.


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