Thema:
Re:Chemnitz Thema gestern bei Anne Will flat
Autor: FS
Datum:03.09.18 12:55
Antwort auf:Re:Chemnitz Thema gestern bei Anne Will von Lord Chaos

Meiner Meinung (wie alles was folgt) nach ist die DDR an den Faschos im Osten schuld. Ja, eine Steilvorlage aber lass mich erklären.

In Westdeutschland wurde in der Nachkriegszeit beginnend mit den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher von 1946 durch die Siegermächte beginnend das Thema Faschismus in den Folgenden 70 Jahren aufgearbeitet und thematisiert. Während die DDR im Grunde die gleichen Systeme von alles beherrschender Staatsmacht weiterführte, gab es in Westdeutschland massivste Debatten, Generationenkonflikte und Vorwürfe von Kinder an die Eltern welche in der Wehrmacht oder der SS waren und permanente Aufklärung und Aufarbeitung in allen Medien. Die Anzahl der 3. Reich Dokus im TV im Westen war bis vor wenigen Jahren noch extrem. Natürlich gab es Neo-Nazis im Westen. NPD, DVU, Republikaner etc. aber diese bekamen jedesmal massiven Gegenwind durch die Medien und mussten sich dann nach kurzen zweistelligen Erfolgen wegen Themen wie doppele Staatsbürgerschaft schnell wieder geschlagen geben.

In der DDR hingegen wurde in der Zeit konstant behauptet, dass alle Nazis im Westen sind und es keine Faschisten im Arbeiter und Bauernstaat gäbe. Kontakt zum Ausland gab es nur über Vertragsarbeiter (die 60000 Vietnamesischen Arbeiter oder 8500 Kubaner waren kein Vergleich zu den Ausländeranteilen welche Westdeutschland durch Gastarbeiter und sonstige Migranten hatte).

In den Köpfen der DDR Bürger war also fest gebrannt "Wir sind keine Nazis und Faschisten, unsere Vorurteile gegen Ausländer sind also normal und zeigen lediglich einen besorgten Bürger. Faschisten gibt es nur drüben".

Nun kam die Wiedervereinigung und diese war doch recht einseitig. Man sprach zwar davon die positiven Dinge der DDR (z.B. starke Frauenrechte und Kinderbetreuung) zu übernehmen, aber in der Praxis wurde die DDR in den Westen verwandelt. Viele DDR Bürger kamen damit nicht so gut klar. Empfanden den Kapitalismus als kalt, rücksichtslos und die Leistungsgesellschaft als ausbeuterisch. Man sah auch auf einmal fremde Gesichter und war "besorgt". Doch keiner hörte auf diese Sorgen.

Wurde von von Ostdeutschen geäußert, dass man befürchtet, dass die Ausländern die Arbeitsplätze wegnehmen wurde man im Westen als Nazi beschimpft. Dabei kam man doch aus der DDR - hier gab doch keine Nazis. Die DDR waren doch das Gegenteil der Nazis! Man war doch hinter dem Antifaschistischen Schutzwall.

Es entwickelte sich darauf bei vielen ein Ostalgie bei der die positiven Seiten der DDR (Vollbeschäftigung, soziale Wärme) glorifiziert wurden. Dieses verzerrte Bild der DDR als eine Art Paradies das der Westdeutsche mit seinen Ausländerhorden zerstört hat wurde einer ganzen Generation von Kindern erzählt welche die DDR nur als Kind oder gar nicht erlebt hatten.

Diese fanden ihre Meinungen dann in Pegida, AfD und andere rechten Gruppen und fühlten sich von einer Merkel im Stich gelassen welche "noch mehr Ausländer reinlässt und die Kultur zerstört".

Das führt zu den seltsamen Bildern von Faschos die in Chemnitz sich mit feierlicher Andacht "Auferstanden aus Ruinen" anhören und gleichzeitig mit der Reichskriegsflagge herumwedeln und Hitler als einen Typen darstellen der "mal richtig durchgegriffen" hat.

Früher hätte man durch Aufklärung und Bildungsfernsehen da entgegenwirken können. Heute wo sich die Fanatiker in den sozialen Medien freiwillig in Echokammern begeben und alle Fakten als "Fake" und "Lügenpresse" wegwischen ist das kaum noch möglich.

Nein, ich sage nicht dass es keine Nazis in Deutschland gibt. Die gab es immer und gibt es auch heute und viele der Altnazis hier welche mit NPD und Co. gescheitert sind organisieren faschistische Aktionen im Netz, aber die meisten Mitläufer finden sie im Osten aus den genannten Gründen.

Ich bin jedenfalls frustriert und habe auch keine Idee wie man diese Nazis welche sich selber nicht als Nazis sehen sondern als besorgte Bürger (und die glauben das wirklich - Begründung siehe oben) erreichen kann.


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