Thema:
Was ich in den letzten Wochen gelesen hab...(Teil 10) flat
Autor: Jassi
Datum:13.06.18 02:01
Antwort auf:Bücher Thread #5 von Faerun

Ach, ich muss mich fast schon entschuldigen, dass ich hier was von Wochen und nicht von Monate schreibe, aber da ich mich auf meine alten Jahre entschieden habe Physiotherapeut zu werden und trotz meiner beiden Jobs also  zusätzlich die Schulbank drücke, konnte ich leidder nicht soviel lesen wie ich gern wollte. Aber ganz ohne Literatur und Sachbücher ging's dann auch nicht...

Zudem hab ich mir gedacht, dass es ganz nett wäre sowas wie Leseproben zu posten. Spoilersusen müssen keine Angst haben, denn meist hab ich mir Buchstellen ausgesucht, die eher einen interessanten Gedanken bzw. den Vibe aufzeigen sollen.




R.Grote & T.Röder - Constitutionalism in Islamic Countries: Between Upheaval and Continuity

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Ich hatte es iirc schon im letzten Posting angerissen, dass mir das hier geschenkt wurde von einem Verfassungsrechtler, der jetzt für die UN arbeitet und dem ich früher Boxstunden gegeben habe bevor er nach Genf wegzog. Natürlich habe ich ihn entsprechend mit Fragen gelöchert , wenn er von seinen Einsätzen aus Libyen oder Saudi-Arabien bzw. Jemen zurückkam.  

Bezüglich des Buches will ich's kurz machen: Das Buch ist recht technisch und vielleicht  für Juristen mit einem Faible für Nahost interessant. Der Heidelberger Autor läßt diverse Juristen bzw. Politikwissenschaftler in sehr ausführlichen  Abhandlungen zu fast allen muslimischen Ländern zu Worte kommen. Die Autoren umreißen dabei i.d.R. Kurz die Geschichte des jeweiligen Staates bevor sie dann auf die Entstehung der heutigen Verfassung eingehen. Es dürfte wohl wenig verwundern, dass die Gründungsväter über die späteren „Modifizierungen“ wohl kaum amused wären. Ich habe konnte aber auch nachvollziehen wieso Pakistan keinen Staat mit Indien bilden wollte und war beeindruckt wie sehr sich die Prognosen bezüglich Erdogan und der Türkei als treffsicher erwiesen.





Daniel Kahneman - Schnelles Denken, langsames Denken

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In Kurzform:
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Argh, da war ich jahrelang auf der Suche nach einem Buch über kognitive Verzerrungen und hab mich immer vom Buchtitel täuschen lassen, dachte ich es wäre zu populärwissenschftlich. Kahneman hat mit seinem Kollegen Tversky 2002 den Wirtschafts-Nobelpreis gewonnen für seine „Neue Erwartungstheorie“. Ich glaube kaum, dass Nobel mit der Einführung dieses Preises überhaupt  einverstanden gewesen wäre und dass das Ding auch noch von Leuten aus der Chicagoer Schule gewonnen wurde setzt dem ganzen noch die Krone auf. Was mir persönlich aus meiner Laiensicht an den Wirtschaftswissenschaften missfällt ist wie sie von vielen als Naturwissenschaft mit mathematischen Formeln aufgefasst werden.

Wie schön, dass Leute wie Kahneman oder Nassim Nicholas Taleb („Der schwarze Schwan“ -l ese ich demnächst) den Jüngern Milton Friedmanns Kontra geben.

[https://www.zeit.de/2012/21/L-P-Kahneman]

Ganz klare Sachbuchempfehlung!





Michael Lüders - Die den Sturm ernten: Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte

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In Kurzform:
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Lüders bei Jung & Naiv:
[https://www.youtube.com/watch?v=uFl5bBGnEvQ]


Ich habe es hier schon öfters verlauten lassen, dass wir uns alle etwas von der von Herfried Münkler propagierten „mürrischen Indifferenz“ zu eigen machen sollten. Will heißen: Anstatt bei irgendwelchen Ereignissen wie einer „Busenentführung“ Wassenstrandsmeldungen im Konjunktiv zu verfassen oder zu vernehmen, lieber etwas abzuwarten  und sich dann ohne erhitztes Gemüt umfassender zu informieren.

Lüders „Wer den Wind sät“ fand ich sehr gelungen, weshalb dieses Buch über den Syrienkonflikt für mich ein „Day 1“ war.  Um es vorwegzunehmen: Ich bin mir der Kritik, die Lüders für einiger „seiner aufgeführten Fakten“ erhielt, bewußt, trotzdem würde ich niemandem von diesem Buch abraten.

[https://www.youtube.com/watch?v=KslIGb1WmV0]





Jurek Becker - Der Boxer

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Jurek Becker begegnete mir zum ersten mal vor über 20 Jahren im Deutschunterricht mit „Bronsteins Kinder“ als Sternchenthema im Abi. Kleiner Funfact: Letzeres wählte ich auch im schriftlichen als Prüfungsthema: „Jurek Becker wollte seinen Roman eigentlich 'Wie ich ein Deutscher wurde' nennen. Erörtern Sie dies“. Tja, dummerweise hatte ich ein paar Wochen zuvor eine Doku zu dem dato gerade verstorbenen Autor und Drehbuchschreiber von Liebling Kreuzberg gesehen in der er obige Frage sinngemäß wie folgt beantwortete: „Meine Familie mochte den ursprünglichen Titel nicht, deshalb nannte ich es Bronsteins Kinder.“ Alles klar!

Nichtsdestotrotz hatte ich schon damals im Unterricht durchaus Gefallen an Beckers Schreibe gefunden und mir damals auch „Jakob der Lügner“ zugelegt, was mich dann auch nicht enttäuschte.

Lesen muss man „Der Boxer“ nicht unbedingt , trotzdem formuliert Becker m.E. ein paar weise Gedanken bezüglich des jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland




Jurek Becker - Schlaflose Tage

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Och, ganz nette DDR-Systemkritik.





Nikos Kazantzakis - Alexis Sorbas

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Großartig! Durch eine Griechin in meiner Klasse kam ich auf die Idee  diesen Roman zu lesen und seit Camus' „Die Pest“ hat mich kein Klassiker SO begeistert. Wobei ich hier vielmehr eine Parallele zu „Narziß und Goldmund“ ziehen sollte: Apollons Freundschaft mit Dyonisos und seine Bewunderung für ihn. Toll!

[https://img3.picload.org/image/doiwoaia/21751840_1831426200521266_2766.jpg]





Erasmus von Rotterdam - Das Lob der Torheit

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Köstlich, einfach nur köstlich! Wie Erasmus es schafft wirklich alles und jeden abzuwatschen läßt einen innerlich dauerkichern.





Stefan Zweig - Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam

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Ob diese Bio historisch akurat ist, mag dahingestellt  sein, aber wie Zweig Martin Luthers als  Erasmus' Antagonisten aufbaut macht Spaß zu lesen und läßt sich mit einem Zitat Bertrand Russells zusammenfassen: „Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel. „  





Hannah Arendt - Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, Totale Herrschaft

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Ich kann nicht anders, aber ich bin ein Arendt-Fanboy. Und das völlig zurecht! Ich fühl mich auch just in diesem Moment nicht in der Lage in einem Absatz diesem Werk gerecht zu werden. Für Politikinteressierte ist das Ding Pflicht!





Reinhold Zippelius - Geschichte der Staatsideen

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Eine Juristin hat mir das geschenkt und anscheinend ist unter den Rechtwissenschaftlern Zippelius 'ne recht bekannt. Das Buch ist okay, nur war mir sehr vieles schon bekannt, da Zippelius sich viel auf diverse Philosophen bezieht und für mich nur x-tes mal ihre Vita durchgekaut wurde.






Friedrich Nietzsche - Menschliches, Allzumenschliches - Ein Buch für freie Geister

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Eieiei, an dem hier saß ich echt 'ne lange Zeit dran. Nietzsche ist mit seinem Deutsch echt nichts für zwischendurch.  Den ersten Teil bzw. Band des Buches fand ich sehr interessant bis vergnüglich („von Weib und Kind“). Beim zweiten Band fand ich Nietzsches Ansichten über den Sozialismus sehr interessant, aber irgendwann ist dann doch ermüdend wie er durch die Hintertür sich als Superstecher darstellt.

Mich erinnerte das an ein Posting eines hiesigen Forumsmitgliedes vor gar etlichen Jahren, in dem er aufdröselte welche Arten von Fußballfans es gibt:
1.) Die Erfolgsfans
2.) Die Fans von einem kleineren Verein
3.) Die Fans, die jedes Spiel ihres Vereins im Fernseh gucken
4.) Die Fans von einem kleineren Verein, die auch aus der selben Region/Stadt stammen
5.) Die Fans, die aus der Region stammen und dauernd im Stadion sind.

Nach Ansicht  des Forumsmitgliedes sind nur die Leute von 4.) und 5.) „echte“ Fans, da dies nur möglich wäre, wenn man mit seinem Verein regional verbunden ist... und eigentlich ist nur 5.) der wahre Fan.

Analog dazu läuft es dann bei Nietzsche ab, wobei man fairerweise sagen muss, dass er es schafft noch einen draufzulegen im Sinne von „Einzig der Capo (wie ich) ist ein Fan.“





Victor Harols Matthews - Old Testament Parallels: Laws and Stories from the Ancient Near East

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Das Buch war die Empfehlung eines Theologen. Um was geht’s? Matthews zeigt, dass viele Passagen des alten Testaments von Keilschriften, Tontafeln und Hieroglyphen o.ä. wie dem Gilgamesh-Epos stammen und diesen fast wortwörtlich  entnomme wurden. Leider liefert er für meinen Geschmack zu wenig Zusatz- bzw. Begleitinfos. Er beläßt es immer nur bei einer kurzen Einführung, die vor allem auf die archäologischen Entdeckungen eingeht, um dann später die Texte der entsprechenden Bibelstelle ohne größeren Kontext einfach gegenüberzustellen.

Wenn man die entsprechenden Psalme oder Verse aus der Bibel kennt, dann ist das auch interessant... aber leider auch nur dann.


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