Thema:
Re:Weil er es kann... flat
Autor: laubkerl
Datum:13.04.18 21:41
Antwort auf:Re:Weil er es kann... von Atlan

>>>Haben Rebellen deiner Meinung nach immer Recht? Steht es ihnen zu mit Waffengewalt eine Regierung zu stürzen?
>>>
>>>Das betrifft jetzt nicht nur Syrien.
>>
>>[http://abload.de/img/verratj6qgm.png]
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>Was aber ziemlich wenig mit der hochkomplexen Situation in Syrien zu tun hat. Als nächstes kommt wohl noch der Hitler-Vergleich. Mit dieser simplen Hollywood-Blockbuster-Logik direkt aus dem Pentagon kann man so ziemlich jedes Land invasieren, das nicht unseren Ansprüchen entspricht (und uns ressourcentechnisch oder geostrategisch "zufällig" ganz nützlich ist und sich nicht freiwillig unterordnen will). Iran ist dann der Nächste. Und alle (nach einer konzertierten Reihe von inhaltlich zwar meist korrekten aber eben propagandistisch-selektiven Schreckensberichten) erneut so: Yeah! Immer wieder dasselbe.
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>Die traurige Realität sieht doch eher wie folgt aus:
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>Was wir dort erleben, ist schon lange kein simples "Diktator vs. freiheitliche Volksbewegung/Rebellen" mehr. Das war es, wenn überhaupt, mal vor ungefähr sieben Jahren zu Beginn gaaaanz kurz (und dann sahen die USA natürlich sofort die praktische Möglichkeit eines weiteren Regime-Changes zu ihren Gunsten und sind im großen Stil mit eingestiegen - und im Lauf der Jahre sind dann immer mehr internationale Parteien mit ganz eigenen Interessen aufgesprungen). Das winzige Zeitfenster, im Rahmen eines arabischen Frühlings dort etwas zum freiheitlich Guten zu verändern, währte wenige Wochen und ist schon seit Jahren vorüber.
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>Was wir seitdem sehen, ist ein schmutziger Stellvertreterkrieg und Clusterfuck sondergleichen von mehreren Dutzend (!) regionalen und überregionalen Parteien sowie Großmächten, denen es allen nur um eines geht: Gewinnen. Vormachtstellung in der Region. Vollkommen egal, wie viele Syrer dabei ums Leben kommen. Dort gibt es keine guten, westlich-aufgeklärten "Rebellen" mehr, denen es die Daumen zu drücken gilt.
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>Allein wenn ich hier im Thread schon immer DIE Rebellen lese... Als gäbe es dort noch irgendeine homogene demokratisch gesinnte bewaffnete Opposition. Als gehörten alle, die ohne Flagge gegen Assad kämpften, einer gemeinsamen und vor allem gut gesinnten Interessengruppe an. Wie fern der Realität und wie simpel können Weltbilder sein? Nach all den Jahren?
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>Bestes Beispiel war doch gerade erst Ost-Ghouta: Syrische Armee vs. bis zu fünf (!) verschiedene und sich selbst teilweise spinnefeind seiende Islamisten-Gruppierungen, die in der Stadt seit langem rücksichtslos die Sau rausgelassen haben. Kann man da wirklich hoffen, dass eine dieser fremden Gruppierungen blutig gewinnt, "bloß" weil Assad ein brutaler Diktator ist und somit halt "aus Prinzip" weg muss, egal wie, warum und was danach kommt? So wie zuvor die Ex-Verbündeten Taliban im heute florierenden Afghanistan? Oder Partner Saddam Hussein im nun friedlichen Irak? Oder Freund Gaddafi im jetzt blühenden Libyen? All die ganzen Hitler-wenns-uns-gerade-in-den-Kram-passt? Wer ist als nächstes dran und wo hören wir auf?
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>Ein weiterer Failed State und Bürgerkriegsland mit täglichen Terroranschlägen für die nächsten 20 Jahre wäre 90% der involvierten Parteien lieber als ein befriedetes Syrien unter Russlandfreund Assad, so lange an seiner Stelle nur eine eigene Marionette an der Macht ist, durch die man das Land geostrategisch kontrollieren oder wirtschaftlich melken kann. Und ja, das gilt wohl auch für die USA. So fatalistisch-resigniert es erscheint: Derjenige, der von allen involvierten Parteien ironischerweise wohl noch das größte Interesse daran hat, dass Frieden herrscht, möglichst wenig weitere Syrer ums Leben kommen und schnell wieder halbwegs zivilisierter Alltag herrscht, ist wohl tatsächlich ausgerechnet der zweifelsfrei beschissene Assad. Aber bestimmt nicht die Türkei, Saudi-Arabien oder der IS. Und die USA und Russland sicher auch nicht, sorry.
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>Menschenverachtende Zyniker sind jene mit Hollywood-Weltbild, die seit Jahren aus der bequemen Ferne den Krieg anfeuern und meinen, es müsse dort aus Prinzip weitergekämpft werden, bis Assad weg ist, egal wie viele Leben es noch kostet. Nicht diejenigen, die sich schweren Herzens eingestehen, dass ein rational agierender Diktator zu einem bestimmten Zeitpunkt manchmal das kleinere Übel sein kann als ein endloser Bürgerkrieg oder gar ein anarchistischer Failed State.
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>Davon ab empfehle ich jedem die acht Minuten des erstaunlich unhsysterischen und differenzierten ARD-Berichts "Syrien: Wem können wir noch glauben?", vor allem das Interview in der zweiten Hälfte: [https://www.youtube.com/watch?v=9x74I03s4XI]


Seh ich alles genauso, danke für deinen ausführlichen Beitrag.

Bei dieser und den anderen Sachen frage ich mich allerdings immer wieder woher eigentlich immer noch dieser abstruse Rußland Hass kommt? Die sind weder Systemfeind wie früher, noch wirtschaftlich und weltpolitisch gefährlicher Konkurrent wie China. Was für Kräfte halten diesen Unfug am laufen? Altnazis in Buenos Aires? Reagan Cultists im Keller der CIA in Washington?


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