Thema:
Reisebericht Tokyo 2018 flat
Autor: Leviathan
Datum:08.04.18 14:54
Antwort auf:Trip nach Tokyo / Tokio / Japan von Slapshot

Vorab die Fotos: [https://imgur.com/a/yyMdY] (Etwas unsortiert, weil imgur mir die Sortierung durcheinander gehauen hat und ich das gerade nur noch grob bereinigt habe.)

Ich war bis dato einmal in Japan, inzwischen fast sieben Jahre her und auch nur für fünf oder sechs Tage. Obwohl ich ziemlich begeistert war, hab‘ ich den neuerlichen Besuch immer wieder vor mir hergeschoben, bis wir dann vergangenes Jahr beschlossen haben, die Reise auf uns zu nehmen und ich hab es echt kein Stück bereut.

Im Vorfeld haben wir uns die Frage gestellt, ob wir nur in Tokyo und näherer Umgebung bleiben (sprich: im selben Hotel bleiben) oder ob wir auch mal Abstecher nach Kyoto, Osaka und Konsorten machen. Da ich aber eine faule Sau bin und Reisen für mich immer Stress bedeutet, haben wir uns entschlossen, die knapp zwei Wochen in Tokyo zu bleiben und höchstens mal spontan ne Nacht irgendwo anders zu verbringen. Im Nachhinein kein Fehler, da man sich 14 Tage lang in Tokyo sehr gut beschäftigen kann.

Wir waren in Ikebukuro stationiert, was ich schon aus meinem ersten Tokyo-Besuch kannte und als gut empfand, weil da eigentlich immer was los ist und man auch sehr gut wegkommt, weil der Bahnhof zu den Hauptknotenpunkten des Bahnnetzes gehört. Unser Hotelzimmer war winzig, aber sauber und da wir ohnehin täglich fast ganztägig unterwegs waren, stellte das auch kein Problem dar. Am wichtigsten ist mir da eigentlich nur, nicht in so einem Wabenzimmer mit anderen Leuten unterzukommen.

Unser normaler Tagesablauf bestand also darin, nach dem Frühstück gegen 9 oder 10 Uhr das Hotel zu verlassen, vorab Ziele auszumachen und diese, wenn möglich, zu Fuß zu erreichen, um nicht nur ständig im (sehr gut funktionierenden) Bahnnetz unterwegs zu sein und Wohngegenden zu sichten oder auf den Wegen einfach coole Sachen zu entdecken, die man sonst niemals gesehen hätte. Daher haben wir täglich auch locker zwischen 15 und 25 Kilometer per pedes abgedeckt, weshalb es alles andere als ein Erholungsurlaub war – was ohnehin nicht geplant war.

Und es macht einfach Bock, sich in dieser Stadt aufzuhalten. Während der letzten Urlaube (Amsterdam, Paris, Stockholm, Dublin, Killarney) ist mir vor allem bei den ersten vier genannten auf den Keks gegangen, dass alles irgendwie doch eine ähnliche Suppe darstellt. „Du Depp,“, kann man sagen, „was hältste dich auch in den bekackten Großstädten auf!“, aber ich bin da vielleicht doch etwas zu naiv rangegangen und hatte mir dann letztlich doch etwas mehr Lokalkolorit erhofft. Genau hier kommt man in Tokyo voll auf seine Kosten. McDonalds, Subway und fucking Starbucks findet man zwar hier auch alle 200 Meter, aber es scheint dennoch, als würde man sich nicht davon abbringen lassen, sein eigenes Ding durchzuziehen, was vermutlich auch daran liegt, dass die Japaner größtenteils unter sich sind.

Das fängt an bei so ganz banalen Dingen wie Sauberkeit. Man findet hier echt keine öffentlichen Mülleimer – aber auch keinen Dreck auf den Straßen. Müll, den man produziert, hat man gefälligst zuhause zu entsorgen und daran halten sich verdammt nochmal auch 99,9 Prozent aller Japaner. Mächtig beeindruckend, da das hier und sonstwo in dieser Form niemals funktionieren könnte. Darüber hinaus bin ich noch nie einem Land dermaßen höflich behandelt worden. Egal, in welchem Restaurant, Imbiss und Geschäft oder an welcher Baustelle oder auf welchem Friedhof man sich gerade aufhält, man wird super behandelt, auch wenn da natürlich eine ganze Menge gespielt sein wird. Für jeden Scheiß wird sich fünftausendmal auf ergebenste Art und Weise bedankt, so dass man sich schon fast schlecht fühlt, das nicht ebenfalls zu tun/tun zu können, obwohl es auch gar nicht erwartet wird (ist wohl so ein Hierarchie-Ding).

Am Bahnhof standen wir auch zwei, drei Mal planlos herum, weil wir nicht genau wussten, welche Bahn wir nehmen können und es dauerte jeweils keine zwei Minuten, bis uns jemand ansprach und fragte, ob er/sie uns helfen könne. Und im Zweifel zeigt man uns dann nicht nur den Weg, sondern begleitet uns auch noch dorthin. Es ist einfach alles so herrlich unkompliziert und man hat immer das Gefühl, das alles Mögliche getan wird, um uns weiterzuhelfen. Und im Gegensatz zu China hat man auch das Gefühl, dass einem tatsächlich weitergeholfen wird, weil man auch kompetenztechnisch dazu in der Lage ist.

Ebenfalls krass: Abends ist fast überall immer noch die Hölle los. Wenn wir um 22 oder 23 Uhr in Richtung Hotel gegangen sind, waren die Straßen nicht leerer als um 18 Uhr. Die Leute gehen in Arcade-Hallen, hauen ihre Kohle in Pachinko-Läden raus (besonders witzig die Rentner, die da gleich morgens drin sitzen), machen Picknick im Park, gehen was Essen, sind beim Karaoke, halten sich in Kaufhäusern ein, sind einfach da. Wahrscheinlich auch, weil sie keinen Bock auf ihre kleinen Buden haben. Auf Dauer wäre das für mich als deutscher Stubenhocker zwar nichts, aber für zwei Wochen kann man daran gerne mal teilnehmen. Während unserer drei Treffen mit maiwurm, der ja schon ein paar Jährchen vor Ort ist und uns in Läden entführt hat, in die wir uns als Gaijins ohne Japanischkenntnisse nicht getraut hätten, haben wir auch noch ein wenig über das Leben dort erfahren.

Selbst ich als Dauernörgler kann dem Urlaub kaum bis gar nichts Negatives abgewinnen. Von vorne bis hinten ziemlich geil, auch wenn vermutlich nicht in dieser Stadt leben wollte. Hier gibt’s echt ne ganze Menge zu erleben und wenn man nicht unbedingt den Strandurlaub auf Mallorca oder den Malediven braucht und ein paar Euro übrig hat (letztlich war der Urlaub trotz der Sommerferien aber auch nicht viiiel teurer als ein Aufenthalt in Europa), der sollte definitiv mal nach Tokyo bzw. Japan fliegen. Vom Flug bin ich allerdings immer noch etwas geschlaucht, weil wir elende Billigheimer sind und es nicht einsahen, 400 Euro mehr für den Direktflug auszugeben. Daher jeweils ein Zwischenstopp in Beijing über Air China, was jetzt nicht zu den geilsten Erlebnissen ever gehört und insgesamt gerade noch OK war.

Ah, doch noch was: Es gibt zwar vergleichsweise wenige Touristen, aber Japaner müssen sich teilweise echt fragen, was für Deppen da auf dem europäischen Kontinent wohnen. Ich gewinne zwar bestimmt keine Mode- und Schönheitspreise, sehe aber trotzdem zu, nicht wie der letzte Lauch dort rumzulaufen. Die meisten verwechseln die Stadt dann aber offensichtlich mit Malle und sehen aus wie die letzten Touripenner. Sandalen, pinke Polo-Hemden, die vor zehn Jahren vielleicht mal gepasst haben, aber bereits damals schon scheiße aussahen, kurze verranzte Hosen bei 18°, Brustbeutel, Safari-Hut. Ach, haut ab, ey.

Fliegt hin, Leute, fliegt hin!

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J-League: [https://www.maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=6&msgid=4290277]
Shenmue-Tour: [https://www.maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=6&msgid=4289591]

Und hier nochmal die Fotos: [Vorab die Fotos: [https://imgur.com/a/yyMdY]


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