Thema:
Re:unsere Große lässt uns verzweifeln flat
Autor: Pezking
Datum:07.04.18 14:39
Antwort auf:Re:unsere Große lässt uns verzweifeln von Wurzelgnom

>>Introvertiert bedeutet nicht, dass man schüchtern oder antisozial ist. Es bedeutet eher, dass man sich auch alleine genug ist, man nicht permanent einen Trieb hin zu sozialen Kontakten verspürt und dass man einfach auch mehr Zeit für sich alleine braucht, weil nur dann echte Erholung einsetzt.
>
>Nein glaub mir, introvertiert ist sie nicht.
>Sie WILL, braucht nur einen Schubs weil sie in der Vergangenenheit selbst da hin und hergefahren wurde.
>Wenn der Schubs kommt, muss man auch nicht lange auf den Anruf warten ob sie länger bleiben darf.


Ich bleibe dabei: Gerade dieser Schubs kann auf einen eher phlegmatischen, introvertierten Charakter hindeuten. Man kann soziale Kontakte dennoch in vollen Zügen genießen, insbesondere mit gut vertrauten Freunden. Aber man empfindet Einsamkeit halt auch nicht als lästig. Extrovertierte Leute werden da sofort unruhig und suchen schnellstmöglichst wieder Kontakt und Gesellschaft. Introvertierte Menschen hingegen sind alleine total ausgeglichen und sich viel leichter auch mal selbst genug.

Ich sage das vor allem, weil ich nicht glaube, dass diese Natur irgendetwas mit Erziehung zu tun hat oder durch Erziehung veränderbar ist. Man kann höchstens dafür sorgen, dass sich so jemand öfter entgegen seiner Natur verhält und ständig schauspielert. Aber das ist wahrscheinlich ungefähr so förderlich, wie einen Linkshänder zum Rechtshänder umerziehen zu wollen.

Du hast ja darum gebettelt, dass wir Dir sagen, dass das nicht normal ist. Ich halte es jedoch für alles andere als unwahrscheinlich, dass das einfach ihre normale Natur, ihr normaler Charakter ist, und dass Du Dich ein Stück weit damit abfinden musst.

Zu sagen, dass es nicht in Ordnung ist, dass sie so tickt wie sie nun mal tickt, ist IMO brandgefährlich.

Letztendlich kennst Du sie unendlich viel besser als wir alle hier. Du musst halt möglichst zielsicher beurteilen, was ihre unveränderliche Natur ist und was vielleicht nur eine Laune.

Allein schon die Tatsache, dass Du sie mit ihrem Vater vergleichst und ihr "die gleichen Gene" zuschreibst, spricht IMO stark dafür, dass auch Du insgeheim längst weißt, dass sie nun mal so ist. Und ich glaube, dass es dann enorm wichtig ist, dass Du Dich damit abfindest und sie genau so akzeptierst.

>>>In der Regel macht sie das ja. In dem Fall wollte ich aber gleich eine Rückmeldung haben und nicht erst in einer Stunde.
>>
>>Dann solltest Du hier Deine Wünsche und Deine akute Ungeduld mal runterschlucken.
>
>Jetzt sag ich mal wtf?
>Das ist Situationsbedingt, so etwas muss es auch mal geben. Wenn man es eilig hat bzw einen Termin dann ist das so.


Sehe ich anders. Du machst Dir Sorgen, dass sie ihre sozialen Kontakte vernachlässigt. Dann nimmt sie Deinen Vorschlag sogar an und will daraufhin ihre Freundinnen auf dem heutzutage normalsten Weg der Welt via WhatsApp kontaktieren, und dann ist Dir das nicht schnell genug? Weil Du Kommunikation via Handy für eine "Seuche" hältst? Weil Du einen Termin hast?

Das ist einfach nur kontraproduktiv und ich könnte es ihr überhaupt nicht verdenken, wenn sie das als unfaire Gängelei empfindet.

>Was ihr vorschlagt endet dann genau da wo wir aktuell das Problem haben, dass sie denkt alle Zeit der Welt zu haben. Ist doch morgens vor der Schule auch so, hopp hopp und los.
>Da sind ihre Kumpels auch weiter, die stehen selber auf und die muss man nicht ständig anpfeifen.


Jeder ist anders. Sie kommt ja offenbar letztendlich pünktlich in der Schule an und liefert dort dann ordentlich ab. Ob sie dafür nun eine, drei oder fünf Extraeinlagungen braucht, ist doch letztendlich völlig egal, wenn das Ergebnis eh nicht besser werden kann. Und da sollte dann auch egal sein, wie das bei anderen Kindern läuft.

Niemand muss immer und überall mit allen anderen Schritt halten können.

>>Es bringt doch nichts, Dein unzeitgemäßes Weltbild auf die Kindererziehung zu projizieren. Ich wäre da weniger restriktiv.
>
>Wtf?
>Mal ernsthaft, was denkst du denn was wir für Regelungen haben?
>Ich bezweifle dass andere Eltern GAR KEINE Regeln festlegen was die Handynutzung angeht.
>Unzeitgemäßes Weltbild, imo echt übertrieben.


Du hast das selbst als "Seuche" bezeichnet, das klingt jetzt nicht gerade nach einem nüchternen Umgang mit dem Thema. Du wirst es im Alleingang nicht schaffen, dass sich die heutige Jugend wieder abgewöhnt, sich zu 95% nur noch via WhatsApp zu verabreden. Und dafür müsste ihr halt dieser Kommunikationsweg zu normalen Uhrzeiten für das jeweilige Alter zur Verfügung stehen.

Am Ende wird sie womöglich sogar geschnitten, von wegen: "Die ist voll weird, die ruft nach einer Nachricht immer direkt an!"

>Ihr verlangt also dass sie zu jeder Zeit, beim essen, Abends im Bett usw ihr Handy nutzen darf?

Nein, natürlich nicht.

>>Sorry, aber ich finde das echt verdammt streng. Einerseits willst Du ihr Hobbys und Interessen schmackhaft machen, und dann wirfst Du ihr solche Knüppel zwischen die Beine, damit es ihr ja nicht zu leicht fällt?
>
>Das ist überhaupt nicht streng, das machen alle so.


Das ist streng, und es sind halt auch nicht alle gleich. Weder Eltern, noch Kinder.

>Da gibt es auch keine Probleme, sie fühlt sich erwachsen und sie freut sich wenn wir ihr da vertrauen, sonst würde ich das nicht tun.

Ok, das kannst Du natürlich viel besser bewerten als wir hier. Wir kennen ja nur Deine Storys, wenn Dich mal wieder akut irgendwas besonders nervt oder schier in die Verzweiflung treibt.

>>Ich weiß wirklich nicht, ob das überhaupt ein Problem ist. Also ja: Für DICH ist es offensichtlich eines. Aber in meinen Augen beschreibst Du da die ganze Zeit ein völlig normales Kind, das einfach nur nicht Deine bevorzugten Erwartungen erfüllt.
>
>Hast recht, es ist kein Problem.
>Sie ist im Grunde auch besser als normal, alleine wenn man sich das rücksichtsvolle Verhalten unserer Kinder anderen gegenüber ansieht.
>Sie fragen, lassen vor, kloppen sich nicht, sind ehrlich...


...und auch noch gut in der Schule?

Sorry, aber 95% der anderen Eltern müssen sich da doch denken: "Eure Sorgen möchte ich haben!"

Deine Tochter liefert gute Noten ab und ist im Sozialverhalten topfit - was willst Du denn bitte noch? Dass sie Dir sympathischer ist?

Habe letztens den (sehr guten!) Film "Lady Bird" gesehen.

Dort fragt die Tochter ihre Mutter, ob sie sie mag.
Die Mutter antwortet, dass sie sie natürlich liebt.
Die Tochter daraufhin: "Ja, ich weiß - aber magst Du mich?"

Ein bisschen erinnert mich das an Deine Schilderungen. Fände ich auch an sich gar nicht mal verwerflich, sondern zunächst einmal menschlich. Wichtig wäre dann halt nur, welche Schlüsse und Konsequenzen man aus dieser Erkenntnis zieht - sofern das hier überhaupt passt; kann natürlich aus der Ferne auch totaler Bullshit sein, will mir da nix anmaßen. Musste halt nur daran denken, und vielleicht hilft es Dir ja auch irgendwie.

>Ich könnte da regelmäßig die Eltern klatschen wenn ich sehe wie andere Kinder meinen zarten Sohn wegschubsen um auf die Rutsche zu kommen.
>Das wären dann vermutlich eure Kinder wenn ihr sie ohne Regeln erziehen wollt ;)


Niemand hier will irgendjemanden ohne Regeln erziehen.

Und das, was Du an Regeln auffährst, ist sicher nicht nur das absolute Minimalmaß. Mit ein bisschen weniger Kontrolle wärst Du garantiert immer noch lange nicht im antiautoritären Spektrum angelangt.

>Ich habe schon öfters geschrieben dass ich die Verhätschelung aus ihr raushaben will. Nicht nur ich, wir alle.

Ja, und ich weiß echt nicht, ob das eine gute Idee ist. Aus meiner Erfahrung ist es im Zweifelsfall besser, ein Kind eher einen Tick zu viel als zu wenig zu verwöhnen.


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