Thema:
Ich bin so doof flat
Autor: Vern Schillinger
Datum:06.12.17 16:11
Antwort auf:Der Job Thread: befördert oder gekündigt? von HaPe

Ich habe mich ja 2008 selbständig gemacht, um als freier Redakteur und Texter zu arbeiten. Ich wollte einfach mehr berufliche Abwechslung und nicht immer dasselbe machen.

Die ersten Jahre als Freelancer waren super und mein Tätigkeitsfeld hat sich dabei ganz schön vergrößert. Anfangs hab ich halt für diverse Webseiten und Zeitschriften Artikel geschrieben. Diese Jobs wurden aber immer weniger. Manche Redaktionen haben dicht gemacht oder sie mussten einsparen, was bedeutet, dass die Festangestellten einfach die Arbeit der teuren Freelancer mit erledigen mussten, um Kosten zu sparen.

Also habe ich mehr für Agenturen getextet, Social-Media-Redaktion für diverse Unternehmen gemacht usw. Dann kam Gag-Writing fürs Frühstücksradio dazu und das führte zu weiteren Jobs als Comedy-Autor für TV-Produktionen usw. Ich hab mich dann auch mal selber auf die Bühne gestellt, was eigentlich nur als Test gedacht war, um Material auszuprobieren, da ich ja auch für ein paar Comedians was schreiben musste. Ich hasse es auf der Bühne zu stehen und zu reisen, darum habe ich das nicht groß weiter verfolgt, aber komischerweise kamen immer wieder Anfragen.

Das Krasse ist, dass viele dachten: "Boah, der ist voll erfolgreich und bestimmt reich!" weil ich unter anderem für die Sat1-Show "Knallerkerle" Sketche geschrieben habe, im TV oder im Quatsch Comedy Club aufgetreten bin usw. Dabei verdient man da nur Peanuts und hat echt Stress ohne Ende.

Kürzlich hatte ich Termine mit richtig großen Produktionsfirmen und Medienunternehmen, wo ich im Vorfeld dachte: "Geil, wenn ich hier als Autor reinkomme, dann habe ich ausgesorgt." Umso schockierter war ich, als ich erfahren habe, was die ihren Autoren bezahlen. Im Endeffekt nutzen die es halt aus, dass die Leute geil sind auf Jobs in der TV-Branche.

Dann kam die Anfrage eines Comedian, der seit Jahren sehr erfolgreich ist. Man wolle mal was Neues ausprobieren. Wieder gedacht: "Geil, der füllt riesige Hallen. Jetzt rollt der Rubel!" Pustekuchen! Die Bezahlung war ein Witz, aber ich habs trotzdem gemacht, weil ich dachte, es wäre gut für die Vita. Das Ende vom Lied: Mein Material wurde abgelehnt. Man wollte eher Gags haben, über die ein Schulkind genauso lachen kann wie eine 80-jährige Oma. Wieso kommen die dann auf mich zu? Jedenfalls wollten dir mir dann nicht mal die verabredete Kohle zahlen, sondern viel weniger. Die Rechte am Material wollten sie aber trotzdem behalten. Ich hab dann gesagt,dass sie ihr Geld behalten können und ich dafür mein Material.

Dann stolperte ich über ein Jobangebot. Werbetexter. Nach fast zehn Jahren Home-Office konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, mit anderen Menschen in einem Büro zu sitzen. Hab mich trotzdem beworben und bereits zwei Wochen später angefangen. "Wenns mir auf den Sack geht, hör ich halt wieder auf!", dachte ich.

Als Angestellter zu arbeiten, fühlt sich im Vergleich zum Freelancing echt wie Urlaub an. Ich genieße jeden Tag und frage mich, warum ich nicht schon viel früher wieder ins Angestelltendasein gewechselt bin. Das Leben kann so einfach sein!


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